Repression und Bereicherung statt Umverteilung: Präsident Nicolás Maduro hat ein autoritäres System im Bündnis mit dem Kapital etabliert, argumentiert der US-amerikanische Associate Professor für Lateinamerikastudien und Soziologie an der State University of New York in Albany, Gabriel Hetland.

Anmerkung der Redaktion: Auf diesen Artikel folgt ein Beitrag des Politikwissenschaftlers Steve Ellner, in dem dieser auf die Kritiken Gabriel Hetlands an der Regierung Maduro reagiert. Er wird nächstes Wochenende veröffentlicht werden.

Am 10. Januar 2025 begann Nicolás Maduro seine dritte sechsjährige Amtszeit als Präsident Venezuelas. In seiner Antrittsrede erklärte er:

„Ich war nie und werde niemals Präsident der Oligarchien, der reichsten Familien, der Suprematisten oder der Imperialisten sein. Ich habe nur einen Herrn: das einfache Volk.”[1]

Diese Rhetorik sowie seine Fähigkeit, jahrelangen Umsturzversuchen der USA standzuhalten, haben Maduro beachtliche Unterstützung in Teilen der globalen Linken eingebracht. Seit seiner ersten Wahl 2013 nach dem Tod seines Vorgängers Hugo Chávez profitiert Maduro vom Erbe der Bolivarischen Revolution. In deren Blütezeit (2003 bis 2011) ging die Armut um 30 Prozent zurück, die extreme Armut sogar um 71 Prozent. Die soziale Ungleichheit nahm deutlich ab (der Gini-Koeffizient Venezuelas, ein statistisches Maß für die Ungleichheit innerhalb einer Bevölkerung, sank von 0,5 auf 0,4), und es kam zu einem bemerkenswerten, wenn auch widersprüchlichen Prozess der Ermächtigung der Bevölkerung.[2] Bekannte Linke wie Vijay Prashad, Manolo De Los Santos und der Podemos-Mitbegründer Juan Carlos Monedero verteidigen Maduro als demokratisch, revolutionär und antiimperialistisch.[3] Auch andere Linke, etwa Steve Ellner, äußerten sich ähnlich, wenn auch mit Einschränkungen.[4] Doch ist diese Verteidigung gerechtfertigt? Ist Maduro ein antiimperialistischer Revolutionär mit demokratischer Legitimation?

Eine genaue Analyse von Maduros Handlungen zeigt, dass diese Sichtweise nicht haltbar ist. Tatsächlich ist seine Herrschaft geprägt von einem zunehmend repressiven Autoritarismus und einem räuberischen Kapitalismus. Maduros Autoritarismus hat große Aufmerksamkeit erregt, ebenso wie die humanitäre Krise, die sich unter seiner Führung in den letzten zehn Jahren entfaltet hat. Weniger beachtet wurde der Wandel in Maduros Klassenbasis, weg von den Arbeitern und unteren Bevölkerungsschichten hin zum Kapital. Die Außenpolitik Maduros weist weiterhin Spuren von Antiimperialismus auf, aber selbst diese sind sehr begrenzt. Das hat dazu geführt, dass sich große Teile der Linken, sowohl im globalen Norden als auch in Lateinamerika und Venezuela selbst, zunehmend von Maduro distanzieren.

Der vorliegende Artikel gliedert sich in drei Teile: Teil 1 analysiert Maduros autoritäre Machtkonsolidierung, die teils mit dem Schutz der Errungenschaften der Bolivarischen Revolution begründet wurde. Teil 2 zeigt die Schwächen dieser Position anhand des Aufstiegs eines räuberischen Kapitalismus unter Maduro. Teil 3 reflektiert über die weiterreichenden Lehren dieses Falles.

