Als armutsbetroffene Person erlebe ich oft, dass nicht armutsbetroffene Menschen ihre eigenen Privilegien auf Arme übertragen. Bei mir wird regelmäßig vorausgesetzt, dass ich einen Drucker besitze, um Schulbriefe, die ich digital erhalte, auszudrucken.

Ich muss mich dann an die Lehrkraft wenden, damit mein Kind die Briefe in Papierform mitbekommt. Zum Glück schäme ich mich nicht mehr für meine Armut. Ich bin froh, überhaupt einen älteren PC zu besitzen, denn Armutsbetroffene sind massiv in ihrer digitalen Teilhabe eingeschränkt. Oder haben sogar gar keinen Zugang dazu.

2023 hatte von den damals 14 Millionen Armen jeder Fünfte keinen Internetanschluss. Das sind 2,8 Millionen Betroffene. Davon gaben jeweils 900.000 Menschen an, dass sie aus finanziellen Gründen keinen Zugang zum Netz haben. Da wir mittlerweile knapp 18 Millionen Armutsbetroffene haben, liegt die Zahl der digital Abgehängten vermutlich noch höher.

Ohne Wissen über technische Geräte und ohne digitale Kompetenz verschlechtern sich die Chancen auf digitale Teilhabe. Sei es im Privatleben, im Beruf oder bei der politischen Teilhabe, die sich immer mehr ins Netz verlagert. Nicht jede armutsbetroffene Person hat Familie oder Angehörige, die entsprechende Geräte besitzen und helfen können.

Das Jobcenter kann die digitale Ausstattung mit bis zu 350 Euro bezuschussen

Dass nicht jeder arme Haushalt einen PC oder Laptop besitzt, wurde in den Corona-Lockdowns mehr als deutlich. Manchmal ist das Smartphone der Eltern das einzige digitale Gerät, auf das armutsbetroffene Kinder zurückgreifen können. Nicht alle Schulen verfügen über genug Schul-Laptops, die ausgeliehen werden können.

Jobcenter müssen bei Bedarf die Kosten für ein Smartphone, Tablet oder Computer bezuschussen. Diese Leistung muss beantragt werden. Grundsätzlich sind alle Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, berechtigt, den Mehrbedarf zu erhalten. Das gilt auch für solche, die eine Ausbildungsvergütung erhalten.

Allerdings muss die Schule schriftlich bescheinigen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, den Bedarf zu decken – beispielsweise durch Leihcomputer. Die Maximalhöhe des Zuschusses liegt bei 350 Euro für Endgerät und Zubehör wie Kopfhörer und Drucker. Es wird nach Bedarf im Einzelfall entschieden, dabei richtet sich das Jobcenter nach den Vorgaben der Schule und den bereits vorhandenen Geräten.

Ist es Bürgergeldbeziehenden aus finanziellen Gründen nicht möglich, einen Internetvertrag abzuschließen oder befinden sie sich in Regionen, in denen die Internetversorgung aufgrund der digitalen Infrastruktur für Online-Unterricht nicht ausreichend vorhanden ist, muss das Jobcenter zudem die Kosten für einen mobilen Router oder Surfstick mit entsprechender Datenflatrate übernehmen. Auch hierfür ist ein Antrag notwendig.

Internetanschluss muss nicht sein, sagt das Gesetz

Wie ist es aber bei älteren Menschen, die Geld vom Sozialamt bekommen und nicht mehr arbeitsfähig sind? Bei Alleinstehenden, die eine Dauererkrankung haben oder älter als 65 Jahre sind und bei denen ein Telefon aufgrund ihrer Lebensumstände erforderlich ist, wird die ermäßigte Grundgebühr bezahlt. Computer gelten nach dem Sozialgesetzbuch nicht als wohnraumbezogener Gegenstand noch als Haushaltsgerät, daher werden die Kosten nicht übernommen. Traurigerweise hat man im Sozialhilfebezug keinen Anspruch auf einen Internetanschluss.

Das muss alles aus dem Regelsatz bestritten werden. So stehen einer alleinstehenden erwachsenen Person für Post und Telekommunikation monatlich 50,35 Euro zur Verfügung. Jetzt können Sie verstehen, warum es Menschen gibt, die sich ihren Internetanschluss oder PC nicht leisten können.

Ich bekomme mein Geld vom Sozialamt und besitze nur deswegen einen PC, weil Freunde mir für ein gebrauchtes Gerät Geld geliehen haben. Er kostete 150 Euro auf Kleinanzeigen und ein netter Mensch holte den PC in einer anderen Stadt ab. Nicht alle Armen haben die Möglichkeiten, die ich habe, daher spreche ich von mir auch als privilegierte Armutsbetroffene. Jemanden zu kennen, der ein Auto hat und hilft, ist ein Privileg. Leute zu kennen, die einem finanziell aushelfen, ist ein Privileg.

Als Alleinerziehende ein soziales Netz zu haben, das mich unterstützt, ist ein Privileg. Ich kann kein Darlehen beantragen, wenn ich einen neuen PC brauche. Das Existenzminimum in der Sozialhilfe kann bedeuten, ohne Internetanschluss, PC und Smartphone zu leben. Ohne Hilfsangebote von Wohlfahrtsverbänden und Angehörigen hätten diese Menschen noch weniger die Möglichkeit, am Leben teilzunehmen.

Janina Lütt ist armutsbetroffen, sie bestreitet ihre Leben für sich und ihre Tochter mit Erwerbsminderungsrente auf Bürgergeld-Niveau.

In ihrer regelmäßigen Kolumne auf freitag.de berichtet sie über den Alltag mit zu wenig Geld, über die Sozialpolitik aus der Perspektive von unten, über den Umgang mit ihrer Depression und über das Empowerment durch das Netzwerk #ichbinarmutsbetroffen: @armutsbetroffen



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Von Veritatis

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