Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitzins im Juni noch einmal gesenkt. Mit dieser Zinssenkung wuchs die Zinsdifferenz zwischen dem Euro- und dem US-Dollarraum weiter an. In der Regel ist es so, dass jene Währung mit dem höheren Zinsniveau gegenüber der jeweils anderen aufwertet, denn für das Kapital ist der Hochzinsraum attraktiver als Anlagen im Währungsraum mit den niedrigeren Zinsen.
Folgt man dieser Logik, hätte der US-Dollar im Anschluss an die Zinssenkung in der Eurozone eigentlich an Wert gewinnen müssen, denn US-Staatsanleihen bieten nun deutlich höhere Zinsniveaus als beispielsweise Bundesanleihen oder italienische bzw. französische Staatsanleihen.
Es ist aber der Euro, der seit Mitte Mai gegenüber dem US-Dollar Stärke aufbaut und diese ungeachtet der steigenden Zinsdifferenz immer weiter ausbaut. Diese ungewöhnliche Situation könnte in den nächsten Monaten noch anhalten. Sollte dies geschehen, ist zu erwarten, dass der Euro zunächst das Jahreshoch bei 1,573 US-Dollar und später auch die Widerstandszone zwischen 1,1876 und 1,2042 US-Dollar erreichen wird.
Die Anleger suchen nicht nur hohe Zinsen, sondern auch Sicherheit
Anleger, die ihr Geld in Anleihen und nicht in Aktien investieren, sind nicht nur auf der Suche nach einer möglichst hohen Rendite, sondern vor allem nach Sicherheit. Wäre die Rendite das allein entscheidende Kriterium, müssten hochverzinsliche Anleihen von Unternehmen viel beliebter sein als Staatsanleihen.
Doch die Rendite allein ist nicht das ausschlaggebende Kriterium. Die Sicherheit der Anleihe ist mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger. Wäre es anders, hätte kein Anleger in der letzten Dekade negativ verzinsliche Staatsanleihen gekauft. Aktuell schätzen die Anleger die Sicherheit europäischer Staatsanleihen weitaus mehr als die der US-amerikanischen.
Geachtet wird dabei auf gesetzliche Vorgaben und die politische Stabilität eines Landes ebenso wie auf das wirtschaftliche Umfeld. Der gesamte Mix muss stimmen, damit die Anleihen eines Staates gekauft und gehalten werden. Seit Donald Trump im Januar wieder ins Weiße Haus eingezogen ist, sind viele Investoren allerdings der Meinung, dass die Mischung in den USA nicht mehr stimmt.
Ohne Not wurde fast mit jedem Lande ein Zollstreit vom Zaun gebrochen. Auch die zahlreichen abrupten Richtungswechsel, die der US-Präsident in den letzten Wochen vollzogen hat, sind nicht dazu geeignet, Werbung für den US-Dollar als Anlageraum zu machen. Europa erscheint an dieser Stelle deutlich ruhiger und verlässlicher. Solang dieses so bleibt, dürfte die Stärke des Euros gegenüber dem US-Dollar weiter anhalten.