Die 13. Berlin Biennale eröffnet an gleich vier Orten. Um Humor und Widerstand soll es gehen, was nicht immer überzeugt. „The Stairway“ von Margherita Moscardini aber lässt unsere Kolumnistin nicht mehr los
Panties for Peace: „Panty Power Attack [Höschen-Power-Attacke]“, 2007
Foto: Marvin Systermans; Courtesy Panties for Peace; Bild
Doch, doch, die Idee der Kuratorinnen der 13. Berlin Biennale klingt ja wirklich sehr gut. Kunst zeigen, die in Unterdrückungssystemen entstanden ist, Militärregierungen, Justizwillkür, politische Verfolgung, und dabei auch vorführen, welch widerständige Kraft in der Kunst steckt, und wie Humor, ein leichter Gedanke, helfen kann, zu überleben. Das Flüchtige weitergeben, so der Titel der Ausstellung von Zasha Colah und Team. Über 60 Künstlerinnen und Künstler aus etwa 40 Ländern sind dabei; Argentinien, Indien, Myanmar. An drei Standorten in der Stadt, zum Beispiel einem ehemaligen Gericht in der Lehrter Straße, bei dem der alte Stacheldraht über der Mauer gleich zum Teil einer Skulptur wird, für die LEDs das Wort „Comunista“ bilden.
Aber das mit dem Humor und dem Widerstand vermittelt sich nicht in allen Werken. Also ist es wie schon auf vergangenen Biennalen, von Venedig bis Sharjah: Man sieht Arbeiten, mit denen Geschichten von Leid, Tod und Vergewaltigung erzählt werden, während das Leid auf der Welt immer größer wird, was ja irgendwie zeigt, dass die Kunst gar nicht so viel politische Kraft haben kann, wie auf solchen Ausstellungen suggeriert wird und das frustriert.
Stepptanz gegen das System und Unterhosen des Kollektivs „Panties for Peace“
Aber nein, nein, nein, jetzt nicht wieder anfangen zu rauchen! Jetzt nicht die Hoffnung verlieren, um die soll es doch auch gehen: Blumen, die sich durch das Pflaster bohren, auf denen Soldatenstiefel stehen, den Mars befreien vor dem Green Screen, ein Stepptanz gegen das System oder mit Aufklebern von Unterhosen des Kollektivs „Panties for Peace“ gegen die Militärdiktatur in Myanmar, weil es dort einen Aberglauben gibt, wonach die Berührung von weiblich getragener Wäsche die männliche Kraft schwäche.
Soeben also eröffnete die 13. Berlin Biennale und es gibt eine Arbeit, die wirklich ganz großartig ist. The Stairway von Margherita Moscardini ist in den KW Institute for Contemporary Art zu sehen. Allein schon wie gut sie platziert worden ist. Sie führt hinab in das untere Geschoss, eine Treppe, mit zu kurzen Stufen, wenn man sie betritt, dann merkt man gleich, jetzt wird’s wackelig, hier kann sich niemand sicher sein.
Gemacht wurde die Treppe, die sich dann an der Seite zu einer Wand formt aus 572 Steinen, durchnummeriert und inklusive Echtheitszertifikat. Moscardini hat diese Steine an staatenlose, staatenübergreifende oder extraterritoriale Städte, Universitäten und Organisationen verschenkt, so dass diese Steine niemandem gehören, außer sich selbst und zueinander.
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Margherita Moscardini, übrigens aus Italien, bezieht sich in ihrer Arbeit, die eigens für die Berlin Biennale produziert wurde, auf den sogenannten Status Quo, der regelt wer wann die heiligen Stätten in Jerusalem nutzen darf und der Inhalt des sogenannten Berliner Vertrags von 1878 war, der nach dem Russisch-Türkischen Krieg geschlossen wurde und die territoriale Neuordnung regelte.
Moscardini verlängert so den Zeitstrahl der Geschichte und damit die Involviertheit der Deutschen in politischen Angelegenheiten. Und sie baut in diesen Berliner Raum einen Raum, der frei ist von Staatsräson, weil er frei ist von Staaten, oder? „Eine legislative Leerstelle im nationalen Gefüge“ so steht es im Ausstellungsbegleiter. Zumindest entlässt Moscardini niemanden, der diese Stufen betritt, der das Wackeln spürt, aus seiner Involviertheit. Damit schafft sie eine Arbeit die deutlich macht, dass es unsichere Schritte sind, die wir gerade gehen müssen, um zum Denken zu gelangen. Oder überhaupt zur Kunst.
13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst KW Institute for Contemporary Art und andere Orte, bis 14. September