Ein Teil der israelischen Militärschläge erfolgte aus dem Inneren des Iran: Präzisionswaffen, Drohnen, Raketen – wie beim ukrainischen Angriff auf Russland. Doch lässt sich der Iran auf diese Weise militärisch abrüsten?


Der sichtbare Teil von Israels Angriffen auf den Iran: 200 Kampfflugzeuge griffen Nuklearanlagen im Iran an. Neu ist jedoch der Einsatz von Drohnen aus dem Inneren des Landes

Foto: Imago / Newscom


Am ersten Tag des israelischen Angriffs gegen Iran noch mutmaßten viele über die Rolle der USA – jetzt ist klar: Die US-Regierung war vorab informiert und hat offenbar auch grünes Licht gegeben. Donald Trump, der noch vor Tagen Premier Benjamin Netanjahu vor einem solchen Schritt gewarnt hatte und den Eindruck vermittelte, in der unmittelbar bevorstehenden Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm in Oman vor einem Durchbruch zu stehen, findet die israelische Militäraktion jetzt „ganz ausgezeichnet“. Nachdrücklich warnt er Teheran vor Vergeltungsschlägen, die „härter werden“ als alles bisher Erlebte.

Ob Washington und Tel Aviv bei dieser Aktion über Bande gespielt haben, um die iranische Führung in Sich