Konsolidierung des Autoritarismus

Obwohl Maduro von einem überraschend großen Teil der globalen Linken weiterhin als demokratisch legitimierter Staatschef angesehen wird, sind die Belege für den autoritären Wandel Venezuelas unter seiner Führung überwältigend. Dieser Wandel setzte hauptsächlich nach den Parlamentswahlen 2015 ein, bei denen die Opposition zur regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) eine Zwei-Drittel-Mehrheit errang. Anstatt sich mit der sich verschärfenden Wirtschaftskrise zu befassen – die 2013 einsetzte und durch anhaltende Rezession, weit verbreitete Versorgungsengpässe und zunehmende Verelendung gekennzeichnet war –, konzentrierte sich die von der Opposition kontrollierte Nationalversammlung darauf, Maduro abzusetzen, unter anderem mittels eines Abwahlreferendums. Der Nationale Wahlrat, der die Wahlen überwacht, setzte das Referendum im Oktober 2016 aus und verschob wenig später die für Dezember geplanten Regionalwahlen auf das Jahr 2017. Im März 2017 löste der Oberste Gerichtshof – der wie auch der Wahlrat klar auf Maduros Linie agiert – die Nationalversammlung auf, was zu monatelangen, teils gewaltsamen Protesten führte, bei denen Dutzende Demonstrierende und Sicherheitskräfte ums Leben kamen. Die drei aussichtsreichsten Oppositionskandidaten wurden von der Präsidentschaftswahl 2018 ausgeschlossen. Der verbleibende führende Oppositionskandidat Henri Falcón – ein ehemaliger Chavist – wurde von den USA mit Sanktionen belegt. Viele waren der Ansicht, dass Falcón Maduro hätte schlagen können, wenn sich die Opposition hinter ihn gestellt und die Wahl nicht weitgehend boykottiert hätte. Maduro ging als Sieger hervor, jedoch unter Bedingungen, die klar von freien und fairen Wahlen entfernt waren – bedingt durch das Vorgehen sowohl Maduros als auch der USA. So verhängten die USA im August 2017 scharfe Sanktionen gegen Venezuelas internationale Finanztransaktionen, was den Beginn von Präsident Donald Trumps „Maximaldruck”-Kampagne zum Sturz Maduros markierte.

Ab 2019 sah sich Maduro neuen Herausforderungen gegenüber, als der von den USA unterstützte Oppositionsführer Juan Guaidó sich selbst zum Präsidenten erklärte – ein Schritt, der in enger Abstimmung mit der US-Regierung erfolgte, die ihn umgehend anerkannte und Sanktionen gegen Venezuelas Ölsektor verhängte, um Maduro zum Rücktritt zu zwingen. Guaidó, Mitglied der rechtsgerichteten Oppositionspartei Voluntad Popular (Volkswille), die von seinem Mentor Leopoldo López gegründet wurde, genoss zunächst die Unterstützung von über 60 Prozent der Venezolaner.[5] Doch diese Unterstützung schwand, als Guaidó eine Reihe zunehmend verzweifelter Schritte unternahm – darunter ein gescheiterter Versuch, im April 2019 einen Militärputsch anzuzetteln, sowie die Unterstützung und teilweise Finanzierung einer im Mai 2020 durch US-Söldner durchgeführten, grotesk ineffektiven Invasion auf dem Seeweg. Während Guaidós „Interimsregierung” wurde Maduro mit weiteren lähmenden Sanktionen konfrontiert. Die Folge war eine massive Auswanderungswelle, die Anfang 2025 fast acht Millionen Menschen – rund ein Viertel der Bevölkerung – erfasst hatte.

Nach dem Scheitern Guaidós schlug die Opposition eine neue Strategie für die Präsidentschaftswahl im Juli 2024 ein. Joe Biden lockerte 2023 einige Sanktionen im Gegenzug für Maduros Zusage, der Opposition eine stärkere Beteiligung an den Wahlen zu ermöglichen. Die ultrarechte Politikerin María Corina Machado gewann im Oktober 2023 die Vorwahl der Opposition mit Leichtigkeit, wurde jedoch wegen ihrer Unterstützung der US-Sanktionen und Korruptionsvorwürfen von einer Kandidatur ausgeschlossen. Biden kritisierte dieses Verbot und reduzierte daraufhin im April 2024 die gewährte Sanktionslockerung. Machado unterstützte daraufhin Edmundo González, der zum gemeinsamen Oppositionskandidaten wurde.

