Haben Sie auch schon diese Mitteilung von Ihrer Krankenkasse erhalten? Von 2025 an gibt es die „ePa für alle“ – für alle, die nicht aktiv widersprechen. Sollten Sie das tun? Wir haben die Antworten

Illustration: der Freitag


Röntengenbilder, Befunde, Arztbriefe – alles digital: Nach 20 Jahren Anlaufzeit und Milliarden Euro an Ausgaben geht die elektronische Patientenakte (ePa) zum 15. Januar 2025 an den Start: zunächst in drei Modellregionen, bevor sie von Mitte Februar an „mit eingeschränkten Funktionen“ bundesweit „ausgerollt“ und bis Ende des Jahres für 80 Prozent der Bevölkerung eingerichtet worden sein soll. Weder Patient:innen noch die Ärzteschaft haben die „ePa“ bestellt, kritisiert Andreas Meißner vom Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht. Die Informationen der Krankenkassen sind sehr einseitig gehalten – der Freitag liefert hier eine kritische Ergänzung.

Wer hat Zugang und pflegt Umgang mit der ePa?

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ag liefert hier eine kritische Ergänzung.Wer hat Zugang und pflegt Umgang mit der ePa?Es handelt sich um ein so genanntes „Opt-out“-Verfahren: Die elektronische Patientenakte (ePa) wird ohne weitere Nachfrage eingerichtet – es sei denn, Betroffene widersprechen dem aktiv, sobald sie eine Mitteilung über deren Einrichtung von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erhalten haben. Einmal eingerichtet, kann die ePa von Behandelnden und Patient:innen gefüllt oder Dokumente können gelöscht werden, wobei jeder Akt dokumentiert wird. Um allerdings alle Funktionen aktiv nutzen zu können, benötigen User:innen einen Rechner mit entsprechender Aufrüstung oder ein neueres Smartphone. Mehr als ein Viertel der über-65-Jährigen nutzt und zehn Prozent der Bevölkerung besitzen kein Smartphone. Ansonsten müssen Widersprüche oder andere Verfügungen bei der Ombudsstelle der Krankenkasse eingereicht werden. Sofern kein Widerspruch vorliegt, haben alle Ärzt:innen 90 Tage, Apotheken drei Tage Einsicht. Patient:innen haben nicht mehr, wie bei der freiwilligen ePa bisher, die Möglichkeit, einzelne Dokumente gezielt für bestimmte Nutzer auszublenden.Wiegt der Nutzen die Nebenwirkungen auf?Die Bundesgesundheitsminister, schon vor Karl Lauterbach (SPD), wurden nicht müde, die Vorteile der ePa zu rühmen: schnellerer Überblick über den Gesundheitsstatus der und mehr Transparenz für die Patient:innen, Vermeidung von Doppelversorgung und Medikationsfehlern, gezielte Notfallversorgung, Bürokratieabbau, Erhebung und Zusammenführung von Patientendaten, die der Forschung zur Verfügung stehen, Datenspende usw. Aber vieles davon ist entweder bereits über die in den Praxen vorhandene Dokumentation möglich und anderes hat – wie im Fall der Notfallmedizin, wo gar keine Zeit ist, eine lange Reihe von pdf-Dokumenten durchzusehen – keinen Nutzen. Abrechnungsdaten kann man heute schon von den Kassen abrufen. Darüber hinaus ist weder Vollständigkeit noch Qualität der auf der ePa niedergelegten Daten gesichert, und große Datensätze wie ein MRT können nicht gespeichert werden (bis 25 MB/Dokument). Dagegen können falsche, nicht gelöschte Diagnosen oder dem Blick der Behandelnden entzogene Medikationspläne falsche Therapien nach sich ziehen. Die Aids-Hilfe warnt vor Diskriminierung besonders vulnerabler Patient:innen. Eine ärztliche Zweitmeinung könnte, nach Akteneinsicht, voreingenommen ausfallen.Was