Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will trotz eines ersten Gerichtsurteils weiterhin Geflüchtete an den Grenzen zurückweisen. „Wir halten an den Zurückweisungen fest“, sagte er am Montagabend in Berlin. „Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren.“ Dobrindt nannte das Urteil einen „Einzelfallbeschluss“.
Das Berliner Verwaltungsgericht hatte zuvor die Zurückweisung von drei Somaliern, zwei Männern und einer Frau, bei Grenzkontrollen für rechtswidrig erklärt. Deutschland müsse bei Asylgesuchen auf seinem Staatsgebiet das Verfahren beginnen und feststellen, welcher EU-Mitgliedsstaat dafür nach dem Dublin-Verfahren zuständig ist.
Die Eilentscheidungen gelten zwar nur für die drei. Allerdings sagte das Gericht, dass es die Zurückweisungen bei Grenzkontrollen in solchen Fällen allgemein für rechtswidrig hält.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach am Dienstag von einer „vorläufigen Entscheidung“ des Gerichts, welche das Vorgehen an den Grenzen nicht grundsätzlich in Frage stelle: „Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können“, sagte Merz.
Ein Urteil, das „die Spielräume hier möglicherweise noch einmal etwas einengt“. Er fügte hinzu: „Die Spielräume sind nach wie vor da.“
Weitere Stimmen
Auch SPD-Bundestagsfraktionschef Matthias Miersch wies darauf hin, dass eine letztinstanzliche Entscheidung noch aussteht. In einer „sorgfältigen Auswertung“ müsse Rechtssicherheit geschaffen werden.
Die Grünen kritisierten die Reaktion von Merz und Dobrindt und argumentierten, das Urteil des Berliner Gerichts sei nicht anfechtbar. Mit den Zurückweisungen sei „Recht gebrochen worden, und das kann auf keinen Fall so fortgesetzt werden“. Haßelmann rief die SPD auf, Dobrindt zu bremsen.
AfD-Chefin Alice Weidel zufolge zeigt das Gerichtsurteil, „warum unsere Asylgesetzgebung falsch ist“. Sie forderte, dass Asylverfahren für Menschen, die etwa aus sicheren Drittstaaten einreisen, ausgeschlossen werden. Weidel wies auf die Überlastung der Verwaltungsgerichte hin.
„Deutschland muss darüber entscheiden, wer nach Deutschland einreist, alles andere ist völlig unakzeptabel“, sagte der Chef der deutschen Polizeigewerkschaf Rainer Wendt.
Die Linke hingegen forderte die Bundesregierung auf, die Zurückweisungen sofort einzustellen. Jetzt zeige sich, „ob die Union den Rechtsstaat respektiert oder ihn mit Füßen tritt“, sagte Clara Bünger der Linksfraktion.
Hauptsacheverfahren angestrebt
Die drei Somalier hätten am 2. Mai und erneut einen Tag darauf versucht, die deutsche Grenze zu überqueren, schilderte Dobrindt. Sie hätten beide Male kein Asylgesuch gestellt und seien zurückgewiesen worden. Am 9. Mai seien sie wieder an der Grenze erschienen.
Da hätten sie dann ein Asylgesuch gestellt, seien aber aufgrund der „Vorgeschichte an der deutschen Grenze“ erneut zurückgewiesen worden. Er halte es „für folgerichtig“, dass die Polizei diese Entscheidung traf, betonte der CSU-Politiker.
Der Beschluss des Berliner Gerichts sage aus, dass eine Dublin-Prüfung durchzuführen sei, betonte der Minister. „Das heißt, der Grenzübertritt hat zu erfolgen und Deutschland hat zu prüfen, welcher Mitgliedstaat zuständig ist für das Asylverfahren.“ Es handele sich aber um Eilentscheidungen des Gerichts. Sein Ministerium strebe hier das Hauptsacheverfahren an – und glaube da, „deutlich“ Recht zu bekommen.
Allein von 8. Mai bis 1. Juni seien 2.850 Menschen an den Grenzen zurückgewiesen worden, sagte Dobrindt. Davon hätten 179 ein Asylbegehren gestellt, von denen 138 zurückgewiesen worden seien. Die restlichen 41 stammten demnach von vulnerablen Gruppen. Dobrindt nannte die Zahlen „nach wie vor zu hoch“, deshalb würden die Zurückweisungen weiterhin stattfinden.
Dobrindt hatte am 7. Mai verstärkte Kontrollen und Zurückweisungen von Geflüchteten angeordnet. Dies soll dem Minister zufolge nicht auf lange Dauer angelegt sein. Von den Zurückweisungen sind zudem besonders verletzliche Gruppen wie Kinder und Schwangere ausgenommen. (afp/red)