Die Wahlen im Juli 2024 verliefen weitgehend friedlich, doch schon bald nach Schließung der Wahllokale traten Probleme auf. Mit angeblich über 80 Prozent der ausgezählten Stimmen erklärte der Nationale Wahlrat Maduro zum Sieger, obwohl die Zahl der ausstehenden Stimmen mit zwei Millionen weit über dem angeblichen Vorsprung Maduros von 800.000 Stimmen lag. Die Opposition sprach von Wahlbetrug und sammelte Beweise in Form von Papierstimmzetteln, die belegen sollten, dass González einen Erdrutschsieg errungen hatte. Die Regierung behauptete, ein Hackerangriff habe die Veröffentlichung detaillierter Ergebnisse auf Wahllokalebene verhindert, und ignorierte wiederholte Forderungen von Venezolanern, ausländischen Regierungen – darunter den früheren Maduro-Verbündeten Kolumbien und Brasilien – sowie zahllosen Graswurzelinitiativen und Menschenrechtsorganisationen die vollständigen Wahlergebnisse offenzulegen.

Die weit verbreitete Überzeugung, Maduro habe die Wahl gestohlen, führte zu fast 1.000 Protesten im ganzen Land, insbesondere in Armenvierteln (Barrios).[6] Die Regierung reagierte mit brutaler Repression und verhaftete rund 2.000 Demonstrierende – genaue Zahlen variieren je nach Quelle –, vor allem in den Barrios. Dies reiht sich ein in ein übergeordnetes Muster, bei dem die staatlichen Sicherheitskräfte gezielt gegen die Barrios Venezuelas vorgehen – insbesondere gegen dort lebende Männer mit dunkler Hautfarbe. Dies wurde als eine Form der sozialen Kontrolle interpretiert, die darauf abzielt, abweichende Meinungen in der Bevölkerung einzuschränken, da diese dem Image der Regierung bei den linken Anhängern im Ausland schaden und bedrohlich sind, da die Opposition gegen Chávez und Maduro bis vor Kurzem hauptsächlich aus der Mittel- und Oberschicht bestand.

In den Wochen vor Maduros Amtseinführung 2025 setzte eine neue Repressionswelle ein, unter anderem wurde Enrique Márquez verhaftet – ehemaliger Vizepräsident des Nationalen Wahlrats und Oppositionskandidat bei der Wahl vom 28. Juli 2024. Die Kommunistische Partei Venezuelas und zahlreiche linke Organisationen, darunter die Demokratische Volksfront, deren Mitglied Márquez ist, verurteilten seine Verhaftung.[7]

Angesichts der anhaltenden Verwendung linker und revolutionärer Rhetorik ist das Vorgehen der Regierung Maduro gegen venezolanische Linke bemerkenswert. Die Regierung intervenierte in die Kommunistische Partei Venezuelas und attackierte andere dissidente linke Gruppierungen, die lange Zeit den Chavismus unterstützt hatten und Teil der chavistischen Koalition waren – darunter die Tupamaros, die Wahlbewegung des Volkes (Movimiento Electoral del Pueblo) und die Partei Vaterland für Alle (Patria Para Todos). Nach der Wahl im Juli 2024 entstand mit der Demokratischen Volksfront ein neues Bündnis aus linken und gemäßigten Parteien. Dieses Bündnis schloss sich den Forderungen der Menschenrechtsorganisation Surgentes, der (nicht intervenierenden) Kommunistischen Partei Venezuelas, der Bürgerplattform zur Verteidigung der Verfassung und dem Nationalen Unabhängigen Autonomen Arbeiter-Koordinationskomitee an und prangerte die vom Maduro-Regime im Januar 2025 ausgelöste Repressionswelle an, die sich besonders gegen linke und dissidente arbeiternahe Organisationen richtete.[8] Gemeinsam mit der im Dezember 2024 gegründeten Organisation Comunes, die sich selbst als „neue politische Strömung der populären Linken” bezeichnet, deutet dies auf einen wachsenden linken Widerspruch gegen Maduros autoritären Kurs hin.[9]

Linke Analysten wie Steve Ellner haben manche von Maduros repressiven Maßnahmen (insbesondere gegen die politische Rechte) mit Vorbehalten unterstützt und sie als ein „Ablegen der Samthandschuhe” beschrieben.[10] Das dahinterstehende Argument, das auch in den Aussagen anderer Maduro-freundlicher Stimmen mitschwingt, lautet sinngemäß: Maduro sei das letzte Bollwerk gegen den US-Imperialismus in Lateinamerika und die beste Hoffnung für eine progressive Umverteilung innerhalb Venezuelas. Daher sei es zwar bedauerlich, dass Maduro repressiv vorgeht („die Samthandschuhe ausziehen”), doch sei dies mehr oder weniger gerechtfertigt. Eine genaue Analyse der Wirtschaftspolitik Maduros in den letzten Jahren legt jedoch nahe, dass diese Position empirisch nicht belegt ist.

Maduros räuberischer Kapitalismus

In seiner Antrittsrede 2025 sprach Maduro 90 Minuten lang zu seinen Gästen. Auffällig: Nur zwei lateinamerikanische Präsidenten – Daniel Ortega aus Nicaragua und Miguel Díaz-Canel aus Kuba – waren anwesend. Frühere Verbündete wie Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien) und Gustavo Petro (Kolumbien), die mittlerweile zu scharfen Kritikern geworden sind, blieben der Zeremonie fern. Sie hatten die mangelnde Transparenz der Wahl 2024 deutlich kritisiert, aber aus strategischen Gründen auf einen vollständigen Bruch mit Maduro verzichtet – anders als der linke chilenische Präsident Gabriel Boric, der Maduro offen als Diktator bezeichnete. Eine Analyse von Maduros Ansprache zeigt, wie sehr sich seine Regierung seit dem Amtsantritt verändert hat, als er noch leidenschaftlich von Sozialismus sprach und sich häufig auf Chávez bezog. Bei seiner jüngsten Rede erwähnte er nicht ein einziges Mal den Sozialismus. Über Chávez sprach Maduro nur wenige Male und erwähnte Simón Bolívar ebenso häufig oder sogar häufiger. Basisbewegungen erwähnte er einige wenige Male und stellte sich als „Arbeiterpräsident” dar. Aber eine der bemerkenswertesten und leidenschaftlichsten Zeilen der Rede war Maduros ausdrückliche Einladung an die Kapitalistenklasse, mit seiner Regierung zusammenzuarbeiten:

„Ich möchte eine sehr klare Botschaft an alle Geschäftsleute Venezuelas senden, an alle Unternehmerinnen und Unternehmer, an alle, die im Handel und in der Wirtschaft tätig sind: Wir haben den Plan, wir haben das Fundament gelegt, wir haben große Erfolge im Wachstum erzielt – und wir müssen uns zunehmend vereinigen, damit Venezuela seinen Weg der Erholung und des Aufbaus eines neuen Wirtschaftsmodells fortsetzt. Zählt auf mich, Unternehmerinnen und Unternehmer. Ich zähle auf euch.”[11]

Diese Worte wurden mit heftigem Applaus bedacht.

Maduros rhetorische Abkehr vom Sozialismus hin zum Privatunternehmertum ist kein Zufall, sondern spiegelt den Wandel seiner gesellschaftlichen Basis und seines wirtschaftspolitischen Projekts wider. Bei seinem Amtsantritt 2013 versprach Maduro, das Projekt des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts” von Chávez fortzusetzen. Dieses Projekt war zwar vage und widersprüchlich, im Kern aber eine Mischung aus sozialdemokratischer Politik und linkem Populismus, bei der soziale Ausgaben für arme Bevölkerungsschichten Priorität hatten. Die Privatwirtschaft wurde auch unter Chávez nie ausgeschlossen, aber seine Politik machte Venezuela bis zu seinem Tod zum gleichsten Land Lateinamerikas.

Maduro hatte nach seinem Amtsantritt mit mehreren Krisen zu kämpfen: 2014 stürzte der Ölpreis ab, und im selben Jahr forderte die Opposition seinen Sturz durch Proteste. Im Jahr 2013 verlangsamte sich das Wachstum deutlich, und von 2014 bis 2022 erlebte Venezuela eine tiefe Wirtschaftskrise, die mehr als drei Viertel der Wirtschaft zerstörte. Mindestens drei Faktoren haben entscheidend zu dieser Krise beigetragen: die anhaltende Abhängigkeit des Landes vom Erdöl, die Beibehaltung einer höchst fehlerhaften Währungspolitik, die 2003 von Chávez eingeführt und erst 2019 beendet wurde, und die US-Sanktionen, insbesondere unter Trump ab 2017.

Maduros Antwort auf die Krise war der Versuch, einen – wie Luis Bonilla-Molina es nennt – „interbourgeoisen Pakt” zu schließen, der die „alte” und die „neue” Bourgeoisie zusammenbringt.[12] Gemeint ist eine Allianz zwischen der „alten” und der „neuen” Bourgeoisie. Die alte Bourgeoisie bezieht sich auf Unternehmen, die während der Chávez-Jahre mit der Opposition verbündet waren, wobei der größte Unternehmerverband, Fedecamaras, eine führende Rolle beim Staatsstreich von 2002 spielte, der Chávez kurzzeitig aus dem Amt brachte. Diese alte Bourgeoisie wandte sich vehement gegen Chávez’ populistische Umverteilung und wollte die Uhr zurückdrehen auf die Ordnung vor Chávez. Die neue Bourgeoisie bezieht sich auf die staatlich orientierten Unternehmen (eine Mischung aus privaten und staatlichen Unternehmen), die sogenannte „bolivarische Bourgeoisie”, die von Chávez’ Politik profitiert hat. Viele dieser Unternehmen waren mit Importen und dem Militär verbunden und profitierten von dem bereits erwähnten dysfunktionalen Währungssystem, das es ermöglichte, schätzungsweise Hunderte von Milliarden US-Dollar aus den Staatskassen abzuzweigen. 2013 schätzten Regierungsvertreter, dass rund 40 Prozent der über das Währungssystem CADIVI vergebenen Mittel (etwa 15 Milliarden US-Dollar) an Scheinunternehmen gingen. Ehemalige Chávez-Funktionäre sprechen von über 300 Milliarden US-Dollar, die insgesamt über das System abflossen. Die vom Staat begünstigten Unternehmen profitierten auch von den massiven staatlichen Ausgaben für die Infrastruktur und den inländischen Verbrauch von Importgütern, die durch den Ölboom 2003 bis 2014 begünstigt wurden.[13]

Die Kombination aus dem Ende des Ölbooms und den US-Sanktionen unter Trump – die Venezuelas Zugang zu Finanzmitteln einschränkten und die Ölproduktion verwüsteten – drängte Maduro zu einem interbourgeoisen Pakt. Im August 2017 erließ Trump eine Anordnung, die es Venezuela verbot, auf den US-Finanzmärkten Kredite aufzunehmen. Obwohl dies Teil einer umfassenden Regime-Change-Strategie war, lautete die offizielle Position, dass Venezuela damit unter Druck gesetzt werden sollte, die Menschenrechte besser zu respektieren.[14] Im Januar 2019 verhängte Trump direkte Sanktionen gegen die venezolanische Ölindustrie, um Maduro aus dem Amt zu drängen.

Maduros Bemühungen um einen interbourgeoisen Pakt schienen bis zu den Präsidentschaftswahlen am 28. Juli 2024 erfolgreich zu sein. Dies zeigt sich daran, dass Fedecámaras seit der gestohlenen Wahl 2024 Edmundo González nicht mehr unterstützt hat – ein bemerkenswerter Unterschied zu ihrer Unterstützung eines verfassungswidrigen Staatsstreichs gegen den demokratisch gewählten Chávez im Jahr 2002.[15] Um die Krise des Landes zu bewältigen, setzte Maduro ab 2018 einen orthodoxen Anpassungsplan um. Dieser Plan führte zu massiven Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und zur Dezimierung der Löhne und Gehälter sowie in den letzten Jahren zur Privatisierung zahlreicher staatlicher Unternehmen.

