Mehr als zwölf Kilo Gewichtsverlust, Hungerstreik seit Anfang Juni: Maja T. wurde an Ungarn ausgeliefert und nun in ein Gefängniskrankenhaus verlegt. Politiker*innen fordern die Rücküberstellung – doch Ungarns Justiz bleibt hart


Maja T. in Budapest im Gericht (Archivbild)

Foto: Daniel Alfoldi/Imago


Drei Wochen nach Beginn ihres Hungerstreiks ist die in Budapest inhaftierte deutsche nicht-binäre Person Maja T. in ein Gefängniskrankenhaus im Südosten Ungarns verlegt worden. Seit dem 1. Juli befindet sie sich rund 260 Kilometer von der Hauptstadt entfernt und nahe der Grenze zu Rumänien.

Durch ihren Hungerstreik habe Maja T. mehr als zwölf Kilogramm abgenommen und sei körperlich sehr geschwächt, erklärte ihr Vater Wolfgang Jarosch. Die Verlegung erfolgte auf Anordnung der Budapester Gefängnisverwaltung, nachdem sich der Gesundheitszustand von Maja T. massiv verschlechtert hatte. Der andauernde Hungerstreik begann Anfang Juni als Protest gegen die Haftbedingungen in der Untersuchungshaft.

Vorwurf: Angriffe als Teil einer „kriminellen Ver

Vorwurf: Angriffe als Teil einer „kriminellen Vereinigung“Die ungarischen Behörden werfen Maja T. vor, gemeinsam mit weiteren Antifaschist*innen als Teil einer vermeintlichen „kriminellen Vereinigung“ im Februar 2023 Rechtsextremisten in Budapest angegriffen zu haben. Am 21. Februar 2025 eröffnete das Budapester Gericht das Hauptverfahren. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 24 Jahren Haft. Maja T. klagte von Anfang an über Isolationshaft, permanente Video- und Haftraumüberwachung – auch nachts – und ungepflegte Zellen, in denen sich nach ihren Angaben Ungeziefer tummelte. Ihrer Darstellung zufolge wurde ihr zudem weder die Möglichkeit gewährt, sich angemessen zu waschen, noch erhielt sie regelmäßig Zugang zu medizinischer Versorgung. Ihr Anwalt Sven Richwin bestätigte diese unmenschlichen Haftbedingungen gegenüber dem Freitag.In einer Sprachnachricht zu Beginn ihres Hungerstreiks erklärte T. selbst: „Da seit elf Monaten eine menschenunwürdige Langzeiteinzelhaft auf meine rechtswidrige Auslieferung nach Ungarn folgt, wähle ich die letzte mir verbliebene Protestform – den Hungerstreik. Ich ertrage diese Situation nicht mehr.“ Maja T. fordert mit dem Hungerstreik ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und andererseits die Verlegung in Hausarrest in Deutschland.Da seit elf Monaten eine menschenunwürdige Langzeiteinzelhaft auf meine Auslieferung folgt, wähle ich die letzte mir verbliebene Protestform – den HungerstreikMaja T.Anstatt auf ihre Forderungen einzugehen, reagierten die ungarischen Behörden lange Zeit mit Ignoranz. Maja T. wurde noch während ihres Hungerstreiks weiter vor Gericht geführt – wo sie jedoch der Verhandlung kaum mehr folgen könnte, da sie körperlich nicht mehr dazu in der Lage war, so Anwalt Richwin. Auch wenn die aktuelle Verlegung in ein Gefängniskrankenhaus einen positiven Schritt darstellt, fehle dort ein Übersetzer, erklärte dazu Vater Wolfgang Jarosch. Er und ihr Anwalt befürchten daher, dass Maja T. medizinische Maßnahmen nicht richtig nachvollziehen kann und im Extremfall zwangsweise behandelt wird, ohne die Maßnahmen wirklich verstanden zu haben. Beide sind sich sicher, dass Maja T. ihren Hungerstreik fortsetzen wird.Maja T. wurde im Juni 2024 von Deutschland nach Ungarn ausgeliefert – ungeachtet eines Eilbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts, der die Auslieferung vorläufig stoppen wollte und für rechtswidrig erklärte. Zuletzt hatte das Gericht in Budapest einen Antrag auf Überstellung in den Hausarrest abgelehnt. Placeholder image-1Mitte Juni drückten in Jena – der Heimatstadt von Maja T. – bis zu 10.000 Menschen ihre Solidarität mit Maja und weiteren inhaftierten Antifaschist*innen auf einer Großdemonstration eines bundesweiten Bündnisses von antifaschistischen Gruppen aus. Zudem hat eine Online-Petition über die Freilassung mittlerweile über 100.000 Unterschriften.Kritik von deutscher Politik: Orbán-Regime handelt nicht rechtsstaatlichSeitdem sich ihr Gesundheitszustand weiterhin verschlechtert, meldet sich auch die deutsche Politik vermehrt zu Wort. Die Abgeordnete der Linksfraktion im Europaparlament, Carola Rackete, hatte bereits zu Beginn des Hungerstreiks von Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) gefordert, sich für Maja T. einzusetzen. Am Montag ergänzte ihr Kollege Martin Schirdewan, Fraktionschef der Linksfraktion im EU-Parlament: „Der gesundheitliche Zustand von Maja T. verschlechtert sich rapide. Die Bundesregierung muss ihre Rücküberstellung aus Ungarn nach Deutschland jetzt sofort zur Priorität machen.“ Mit Blick auf die Auslieferung nach Ungarn erklärte er: „Dieses Unrecht muss behoben werden.“ Schirdewan forderte ein rechtsstaatliches Verfahren und menschenwürdige Haftbedingungen. Es darf jedoch mehr als bezweifelt werden, dass dies unter der Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Ungarn möglich ist. Dieses Unrecht muss behoben werdenMartin Schirdewan, Fraktionschef der Linken im EU-ParlamentSo sieht es auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring‑Eckardt, die mit ihrem EU-Kollegen Daniel Freund kurzfristig nach Budapest reiste, um sich selbst ein Bild von Maja Ts. Zustand zu machen. Auch sie drängte auf eine sofortige Rücküberstellung. „Das Orbán-Regime handelt nicht rechtsstaatlich, das ist offensichtlich“, sagte Göring-Eckardt dem Spiegel. Doch die ungarische Justiz weist jegliche Kritik an den Haftbedingungen oder die Möglichkeit einer Auslieferung nach Deutschland zurück. Sie betont, bei allen Entscheidungen seien die nationalen Gesetze eingehalten worden. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte zuletzt mitgeteilt, dass es Maja T. konsularisch betreue, den Gerichtsprozess begleite und sich für eine Verbesserung ihrer Haftbedingungen einsetze. Über eine mögliche Rückkehr nach Deutschland müssten jedoch die ungarischen Gerichte entscheiden. Doch in Ungarn herrscht Viktor Orbán – und nicht Recht und Gesetz.

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Von Veritatis

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