Die Bundesregierung will massiv in Aufrüstung investieren – Journalisten und Ökonomen jubeln. Doch kann das Geld für die Bundeswehr wirklich helfen, die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln? Eine Studie säht erste Zweifel
Munition auf der Fachmesse für Sicherheitstechnologie Enforce Tac 2025
Foto: Dwi Anoraganingrum/picture alliance/Panama Pictures
Mit einem präzisen Manöver der Hochrüstung will die Bundesregierung zwei Flanken sichern. Erstens soll die deutsche Wirtschaft aus der Rezession herausgeführt und in eine günstigere ökonomische Lage gebracht werden; zweitens soll die brüchige Legitimation des politischen Systems durch eine Stärkung der Heimatfront gestärkt werden.
Zum Ersten: Seit ein paar Monaten jubeln Ökonomen, Politiker und Journalisten im Gleichschritt, Investitionen in die Bundeswehr könnten gegen die deutsche Wachstumsschwäche helfen. Das Geld soll neue Arbeitsplätze und blühende Landschaften bringen. Ein olivgrünes Wirtschaftswunder könnte entstehen, so das Handelsblatt.
Die Mittel für das Militär werden in Stellung gebracht. So
n in Stellung gebracht. So sollen die Ausgaben für die Bereiche Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren auf bis zu fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden, was etwa der Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts entspricht.Unabhängig davon, auf welcher Seite man im Stellungskrieg um Hochrüstung positioniert ist, fragt sich, ob diese Hoffnungen berechtigt sind. Kommt etwas Substanzielles von dem Geld bei der breiten Masse an? Haben wir es also mit einem Rüstungskeynesianismus zu tun, der auch den Konsum ankurbelt?Fiskalmultiplikator bei Rüstungsinvestitionen geringErhebliche Zweifel daran lässt eine aktuelle Studie von Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk von der Universität Mannheim erkennen. Demnach seien die Auswirkungen auf die Belebung der Wirtschaft ziemlich gering, legt man den sogenannten Fiskalmultiplikator zugrunde. Diese wichtige Kennziffer für die wirtschaftliche Effizienz von Staatsausgaben misst, wie stark das Bruttoinlandsprodukt wächst, wenn der Staat Geld ausgibt. Bei den Rüstungsausgaben liegt die Rate im besten Fall bei 0,5 – ein halber Treffer pro Schuss –, wahrscheinlich sogar deutlich darunter.Das liege an den spezifischen Bedingungen des Rüstungskapitals, so Krebs und Kaczmarczyk. Es ist nach diversen Zeitenwende-Ankündigungen und Sondermilliarden bereits ausgelastet. Wettbewerb zwischen den Rüstungskonzernen gebe es kaum; neue staatliche Aufträge führten eher zu höheren Preisen. Statt wirtschaftlicher Belebung, die bei den Massen ankommt, sind vor allem steigende Profite für die Rüstungsindustrie zu erwarten. Würde der Staat hingegen in Bildung, Infrastruktur und Kinderbetreuung investieren, könnte der Studie zufolge das Zwei- bis Dreifache an zusätzlicher Wertschöpfung erzeugt werden. Das gesamtwirtschaftliche Argument für die Hochrüstung verfehlt also das propagierte Ziel.Mehr noch: Der Bau von Panzern, Drohnen, Kanonen und Munition bindet Arbeitskräfte wie auch Kapital. Auf der Strecke bleiben Investitionen in Bildung, Klimaschutz und Infrastruktur. Kanonen statt Butter – statt Butter durch Kanonen, wie es sich die Hochrüstungsgeneräle erhoffen.Geld für Rüstung fehlt bei Infrastruktur oder im SozialbereichBleibt die Hoffnung auf Zusammenhalt durch Militarisierung. Die Studie deutet an, dass der soziale Blutzoll hoch sein könnte. So weisen Krebs und Kaczmarczyk darauf hin, dass jeder Euro, der in die Rüstung fließt, etwa bei der Modernisierung von Strom- und Bahnnetzen, beim Ausbau der Kita-Betreuung, bei der Qualifikation von Fachkräften und bei der Förderung grüner Technologien fehlt. „Die Vorstellung, dass der Staat alle diese Ziele gleichzeitig verfolgen kann, verkennt die Realität begrenzter finanzieller und realwirtschaftlicher Ressourcen.“ Es ließe sich ergänzen: Auch mögliche Einsparungen im Sozialbereich könnten künftig mit dem Verweis auf notwendige Rüstungsausgaben legitimiert werden.Am Ende wird der größte Teil der Beute wohl an die Rüstungsindustrie gehen. Der neue deutsche Rüstungskeynesianismus bringt keinen Wohlstand, hinterlässt aber eine Schneise, in der Soziales und Ziviles gründlich plattgewalzt wurden.Lexikon der LeistungsgesellschaftSebastian Friedrich ist Autor und Journalist aus Hamburg. In der Kolumne „Lexikon der Leistungsgesellschaft“ beschäftigt er sich seit 2013 mit den Ideologien des Alltags.