bedeutet die ePa für die ärztliche Schweigepflicht?Ist eine ePa angelegt, sind alle im Medizinsystem Behandelnden verpflichtet, sie zu füllen. Es gibt derzeit Streit um die Vergütung, weil nicht weniger, sondern mehr Bürokratie zu erwarten ist. Da es sich um extrem sensible Daten handelt, müssen sich verantwortlich Handelnde in besonders geschützten Zonen wie Psychotherapeuten oder Sexualmediziner genau überlegen, was sie dort niederlegen, um ihre Patient:innen vor Diskriminierung zu schützen. Sie sind sozusagen zu „doppelter Buchführung“ herausgefordert. Ein Hinweis auf Depression etwa kann bei anderen Fachdisziplinen zu einer falschen Diagnose führen, unter Umständen auch zu beruflichen Nachteilen. Alleine die mehrtägige Lesbarkeit der ePa durch Apothekenpersonal stellt die ärztliche Schweigepflicht auf eine harte Probe. Da die Daten über den Zentralserver auch in den europäischen Datenraum (EHDS) übermittelt werden und nach Willen von Karl Lauterbach von dort auch in die USA fließen, ist es kaum mehr möglich, ihre Nutzung zu kontrollieren.Wie steht es um den Datenschutz?Alle eingespeisten Gesundheitsdaten liegen verschlüsselt in einem ePa-Aktensystem, das auf der von der Gematik betriebenen Telematikinfrastruktur (TI) basiert. Alle Gesundheitsdaten werden 100 Jahre, das heißt generationenübergreifend, auf einem zentralen Server gespeichert. Da sich die geplanten Verschlüsselungen leicht entschlüsseln lassen, forderten mehrere Patienten- und Datenschutzorganisationen vergangenes Jahr in einem Offenen Brief eine sichere Kryptografie und Anonymisierung der Daten. Auch ein kürzlich veröffentlichtes Fraunhofer-Gutachten bescheinigt der ePa-Architektur „Schwachstellen“. Wiederholte Meldungen von erfolgreichen Angriffen Cyberkrimineller auf kritische Infrastruktur im Gesundheitssystem zeigen, dass es um die Datensicherheit nicht gut bestellt ist, zumal der Bundesdatenschutzbeauftragte seit Ende 2023 in diesem Bereich keine Vetorechte mehr hat. Aber auch vor anderen Einflüssen wie großer Hitze sind die Systeme, die selbst riesige Energiemengen verschlingen und zum CO2-Ausstoß beitragen, nicht geschützt.Verbessern die Gesundheitsdaten der Patientenakte die Forschung?Gesundheitsdaten sind das Gold der Zukunft und wecken nicht nur bei Hackern Begehrlichkeiten. Auch Forschende haben hohes Interesse am Big Data. Das Bundesgesundheitsministerium bewirbt die ePa auch mit dem Argument, dass eine solidarische Datenspende heilen oder Leben retten kann, was durch das Gesetz zur Nutzung von Gesundheitsdaten nun möglich ist. Mit der Nutzung der ePa-Daten müssen Wissenschaftler für ihre klinische Forschung nicht mehr in jedem Bundesland aufwändige Anträge stellen – soweit diese „dem Gemeinwohl“ dient, ein ohnehin dehnbarer Begriff. Doch obwohl die Bevölkerung der Datenspende aufgeschlossen gegenübersteht, will die Mehrheit nicht passiv, sondern aktiv einwilligen. Im bisherigen Verfahren muss man dem widersprechen. Außerdem ist umstritten, ob Big Data und „Real World Data“ (Echtzeitdaten) überhaupt eine sinnvolle Studiengrundlage darstellen und in der Forschung einen Nutzen bringen. „Heillose Versprechen“, kritisiert der Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin, Jürgen Windeler, diese Hoffnung auf bessere Forschung.



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Von Veritatis

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