Wer gegen das Rauchverbot verstößt, zahlt bei der Harzer Schmalspurbahn bald 250 Euro – in New York wäre es für eine „Freitag“-Autorin noch teurer geworden. Wozu Buße dient und wofür die Stadt Baden-Baden sie verlangt: Unser Wochenlexikon


Warum im Landkreis Emsland auch Pferde geblitzt werden, können wir auch nicht erklären

Foto: Landkreis Emsland/dpa


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wie Abgeschleppt

Vor einigen Jahren erhielt ich einen Bußgeldbescheid, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Mehr noch hat mich der Grund und die Höhe der Forderung irritiert. Mein Auto war offenbar einige Wochen zuvor abgeschleppt worden (→ Schadenfreude) – ohne dass ich es bemerkt hatte. Immer wartete es an der Stelle, an der ich es geparkt hatte. Ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Mein Kalender und der Bescheid mit genauer Standortangabe waren meine Recherchequellen. Als feststand, wohin mein Fahrzeug umgesetzt wurde, wollte ich mir den „Tatort“ ansehen. Man hatte das Auto exakt eine Parklücke weiter gesetzt. Von einer Ausfahrt zur nächsten. Keine von beiden wurde als solche genutzt. Dahinter befanden sich eng bebaute Berlin

inter befanden sich eng bebaute Berliner Innenhöfe. Ich wusste das und das Ordnungsamt wusste es sicher auch. Dennoch musste ich das aufwändige Umsetzen bezahlen, weil ich das Ausfahrt-freihalten-Schild ignoriert hatte. Wenige Wochen später habe ich mein Auto verkauft. Elke AllensteinBwie BlitzerDiese Raser werden nie erwischt, sagt mein Mann, als uns wieder einer mit röhrendem Motor überholt. Haben wohl einen Blitzer-Warner. Dabei ist es in Deutschland verboten, solche Geräte zu benutzen oder auch nur betriebsbereit mitzuführen. Warum wird kaum dort kontrolliert, wo es wirklich gefährlich ist? Stattdessen oft da, wo man problemlos Gas geben könnte. Weil es der Stadt weniger um Verkehrssicherheit geht als ums Geldverdienen? 2024 hat Berlin durch Blitzer rund 33,4 Millionen Euro eingenommen. Dass Kommunen ihre Kassen aufbessern wollen, kann man verstehen. Und doch ist es ärgerlich. Durch Auflagen an die Autoindustrie würden sich Raser viel eher ausbremsen lassen. Was, wenn Fahrzeuge automatisch auf Geschwindigkeitsbeschränkungen reagieren würden? Dann ließe sich mit Blitzern nichts mehr verdienen. Irmtraud Gutschke Fwie Fixed Penalty Notice„Community Support Officer“, das sind Hilfspolizisten, die in englischen Städten gegen die Unsitte von „antisocial behaviour“ vorgehen. Frisch ertappte Übeltäter führen sie einer sofortigen Bestrafung zu. Ort der Handlung: Birmingham, UK. Als „Director of German“ an der Universität war ich auch für die Betreuung der Austauschstudierenden aus Deutschland zuständig. Irgendwann kamen von ihnen verwunderte Berichte: Kaum hatte man im City Centre einen → Zigaretten-Stummel fallen lassen, war einer der allpräsenten Gemeindeordnungshüter auf sie zugestürmt mit einer „Fixed Penalty Notice“ über 69 Pfund. Immerhin rund 80 Euro. Fällig ist die Geldbuße sofort, und zwar per Kreditkarte. Ein Schluck aus der Bierflasche auf dem Victoria Square? Kostet 69 Pfund. Schokoladenriegelverpackung auf den Boden werfen, weil es nirgendwo Mülleimer gibt aus Angst vor Bombenanschlägen? Wieder wird eine „Fixed Penalty Notice“ fällig. So was kannten sie aus Deutschland nicht. Welcome to England (→ Hundekot). Uwe SchütteHwie