israelischen Angriffs gegen Iran noch mutmaßten viele über die Rolle der USA – jetzt ist klar: Die US-Regierung war vorab informiert und hat offenbar auch grünes Licht gegeben. Donald Trump, der noch vor Tagen Premier Benjamin Netanjahu vor einem solchen Schritt gewarnt hatte und den Eindruck vermittelte, in der unmittelbar bevorstehenden Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm in Oman vor einem Durchbruch zu stehen, findet die israelische Militäraktion jetzt „ganz ausgezeichnet“. Nachdrücklich warnt er Teheran vor Vergeltungsschlägen, die „härter werdenXX-replace-me-XXX8220; als alles bisher Erlebte. Ob Washington und Tel Aviv bei dieser Aktion über Bande gespielt haben, um die iranische Führung in Sicherheit zu wiegen, wird irgendwann festgestellt werden. Die Ereignisse und Kommentare führender Politik beider Länder legen das nahe. Möglicherweise war die Rede des iranischen Revolutionsführers, Ali Chamenei, von Anfang Juni der besagte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Darin hatte er darauf bestanden, dass Iran das souveräne Recht habe, ein (ziviles) Atomprogramm zu betreiben und dafür auch Uran anzureichern. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hatte Tage zuvor gewarnt, dass Teheran mit dieser Anreicherung längst im militärischen relevanten Bereich sei und sich aussagefähiger Kontrollen entziehe. Neue Militärführung: Israelische Militärschläge aus dem Inneren des IranDass es in der Entwicklung von Atomwaffen einen „point of no return“ gibt, ist unbestritten. Ob Iran tatsächlich kurz davor stand, diesen Punkt zu überschreiten und in absehbarer Zeit über Kernwaffen zu verfügen, bleibt hingegen unklar. Für Israel war die militärische Zwangsabrüstung des iranischen Nuklearprogramms immer eine Option, auch werden Atomanlagen nicht zum ersten Mal angegriffen. Neu ist, dass Israel die jüngsten Militärschläge, auch die gegen iranische Militärkommandeure, mit Hilfe des Mossad aus dem Inneren Irans geführt hat. Die (mit erkennbarem Stolz vorgetragene) Rede ist von Präzisionswaffen, Sprengstoffdrohnen und auf LKW verladenen Raketen, die gegen Luftverteidigungssysteme und andere Basen der militärischen Infrastruktur Irans heimlich in Stellung gebracht wurden. Diese Waffen wurden ganz offensichtlich in Einzelteilen ins Land geschmuggelt, dort zusammengebaut und vor Ort positioniert. Das erinnert an die jüngste, ebenfalls über viele Monate vorbereitete Aktion des ukrainischen Geheimdienstes gegen strategische Bomber der russischen Nuklearstreitkräfte, die in sibirischen Hangars attackiert und beschädigt wurden. Dieses Vorgehen verrät eine neue Art taktischer und strategischer Kriegsführung, mit der zielgenaue Operationen in weit entfernten Gebieten möglich werden, ohne diese über langen Distanzen hinweg angreifen zu müssen. Die Israelis haben gezeigt, dass sich die „ukrainische Methode“ mit konventionellen Luftschlägen kombinieren lässt, um diese möglich verlustarm auszuführen, weil Verteidigungssysteme und Führungskräfte in Partisanenmanier von innen her zuvor ausgeschaltet werden. Der Mossad hat aus dem Pool der sowjetischen Einwanderer nach 1990 Personal mit ukrainischen Wurzeln rekrutiertObwohl sich Israel im Ukraine-Krieg neutral verhält, ist es ein offenes Geheimnis, dass die Auslands-Geheimdienste beider Länder durchaus eng kooperieren. Der Mossad hat aus dem Pool der sowjetischen Einwanderer nach 1990 auch Personal und Agenten mit ukrainischen Wurzeln rekrutiert. Vor allem aber eint beide Dienste die Beobachtung der russisch-iranischen Achse. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen gegen beide Länder, die Moskau und Teheran wirtschaftlich und militärtechnisch enger zusammengeführt haben. So ist Russland ein wichtiger Partner für das zivile Atomprogramm des Iran. Moskau liefert – im Rahmen des von Trump 2018 gekündigten Atomabkommens – nukleare Brennstoffe für das einzige, in Bushehr am Persischen Golf gelegene AKW des Landes, das Mitte der 1970er Jahre von der deutschen Kraftwerk Union erbaut wurde, einem Konsortium von Siemens und AEG. Im iranisch-irakischen Krieg (1980-88) schwer zerstört, wurde Bushehr ab 1995 mit russischer Hilfe wieder aufgebaut und ging 2011 ans Netz. Zwei weitere Reaktoren sind im Bau und fünf sollen in der Planung sein.Dass die Islamische Republik für ihr Recht auf zivile Atomnutzung bis an die Grenze eines Krieges gehen würde, war zu erwarten. Erst recht, wenn man unterstellt, dass Teheran sich dabei die militärische Option immer offenhalten würde. Die Geschichte lehrt: Atomwaffen sind das „nukleare Ass“ im ÄrmelDafür sind die Lektionen aus der jüngeren Geschichte zu eindeutig. Hätte die Ukraine ihre Atomwaffen in den 1990er Jahren nicht an Russland abgegeben und sich auf – am Ende wertlose – russische, amerikanische und britische