Vor dreizehn Jahren erschien der Technik-Thriller „Blackout“. Marc Elsberg hatte ihn verfasst und bevor das Werk das Licht der Welt erblickte über mehrere Jahre hinweg sich intensiv mit den europäischen Stromnetzen beschäftigt. Das Buch beschreibt, was passiert bzw. passieren kann, wenn der elektrische Strom nicht nur für ein bis zwei Stunden, sondern für einen längeren Zeitraum nicht mehr zur Verfügung steht.
Der Thriller berichtet deshalb davon wie die Versorgung der Bevölkerung und die Infrastruktur eines ganzen Landes zusammenbrechen. Schnell breiten sich Anarchie und Plünderungen aus und insbesondere die Städte versinken in Chaos und Gewalt. Marc Elsbergs Erzählung ist zwar fiktiv, aber sie wurde von der Zeitschrift Bild der Wissenschaft als ein sehr „realitätsnahes“ Szenario gewertet.
Was für den Körper das Blut, ist für unsere modernen Gesellschaften der Strom, erklärt der Autor. „Beides muss fließen, sonst bricht das ganze System zusammen.“ Die in Deutschland verlegten Stromleitungen sind rund zwei Millionen Kilometer lang. Hintereinander gelegt könnte man sie fast 45 mal um die Erde wickeln. In diesem weit verzweigten Netz muss die sogenannte Grundlast, also die Strommenge, die zu jeder Tages- und Nachtzeit immer benötigt wird, stets gewährleistet sein.
Das System der Systeme verträgt keine gravierenden Schwierigkeiten
„Das Stromnetz ist das System der Systeme: Jeder Einzelne von uns hängt 24 Stunden am Tag von ihm ab“, schreibt Marc Elsberg. „Ohne Strom stürzt eine Gesellschaft zurück ins Mittelalter.“ Im ersten Moment könnte man geneigt sein, dem Thrillerautor an dieser Stelle einen gewissen Hang zur Übertreibung und Dramaturgie zu unterstellen.
Doch damit wird man ihm und seiner Mahnung nicht gerecht, denn im Jahr 2005 hat der Hurrikan Katrina in den Südstaaten der USA gezeigt, wie leicht eine moderne Gesellschaft an den Rand eines Bürgerkriegs geraten kann. Als Folge des Sturms wurden zehntausende Menschen quasi über Nacht obdachlos. Bewaffnete Banden raubten im Schutz der Dunkelheit Geschäfte und Supermärkte aus und in den Krankenhäusern ging nach einiger Zeit der Treibstoff für die Notstromaggregate zur Neige.
Die Lage geriet so sehr außer Kontrolle, dass Polizei und die ihr zur Hilfe geeilte Nationalgarde nach drei Tagen die Erlaubnis erhielten, Plünderer zu erschießen. „Während Katrina waren wir nicht in der wahren Welt, wir lebten in einem Holocaust“, erklärte später der damalige Polizeileutnant in New Orleans, David Benelli. „Hochgradig verletzbar“ seien Menschen und Gesellschaft gewesen.
Auch Deutschland wäre bei einem längerfristigen Stromausfall sehr verletzbar
Niemand soll sich einbilden, dass solche apokalyptischen Zustände nur im vor Waffen starrenden Amerika möglich wären. Fehlt hierzulande der Strom, geht nicht nur in den Wohnungen und auf den Straßen das Licht aus. „Nach 24 Stunden gäbe es kein Geld, keine Nahrung und keinen Verkehr mehr. Auch die Wasserversorgung und sämtliche Kommunikationsmittel würden innerhalb kürzester Zeit zusammenbrechen“, warnt Christoph Revermann. Er muss es wissen, denn er fungiert als stellvertretender Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag.
Seine Dienststelle hat erstmals im Jahr 2011 die Folgen eines umfassenden Netzausfalls in mehreren Bundesländern untersucht und kam dabei zum Schluss: „Die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern erfolgt über ein eng verflochtenes Netzwerk an kritischen Infrastrukturen, die hochgradig verletzbar sind. Die Folgen eines Blackouts sind nicht beherrschbar, selbst unter Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen.“
Nicht nur extrem herausfordernd und nervenaufreibend wäre ein solches Ereignis. Sehr teuer wäre es auch. Pro Stunde würde ein flächendeckender, lange anhaltender Stromausfall das Land und seine Bewohner 430 Millionen Euro kosten, haben die Experten errechnet.
Besonders beängstigend ist jedoch der folgende Gedanke: Um diese extrem hohen Kosten zu verursachen, muss nicht einmal die Natur verrückt spielen. Es reicht ein ganz normaler kalter und windarmer Wintertag und die deutsche Energiewende.