Grünes Wissen to go: In diesem Jahr könnte die Photovoltaik in der Bundesrepublik erstmals mehr Strom produzieren als die Braunkohle. Trotzdem setzt die neue Energieministerin Katherina Reiche auf Gas als fossile Energie
Kein Lärm durch Tagebaue, keine Luftverschmutzung durch Brennkessel, kein radioaktiver Abfall – Strom aus Photovoltaikanlagen ist so herrlich entspannend
Sean Gallup/ Getty Images
„Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.“ Das behauptete die deutsche Stromwirtschaft mit einer Anzeigenkampagne im Jahr 1993. Und das plapperten dann auch Politiker:innen nach, die damalige Bundesumweltministerin zum Beispiel: Zwischen 1994 und 1998 war das Angela Merkel (CDU).
Tatsächlich aber lieferten die Erneuerbaren in diesem Mai bereits mehr als 70 Prozent des hierzulande verbrauchten Stromes emissionsfrei und kostengünstig – aus heimischer Wertschöpfung. Damit verstetigt sich der Trend: Im Jahr 2024 liefert allein die Windenergie 25 Prozent des hierzulande verbrauchten Stromes. Auch der Ausbau der Sonnenenergie ist erfolgreich: Nach Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme lag die Photovoltaik im Jahr 2024 mit 15,57 Prozent nur noch ganz knapp hinter der Braunkohle, die 15,61 Prozent zur deutschen Nettostromerzeugung beitrug. Alle Erneuerbaren zusammen deckten fast die Hälfte des deutschen Stromverbrauches im ersten Quartal. Die Lehre daraus: Fossile Lobbyisten liegen meist daneben.
Allerdings ist der Solarausbau zuletzt nach dem Regierungswechsel eingebrochen: Im April wurden lediglich 835 Megawatt neu ans Netz geschaltet. Das ist nur etwa halb so viel, wie nötig wäre, um das regierungsamtliche Ziel zu erreichen: Bis 2030 sollen demnach insgesamt 215.000 Megawatt Solarkraft am Netz sein. Ende April waren in Deutschland 5.100.438 Photovoltaik-Anlagen mit einer kumulierten Leistung von 104.900 Megawatt am Netz.
Und es sieht nicht so aus, als ob die neue Bundesenergieministerin Katherina Reiche (CDU) dem solaren Ausbau Priorität einräumt: Sie will stattdessen „mindestens 20-Gigawatt-Gaskraftwerke“ ausschreiben, nur so ließen sich „bezahlbare Preise“ sicherstellen. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD verabredet, eine Kapazität „von bis zu 20 Gigawatt“ – also 20.000 Megawatt – bauen lassen zu wollen.
Mehr fossilfreier Solar- und Windstrom ist wichtig, wenn Deutschland seine Klimaziele schaffen will: Wenn mehr Autos elektrisch unterwegs sind, die Industrie Prozesse auf „Strom“ umstellt und mehr Heizungskeller in einer Wärmepumpe Strom statt Gas „verfeuern“, steigt der Bedarf.