Dies ging Hand in Hand mit einer Schwächung des Arbeitsschutzes. Während der Chávez- und frühen Maduro-Jahre existierten drei Gewerkschaftsdachverbände: die Konföderation der Arbeiter Venezuelas (Confederación de Trabajadores de Venezuela, CTV), die Teil der Opposition ist und den Staatsstreich von 2002 unterstützte; die Nationale Arbeiterunion (Unión Nacional de los Trabajadores, UNT), die 2003 gegründet wurde, um die Regierung zu unterstützen, und die in eine eher autonomistische und eine eher regierungsfreundliche Fraktion gespalten war; und die ausdrücklich regierungsfreundliche Bolivarische Arbeiterzentrale (Central Bolivariana Socialista de los Trabajadores, CBST), die 2011 gegründet wurde und die Regierungspolitik konsequent unterstützt hat.[16] Alle drei büßten im Laufe der Jahre erheblich an Mobilisierungskraft ein. Es hat verschiedene Versuche gegeben, die Gewerkschaften autonomer zu organisieren, aber keiner hat die Polarisierung und den parteigebundenen Charakter der Gewerkschaften, die Venezuela seit Jahrzehnten kennzeichnen, überwunden. Autonomere Gewerkschaften haben gegen Maduros neoliberalen Kurs protestiert und wurden daraufhin massiv repressiv verfolgt. Laut der venezolanischen NGO Provea wurden seit Maduros Amtsantritt im Jahr 2013 insgesamt 120 Gewerkschaftsführerinnen und -führer verhaftet und 3.400 weitere bedroht.[17]

Maduros Unterdrückung der Arbeiterschaft hat sein Bündnis mit dem Kapital begünstigt. Auf Anordnung aus dem Jahr 2018 hat die Regierung Streiks, das Aufstellen von Forderungen, das Recht der Arbeiterklasse, sich zu mobilisieren, sowie die Organisation und Legalisierung neuer Gewerkschaften verboten, während Gewerkschaftsführer, die interne Praktiken in Unternehmen in Frage stellen oder einfach nur eine Lohnerhöhung und eine Krankenversicherung fordern, verfolgt und ins Gefängnis gesteckt werden.[18]

In einer Erklärung im Dezember 2024 schrieb die Organisation Comunes:

„Der Autoritarismus der Regierung geht einher mit ihrer Entscheidung, Venezuela den Interessen des nationalen und internationalen Kapitals auszuliefern. Sie hat nicht mehr die Unterstützung des Volkes – aber sie hat die von Fedecámaras, Chevron, der alten und neuen Bourgeoisie und zahlreichen dubiosen Kapitalisten, die auf schnelle Gewinne aus sind. Die Regierung muss die Demokratie abschaffen und Protest und Widerstand zum Schweigen bringen, um ihr grausames neoliberales Paket durchzusetzen. Die sozialen Errungenschaften der Chávez-Ära sind in diesem Prozess verschwunden.”[19]

In seiner Rede im Januar 2025 kündigte Maduro eine neue Verfassungsreform an. Kritiker sehen darin den Versuch, Arbeitsrechte weiter zu schwächen und das Bündnis der Regierung mit dem Privatsektor zu festigen. Sind solche Schritte angesichts der verzweifelten Lage, in der sich Venezuela im letzten Jahrzehnt befand, gerechtfertigt? Könnten wir Maduros Strategie als eine Form des revolutionären Rückzugs betrachten, wie Steve Ellner vorgeschlagen hat, der ihn darauf vorbereitet, wieder vorzustoßen, wenn die Bedingungen günstiger sind?

Mindestens zwei Gründe sprechen gegen diese Interpretation. Erstens: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Maduros Annäherung an die Unternehmerklasse den Armen oder der Arbeiterklasse geholfen hätte. Weit verbreitete Proteste in armen Vierteln nach der Wahl im Juli 2024 deuten darauf hin, dass Maduro die Unterstützung der Bevölkerung aus den unteren sozialen Schichten weitgehend verloren hat (auch wenn sich dies mangels offizieller Wahlergebnisse nur schwer exakt belegen lässt). Comunes und andere basisnahe Organisationen betrachten Maduro und die rechte Opposition als „zwei Seiten derselben Medaille”. Sie argumentieren, dass Maduros Politik derjenigen der rechten Opposition in vieler Hinsicht gleicht – beide zielen darauf ab, die Profite des Kapitals zu sichern, ohne jedoch die Krise zu lösen, unter der die Mehrheit der venezolanischen Bevölkerung leidet.[20]

