Bei der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt zeichnet sich ein äußerst knappes Rennen ab. Laut zwei unabhängig voneinander erhobenen Exit Polls liegt der bisherige Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski mit minimalem Vorsprung vor seinem Herausforderer Karol Nawrocki.
Das Institut Ipsos, das seine Umfrage für die Fernsehsender TVP, TVN und Polsat durchführte, sieht Trzaskowski bei 50,3 Prozent der Stimmen, Nawrocki bei 49,7 Prozent. Eine zweite Erhebung, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut OGB für den Sender TV Republika, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Trzaskowski 50,17 Prozent, Nawrocki 49,83 Prozent. Laut dieser Schätzung trennen die beiden Kandidaten etwa 70.000 Stimmen – bei rund 37 Millionen Einwohnern.
Offizielle Endergebnisse liegen noch nicht vor und werden frühestens im Laufe des Montags erwartet. Beide Umfragen bewegen sich innerhalb der statistischen Fehlertoleranz. Eine Aussage über den Wahlsieger ist deshalb noch nicht möglich.
Trzaskowski wird von der liberalen PO unterstützt, die auch Ministerpräsident Donald Tusk stellt. Die Partei gilt als EU-freundlich. Nawrocki hingegen wurde von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nominiert, die in der Vergangenheit immer wieder mit Brüssel aneinandergeraten war. Er ist parteilos, wird aber klar dem Lager der PiS zugerechnet.
Der bisherige Präsident Andrzej Duda (PiS) konnte nicht erneut antreten. Die polnische Verfassung erlaubt nur zwei Amtszeiten. In der ersten Wahlrunde am 19. Mai hatte Trzaskowski mit 31,1 Prozent knapp vor Nawrocki gelegen, der 29,1 Prozent erreichte. Da keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheit erhielt, war eine Stichwahl notwendig geworden.
Das Präsidentenamt in Polen hat nicht nur symbolische Bedeutung. Es umfasst unter anderem ein Vetorecht bei Gesetzen. Da die Regierung von Donald Tusk im Parlament nicht über die erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit verfügt, um ein präsidentielles Veto zu überstimmen, kommt dem Wahlausgang große politische Bedeutung zu. Ein Wahlsieg Trzaskowskis würde der Regierung die Arbeit erleichtern, ein Sieg Nawrockis könnte wichtige Gesetzesvorhaben blockieren.