Hundekot„Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“, soll Fußballer Andi Brehme einst gesagt haben. Wer jemals in einen Hundehaufen getreten ist, weiß, wovon die Rede ist – man muss im Brehme-Zitat nur Fuß mit Schuh ersetzen. Und wird Verständnis für eine Verordnung der Stadt Duisburg haben, die es zur Pflicht macht, beim Ausgang mit den vierbeinigen Freunden Kotbeutel mitzuführen. Aber gibt es für die nötigen Kontrollmaßnahmen überhaupt genügend Personal? Im englischen Stafford geht man andere Wege. Wer Hundehinterlassenschaften sichtet, kann dies der Stadtverwaltung melden. Und falls durch den Hinweis ermittelt wird, wer das Tier sein illegales Geschäft erledigen ließ, wartet eine Belohnung in Höhe des fälligen Bußgelds von 100 Pfund. Hierzulande scheiterten ähnliche Pläne in Sachsen-Anhalt am Persönlichkeitsrecht. Joachim Feldmann Kwie KurgästeBaden-Baden war schon immer fein und teuer, seit einigen Jahren soll es auch sauberer werden. Dort drohen nicht nur Müllschleuderern wie in Berlin saftige Bußgelder, nein, auch die ordnungsliebenden Bürger sind ins Visier der Stadtväter und -mütter geraten. Da gibt es einige, die es wagen, ihre Mülltonnen schon früh am Vortag der Abholung auf die Straße zu stellen. Das trage besonders in der Fußgängerzone „nicht gerade zu einem schönen Erscheinungsbild bei“, hieß es in der städtischen Mitteilung, sondern in den Sommermonaten auch zu unangenehmer Geruchsbildung. Deshalb werden Eifrige, die ihre Tonne schon vor 16 Uhr aufs Trottoir rollen, mit einem Bußgeld von 100 Eurobedacht. Ob das Rathaus seine Badener oder eher die zahlungskräftigen Kurgäste, die in der Fußgängerzone flanieren und ihr Geld im Casino lassen, im Blick hatte? Immerhin übte es Gerechtigkeit: Auch in den Außenbezirken, wohin sich kein Kurgast verirrt, muss Buße getan werden (→ Wiedergutmachung). Ulrike Baureithel Owie Ohne FahrscheinIrgendwohin umsonst hinkommen, mit S-Bahn, U-Bahn oder Bus, ist das nicht ein Menschenrecht? So wie Wohnen oder Arbeit? Der öffentliche Nahverkehr ist für alle da, so habe ich das zumindest immer verstanden. Der muss gratis sein. Mittlerweile zahlt man etwa in Berlin für eine Kurzstrecke (drei Stationen) 2 Euro 60. In meinen Zwanzigern wurde ich oft erwischt und musste viele Geldstrafen zahlen; wenn ich es nicht tat, kam erst Inkasso, dann der Brief vom Polizeipräsidenten mit der Strafanzeige. Einmal schrieb ich ihm, wollte Mitleid erregen und die drohende Vorstrafe abwenden: Ich sei schwanger und hätte einen dringenden Arzttermin gehabt, musste also die Tram erwischen und da seien die Fahrschein-Automaten kaputt gewesen. Es hat funktioniert, es blieb bei 60 Euro Strafe. Seit ich Kinder habe, muss ich Vorbild sein. Mira KerberSwie SchadenfreudeJa, Schadenfreude ist nicht die feine Art. Aber wer in einer Großstadt lebt und sich primär per Zweirad, ÖPNV oder zu Fuß fortbewegt, für den sind Autos keine Freunde. Sie nehmen den meisten Platz in Anspruch, stinken, sind laut und extrem ineffizient. So viel Verständnis für die individuelle Notwendigkeit eines Pkws vorhanden sein mag, so wenig Toleranz habe ich für das offensichtlich egoistische Verhalten vieler Autofahrer. Wenn das Ordnungsamt also mal einen dieser Pkw-Halter erwischt, die meinen, die StVO gelte nur für die anderen, dann entweicht die Staatskritik aus mir wie die Luft aus einem aufgestochenen Reifen. So war es jedenfalls, als