Sicherheitsgarantien verlassen, wäre eine russische Invasion in der Ukraine kaum vorstellbar. Und ob der libysche Diktator Mummar al-Gaddafi 2011 gestürzt worden wäre, wenn er sein Atomprogramm 2003 nicht freiwillig aufgegeben hätte, ist ebenso fraglich wie ein Überleben der Kim-Dynastie in Nordkorea ohne ihr nukleares Arsenal. Es gibt daher – vor allem für diktatorische Systeme – viele Gründe, sich ein nukleares Ass im Ärmel zu sichern. Ob Teheran in den jüngsten Atomgesprächen sein Blatt überreizt hat, wird die militärische Konfrontation der kommenden Tage und vielleicht Wochen zeigen. Der Nachfolger des am Freitag getöteten Chefs der iranischen Revolutionsgarden hat angekündigt, dass sich für Israel das „Tor zur Hölle“ öffnen würde. Die alles entscheidende Frage ist, ob Teheran tatsächlich militärische Kapazitäten und Option hat, um auf die israelischen Angriffe mit relevanten Gegenangriffen zu reagieren, ist derzeit schwer einzuschätzen. Lässt sich Iran militärisch abrüsten? Was wir über die Schläge gegen die Atomanlagen wissenIran ist kein Paria-Staat, sondern trotz jahrzehntelanger Sanktionen eine politisch und militärisch relevante Regionalmacht. Die allerdings in den vergangenen Monaten und Jahren erhebliche Rückschläge einstecken musste, weil verbündete Milizen wie Hamas in Gaza oder Hisbollah im Libanon von Israel erheblich geschwächt wurden und auch Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes die pro-iranische „Achse des Widerstands“ verließ. Die iranischen Mullahs stehen ohne ihre „Proxys“ seither in der Region ziemlich allein da. Das mag die Netanyahu-Regierung ermutigt haben, den immer wieder angekündigten Schlag gegen Teherans Atompläne, die für Israel ein strategischer Alptraum sind, jetzt zu führen. Die Frage ist nur, ob sich das Regime in Iran mit militärischen Mitteln nuklear abrüsten lässt. Die Atomanlagen in Natans bei Isfahan sind ganz augenscheinlich getroffen und beschädigt worden, dass inzwischen atomare Strahlung gemessen wird. Das ist beunruhigend genug. Es gibt darüber hinaus aber Nuklearanlagen nahe der heiligen Stadt Qom, die so tief in Bergmassive hinein gebaut sind, dass sie mit konventionellen Mitteln nicht oder kaum zerstört werden können. Jedenfalls nicht aus der Luft und nicht von Israel allein, das heißt: nicht ohne amerikanische Hilfe. Auch deshalb stellt sich die Frage, worauf Israels Militärschläge tatsächlich zielen. Auf die nachhaltige nukleare Abrüstung Irans? Das scheint nach allem, was die Geschichte des iranischen Atomprogramms lehrt, wenig aussichtsreich und wahrscheinlich zu sein. Oder zieht Israel mit den Angriffen eine Art Notbremse, um Zeit zu gewinnen? Und wenn: Zeit wofür? Glaubt man in Tel Aviv, auf diese Weise in Iran ein Regime-Wechsel herbeiführen zu können? Will Israel den Wandel im Iran? Kommt Trump einem arabisch-israelischer „Deal“ näher, der die Palästina-Frage ins Abseits verschiebt?Das wäre abenteuerlich, denn: Selbst wenn die Macht in Teheran auf der Straße läge: Wer sollte und könnte sie aufheben? Und sie dann gegen eine Turban-Restauration erfolgreich verteidigen? Oder setzt man auf die seit Jahren immer wieder kolportierte Option eines Militärputsches im Iran, der die vom Revolutionspaten, Ayatollah Khomeini, begründete Herrschaft schiitischer Rechtsgelehrter (velayat-e faghi) in ihrer Doppelstruktur zwischen religiösen und republikanischen Institutionen beendet und durch eine ordinäre islamistische Diktatur schiitischer Prägung ersetzt? Was wäre damit für Israels Sicherheit gewonnen? Viel wahrscheinlicher ist deshalb, dass Netanyahu darauf baut, in Iran einen nuklearen Abrüstungserfolg zu erzielen, der für den Augenblick mehr Sicherheit verspricht und sich ungeachtet seiner strategischen Halbwertzeit in tagespolitisches Kapital ummünzen lässt. Ein derart absehbar geschwächter Iran könnte mit seinem regionalen Gewichtsverlust den Weg für eine Verständigung zwischen Israel und Saudi-Arabien frei machen. Riad würde seinen de facto unterschriftsreifen Abraham-Vertrag mit Tel Aviv abschließen, ohne Störfeuer aus Teheran befürchten zu müssen. Damit käme auch die Trump-Administration ihrem strategischen Ziel näher: Ein arabisch-israelischer „Deal“, der die Palästina-Frage ins historische Abseits verschiebt. Das ist oft versucht worden. Ohne je erfolgreich zu sein. Aber Israel nimmt gerade einen neuen Anlauf: Gaza ist ein Schutthaufen, der besetzt und zudem entvölkert werden soll. Und in der zersiedelten Westbank ist schon lange kein palästinensischer Staat mehr zu machen. Damit aber bleibt die alte, neue Frage: Was wird aus den Palästinensern in oder ohne Palästina? Gleichberechtigte Einwohner eines binationalen Staates? Bürger zweiter Klasse? Oder wie gehabt: Subjekte eines Besatzungsregimes?



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert