US-Raketen gegen Ziele tief in Russland, Gedankenspiele über Bodentruppen aus Westeuropa in der Ukraine: Wie verhalten sich Donald Trump und Olaf Scholz gegenüber dieser rapiden Eskalationsdynamik?
Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten und Nachfolger Joe Bidens: Wie wird er es in der Ukraine-Politik halten?
Foto: Saul Loeb/AFP/Getty Images
Heute sind Linke in der fatalen Situation, auf Donald Trump hoffen zu müssen, der im Januar wieder US-Präsident wird. Denn nachdem die Partei der Demokraten die US-Wahlen verloren hat, hat der ihr angehörige Noch-Präsident Joe Biden einen letzten, brandgefährlichen Akzent gesetzt: Der Ukraine wurde die Erlaubnis erteilt, US-Raketen vom Typ ATACMS gegen Ziele tief in Russland einzusetzen. Das ukrainische Militär machte sogleich Gebrauch von der Blaupause.
Den USA folgte Großbritannien, dessen neue Labour-Regierung den Einsatz britischer Marschflugkörper freigab, vom französischen Präsidenten war eine solche Freigabe schon im Mai signalisiert worden. Die Ukraine indessen hatte aus gutem Grund das Machtwort aus Washington abgewartet. Die russis
23;britannien, dessen neue Labour-Regierung den Einsatz britischer Marschflugkörper freigab, vom französischen Präsidenten war eine solche Freigabe schon im Mai signalisiert worden. Die Ukraine indessen hatte aus gutem Grund das Machtwort aus Washington abgewartet. Die russische Reaktion ließ nicht auf sich warten: Eine Mittelstreckenrakete, die Oreschnik genannt wird – sie kann auch atomar bestückt werden –, wurde erstmals eingesetzt, weitere Einsätze und eine Serienproduktion der Waffe sind angekündigt.Der Taurus-Druck auf Olaf ScholzKeineswegs geht damit die Eskalation den kriegstauglichen Kräften des Westens schon weit genug. Die Forderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), er müsse endlich die deutschen Taurus-Marschflugkörper der Ukraine übergeben, wird wieder lauter. Dabei sind der Biden-Administration die Risiken durchaus nicht unbewusst. Die US-Botschaft in Kiew blieb geschlossen, weil man damit rechnete, dass „Oreschnik“ auf sie niedergehen könnte.Würde das geschehen, wäre der offene Krieg zwischen Russland und der NATO wieder ein Stück näher gerückt, denn es wäre der Versuch, das Leben von US-Diplomaten auszulöschen, die nach internationalem Gewohnheitsrecht einen Schutzstatus genießen. Das wird für möglich gehalten, hält aber von der Eskalation nicht ab. Diese müsste dann noch gesteigert werden, die USA könnten ja einen solchen Angriff nicht auf sich sitzen lassen! Ohnehin legen NATO-Waffen, die tief in Russland einschlagen, die Deutung nahe genug, dass die NATO selber den Krieg führt.Russische wie US-Raketen: Mit Atombomben bestückbarWelche Schlussfolgerung müssen wir ziehen? Die, dass alle letzthin geäußerten Vermutungen, es würden wohl bereits hinter den Kulissen Gespräche mit Russland geführt, die ausloten sollen, wie der Krieg beendet werden kann, falsch waren. In den letzten Amtsmonaten Joe Bidens, der selbst wahrscheinlich nicht mehr viel zur Amtsführung beiträgt, sieht die von ihm gedeckte Gruppe seiner „Berater“ eine Chance, die Auseinandersetzung mit Russland auf die Spitze zu treiben. In diesen Kontext gehört auch die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, die ebenso wie „Oreschnik“ mit Atombomben bestückt werden können.Hier kommt nun Donald Trump ins Spiel. So sehr auch die Gruppe um Biden zündelt, die russische Führung wird sich nicht zu unbesonnenen Schritten provozieren lassen, vielmehr Trumps Amtsantritt abwarten. Und der hat angekündigt, er werde den Krieg schnellstmöglich beenden. Vielleicht tut er es wirklich. Er ist nicht weniger gefährlich als die Gruppe um Biden, und doch wird er Europa, dem Kontinent, in dem wir nun mal leben, vielleicht eine Atempause verschaffen.Boris Pistorius und die Debatte über BodentruppenAber Trump ist der Letzte, mit dem man verbündet sein möchte. Denn auch eine friedliche Lösung des ukrainisch-russischen Konflikts, beziehungsweise des hinter ihm stehenden NATO-Russland-Konflikts, würde ja nichts daran ändern, dass Trump die Versuche der Biden-Administration, sich der ökologischen Katastrophe zu widersetzen, im nationalen wie internationalen Kontext rückgängig machen will. Diese Katastrophe ist nicht geringer als die der Kriege und trifft, wenn sie ungehemmt eintritt, Europa so hart wie die ganze Welt. Wiederum ist das Dilemma, in das ein Donald Trump die Linken führt, nicht größer als das umgekehrte Dilemma, das uns eine Partei wie die Grünen bereitet. Denn wie die USA unter Trump, auf Europa bezogen, im besten Fall Frieden mit Antiökologie konfundieren werden, so die Grünen weiterhin Ökologie mit Kriegstauglichkeit. Linke können da nichts Besseres tun, als aus allen Angeboten, die sämtlich schlecht sind, die nützlichen Elemente herauszuziehen und bei deren Nutzung nicht zu vergessen, dass Gegner sie anbieten.Linke müssen vor allem selbst handeln, aber sie sind noch sehr schwach. Wenn das die Konstellation ist, kommt der SPD und Olaf Scholz, dem Kanzler und Kanzlerkandidaten, eine besondere Bedeutung zu. Scholz, der die Lieferung der Taurus-Waffe weiter verweigert – und damit zum ersten Mal die Umsetzung einer Vorgabe aus Washington –, erscheint unter den Kräften, die um die Macht mitspielen, als das kleinste Übel. Die Mainstream-Presse macht ihn gerade herunter, weil er sich gegen Boris Pistorius, den kriegstauglichen Verteidigungsminister, erst durchsetzen musste. In Wahrheit hat ihm diese Auseinandersetzung genützt, denn sie stellt klar, dass ihm der Pistorius-Kurs nicht einfach zugerechnet werden kann. Zuletzt empfing Pistorius Amtskollegen der EU in Berlin, wo man etwa über die Entsendung britischer und französischer Bodentruppen in die Ukraine nachdachte. Scholz hat immer noch die Chance, die SPD in einen Wahlkampf für den Frieden zu führen. Unserem Land täte das gut.