Man muss sich das einmal vorstellen: Da sitzen Erwachsene in einem städtischen Gremium, beraten ernsthaft über Schilder – und beschließen, dass das Wort „Spielplatz“ zu exklusiv ist. Zu alt, zu weiß, zu behindertenfeindlich vielleicht. Ergebnis: Köln schafft den Spielplatz ab – zumindest sprachlich.
Künftig heißt das Gelände, auf dem Kinder im Sand buddeln, rutschen oder mit der Schaukel um die Wette quietschen, offiziell „Spiel- und Aktionsfläche“. Kein Witz. Ein Beschluss des Jugendhilfeausschusses. Und damit dieser neue Name auch optisch Einzug hält, lässt die Stadt über 700 Schilder austauschen. Natürlich nicht, ohne sich dafür fachliche Hilfe geholt zu haben: Ein Verein, eine Designagentur und diverse befragte Kinder durften mitgestalten.
Das Resultat? Bunte Plakate mit Wesen, die bewusst so gestaltet wurden, dass niemand mehr erkennen kann, ob es sich um Jungen oder Mädchen handelt, um Alte oder Junge, Einheimische oder Migranten, Gesunde oder Menschen mit Behinderung. Lila Skater, grüne Werfer, gelbe Buddler. Köln zeigt Vielfalt – indem es Identität ausradiert.
Wenn Inklusion zur Farce wird
Begründet wird das Ganze mit dem Inklusionsgedanken. Spielplätze seien eben nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche, Erwachsene, Menschen mit anderen „kulturellen Hintergründen“ und für jene mit „möglichen Behinderungen“. Der Begriff „Spielplatz“ grenze all diese Gruppen aus – weshalb nun etwas Abstrakteres, Allgemeineres, Sprachsensibleres her musste.
Und man fragt sich, mit einer Mischung aus Verzweiflung und Zynismus: Warum haben diese Menschen nicht einfach den Sand ausgetauscht, die Rutschen geölt oder ein Sonnensegel aufgestellt?

Das fragte sich übrigens auch SPD-Politiker Jochen Ott, der immerhin die Bodenhaftung behalten zu haben scheint. Viele Spielplätze in Köln seien in einem „desolaten Zustand“, mit zu viel Beton und zu wenig Pflege. Aber statt sich um reale Probleme zu kümmern, investiere man jetzt lieber in Schilder – und in die Illusion, man könne mit Sprache die Welt besser machen.
Der neue Mensch beginnt auf der Tafel
Dass derartige Sprachregelungen keine harmlose Spielerei sind, sondern Ausdruck einer ideologischen Verschiebung, wird gern übersehen. Wer Begriffe verändert, verändert Wahrnehmung. Und wer Wahrnehmung verändert, formt langfristig auch Denken. Aus dem Spielplatz wird eine „Spiel- und Aktionsfläche“, aus der Familie wird ein „Verantwortungsverbund“, aus der Mutter ein „gebärendes Elternteil“.
Es geht um mehr als nur Wörter. Es geht um die Frage, ob wir als Gesellschaft noch bereit sind, Unterschiede zu benennen – oder ob wir sie lieber auslöschen, um niemandem zu nahe zu treten.
Wer dabei an Sprachlenkung und Begriffssäuberung im Sozialismus denkt, liegt nicht falsch. Auch dort begann die Umerziehung nicht mit Gewalt, sondern mit neuen Worten – vom „Klassenfeind“ bis zum „sozialistischen Menschen“. Orwell lässt grüßen: Seine ebenso bissige wie brillante Sprachkritik in „1984“ mitsamt dem Konzept des Neusprechs war eine Reaktion auf die ideologische Wortverdrehung in der Sowjetunion. Die neue Kölner Schildersprache wirkt dagegen wie die pastellfarbene Variante – eine blasse, dumme Neuauflage des Neusprechs.
Der nächste Schritt ist absehbar: Vielleicht heißen Friedhöfe bald „Erinnerungs- und Transformationsareale“, weil „Friedhof“ zu final klingt. Vielleicht werden Geburtsstationen zu „Startpunkten körperlicher Manifestation“, weil „Geburt“ zu binär ist.
Was heute absurd klingt, ist morgen Ausschusssache.
Und das alles ausgerechnet in Köln
Ausgerechnet in Köln, wo man sonst lieber fünfe gerade sein lässt. Ausgerechnet in einer Stadt, in der man jahrzehntelang mit Toleranz warb, nun aber auf administrative Kleinstzensur setzt.
Vielleicht ist das die größte Ironie: In einer Stadt, die stolz auf Karneval, Offenheit und Multikulti ist, wird der Spielplatz jetzt zur sprachlich gereinigten Zone. Für Toleranz. Für Vielfalt. Für alle – nur nicht für die Vernunft.
Der nächste Besuch auf der „Spiel- und Aktionsfläche“ wird jedenfalls spannend. Vielleicht begegnet man ja dort einem grünen Wesen mit rotem Ball und erfährt, wie sich Inklusion anfühlt, wenn sie wie Ideologie schmeckt.
Bis dahin bleibt nur ein Trost: Kinder werden weiter rufen, was sie immer riefen.
„Mama, ich geh auf den Spielplatz.“
Ganz ohne Sternchen, ganz ohne Designagentur. Und ganz ohne Schild.
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Bild: ARD/Screenshot
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