neulich gegenüber ein Auto abgeschleppt wurde. An der Ecke stehen nämlich permanent – wirklich: immer – bis zu vier Autos im absoluten Halteverbot. Dieses Gefühl der gerechten Strafe ist immerhin eine kleine Entschädigung für die regelmäßige Todesangst im Verkehr. Die einzige Frage: Warum holt das Ordnungsamt nicht jeden Tag ein paar Wagen an der Ecke ab? Die klammen kommunalen Kassen könnten es vertragen. Leander F. Badura Twie TontopfIn der Ritter-Runkel-Serie des Comic-Magazins Mosaik (Zeichner Hannes Hegen, 1964 – 1969) sind die Frauenfiguren die klügeren und besonneneren. Der Emir Nureddin dagegen, Oberhaupt eines osmanischen Stammes, verliert leicht die Beherrschung. „Verflucht sei deine lügnerische Zunge, und Höllenschwefel sei die Luft der Lunge!“, lautet einer der erzürnt ausgerufenen Flüche, der hier dem anmaßenden Betragen des aus dem Abendland angereisten Ritters gilt. Das kostet als Bußgeld einen Piaster in die „Flüchekasse“. Den Tontopf hält seine auf diplomatische Höflichkeit bedachte Gattin dem Emir hin. Die Kreuzritter sind im Mosaik die dreisten Eindringlinge, die Osmanen verteidigen überlegen ihr Stammesgebiet. So erzählt das der DDR-Comic, während in der BRD den „Gastarbeitern“ aus der Türkei viel Verachtung entgegenschlägt. Michael Suckow Wwie WiedergutmachungWer Buße leistet, will Wiedergutmachung. Das Wort Buße leitet sich von Besserung ab, man ist darum bemüht, für einen Fehler zu bezahlen, ihn auszubügeln. In der Religion geht es um die Entstörung des Verhältnisses zu Gott. Mitunter konnte die ganze Bevölkerung in Notzeiten zur kollektiven Buße aufgerufen werden. Daraus entwickelte sich der Buß- und Bettag als festes Datum. Man büßte mit Beichten, Gebeten und guten Taten. Daran knüpfte die weltliche Idee an, Geldentzug teilweise als Alternative zu Körperstrafen oder Gefangenschaft einzuführen. Manchmal war es im Mittelalter auch ein Gnadenakt, den Freiheitsentzug in eine Geldbuße umzuwandeln. Im modernen Recht hat sich die Unterscheidung zwischen Buße für Ordnungswidrigkeiten und Strafe für Vergehen und Verbrechen eingebürgert. Die Geldbußen obliegen dem Verwaltungs-, nicht dem Strafrecht. Laut Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten können es von fünf bis 1.000 Euro sein. Diese können bei Straßenverkehrsdelikten (→ Blitzer) und gegen Personenvereinigungen überstiegen werden. Tobias PrüwerZwie ZigarettenDie Harzer Schmalspurbahnen gehen ab Juli strenger gegen Raucher vor. Wer mit einer Kippe im Zug oder am Bahnsteig erwischt wird, muss dann 250 Euro zahlen – deutlich mehr als bisher. Ziel ist es, Waldbrände zu vermeiden. Die Dampflok darf aber ruhig weiter tuckern. Nur, was sind 250 Euro gegen die Summe, die ich auf der Fähre nach Staten Island zahlen sollte? Wir standen auf der Plattform, hinter uns New York, wie in einem Element-of-Crime-Song. Und ich ignorierte die „No-Smoking“-Schilder. War ja draußen, nicht drinnen! Als ich gerade ziehen wollte, klopfte mir jemand auf den Rücken. „Come with me, Lady!“ Ein Cop. Ich tat verwundert, Touristin, no Englisch. Ich hatte die Zigarette ja nur angezündet. Der Cop war gnädig mit mir. Nicht aber mit dem dunkelhäutigen Mann, der auch erwischt wurde und den Strafbescheid über 3.000 Dollar bekam. Maxi Leinkauf

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Von Veritatis

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