Zweitens herrscht weit verbreitet der Eindruck, dass korrupte Staatsfunktionäre und Wirtschaftsakteure sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, ohne damit der venezolanischen Bevölkerung zu helfen oder das Land weiterzuentwickeln. Zwar hat sich die Wirtschaft in gewissem Maße erholt, doch dieser Aufschwung kommt den ärmeren Bevölkerungsschichten kaum zugute – stattdessen profitieren vor allem gut vernetzte Eliten. Maduro nutzt die vermeintliche Bedrohung durch Faschismus und rechte Gegenbewegungen (die in Venezuela seit Langem ein Thema sind) als Rechtfertigung für drakonische Maßnahmen und umfassende Repressionen gegen Arbeiter und die Linke. Diese Repression sowie die wachsende Unterstützung durch das Unternehmertum sind – neben der Rückendeckung aus Russland und China – zentrale Säulen von Maduros Machterhalt.

Maduro ist es ganz offensichtlich nicht gelungen, Venezuela in eine sozialistische Gesellschaft zu transformieren. Dafür trägt er allerdings kaum persönliche Verantwortung – unter den widrigen Umständen, denen er während eines Großteils seiner Amtszeit ausgesetzt war, wäre ein solcher Wandel kaum möglich gewesen. Doch auch ein entwicklungsorientiertes Regierungsprojekt hat er nicht verfolgt. Stattdessen hat er eine Umwandlung Venezuelas in einen Beutestaat vorangetrieben, in dem sich Staatsfunktionäre und korrupte Unternehmer auf Kosten der Mehrheit bereichern.[21] Venezuelas tiefgreifende Wirtschaftskrise scheint mittlerweile überwunden – begünstigt durch Maduros Bündnisse mit dem Unternehmertum und die Lockerung der US-Sanktionen durch Präsident Biden. Gleichzeitig bedeutet Maduros zunehmend autoritärer Kurs, dass der Arbeiterklasse kaum noch Mittel zur Verfügung stehen, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. In Kombination mit den US-Sanktionen hat Maduro damit den Kern des Chavismus zerstört: ein fehlerhaftes, aber im Wesentlichen demokratisches Projekt von Umverteilung und kollektiver Ermächtigung von unten.

Zum Zeitpunkt des Schreibens zeichnet sich ab, dass US-Präsident Donald Trump erneut drastische Sanktionen gegen Venezuela und den Ölsektor verhängen wird – möglicherweise noch härter als in seiner ersten Amtszeit. Dies würde den ohnehin prekären Lebensstandard weiter verschlechtern, die Migration – auch Richtung USA – verstärken und die ohnehin dramatische Lage für Arbeiterinnen und Arbeiter und soziale Bewegungen im Land weiter zuspitzen. Es wird wahrscheinlich auch zu einer Verschärfung des repressiven Charakters der Maduro-Regierung führen, die jede echte demokratische Rechenschaftspflicht in ihren repräsentativen und partizipativen Formen aufgegeben und ein räuberisches Regime gefestigt hat, von dem eine kleine Elite auf Kosten der großen Mehrheit profitiert.

Zum Autor: Gabriel Hetland ist Associate Professor für Lateinamerikastudien und Soziologie an der SUNY Albany. Er ist Autor des preisgekrönten Buchs „Democracy on the Ground: Local Politics in Latin America’s Left Turn” (Demokratie vor Ort: Lokalpolitik im Linksruck Lateinamerikas), (Columbia University Press, 2023). Dieser Text ist zuerst erschienen am 19. April 2025 im New Labor Forum. 

Übersetzung: Jan Kühn, Amerika21.

Titelbild: Verantwortlich für Repression und Bereicherung? Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bei einem Treffen mir ranghohen Militärs am 19. Mai in Caracas. Quelle: PRENSA PRESIDENCIAL



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Von Veritatis

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