Insbesondere Bildgestalter*Innen fürchten, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden. Unsere Art Direktorin berichtet aus eigener Erfahrung und plädiert gegen solche Ängste
Ich selbst arbeite längst co-kreativ. Ich kombiniere, verwerfe, collagiere. Ich strukturiere um, fragmentiere, verdichte
Illustration: Veronika Pell _Mindeye_
Die Zeit hat vor Kurzem ein Praktikum ausgeschrieben: Hospitanz als KI-Künstler*in in der Bildredaktion. In sozialen Medien wurde diese Anzeige als Symptom einer Form der Kulturvernichtung diskutiert, bald erreichte die Debatte den Deutschlandfunk. Der „neue Kollege KI“ nehme Illustrator*innen Aufträge weg und die Zeit betreibe Doppelmoral: Einerseits publiziere sie Debatten über Ethik und Urheberrecht, andererseits schreibe sie ein Praktikum aus, das – so die Sorge – langfristig Illustrationen durch seelenlose Maschinenbilder ersetzen wird. Argumentiert wird mit den „Brüchen“: Es seien gerade die Unebenheiten und das Handgemachte, die eine gute Illustration auszeichnen. Genau das könne KI nicht.
Ich verstehe die Bedenken und find
en“: Es seien gerade die Unebenheiten und das Handgemachte, die eine gute Illustration auszeichnen. Genau das könne KI nicht.Ich verstehe die Bedenken und finde sie auch wichtig. Aber ich komme trotzdem zu einer anderen Einschätzung. Ich arbeite beim Freitag in einer Redaktion, die regelmäßig mit KI-generierten Illustrationen experimentiert – nicht als Ersatz, sondern als Teil unserer Bildsprache. Unser Budget ist dadurch nicht geschrumpft. Kein Illustrationsauftrag wurde wegen Bildgeneratoren gestrichen. Im Gegenteil: Die Möglichkeiten haben sich erweitert. Wir collagieren, verändern, reißen auf, montieren. Brüche? Gibt es immer noch, nur andere.Kreativiät ist nicht das Werk eines einsamen GeniesDie von den Kritikern gemeinten Brüche sind menschlich, klar. Aber sie sind nicht exklusiv an analoge Medien oder organische Linien gebunden. Auch ein mit von KI generiertes Bild kann brechen, wenn es klug eingesetzt wird. Wenn Kontext, Redaktion, Haltung und Intuition zusammenkommen. Die Frage ist also nicht: Kann KI Brüche? Sondern: Können wir als Gestalter*innen mit KI bewusst Brüche erzeugen?Die Kritiker*innen an der KI in der Bildgestaltung haben meines Erachtens ein zu enges Verständnis von Kreativität. Sie ist nicht das Werk des einsamen Genies, sondern situativ, geteilt, verteilt. Kreatives Handeln kann sich als künstlerischer Ausdruck zeigen, als wissenschaftlich-technische Erfindung und als handwerkliche Praxis, als Alltagskreativität. „Distributed creativity“ nennt das die Theorie. Sie entsteht im Zusammenspiel von Menschen, Werkzeugen und Kontexten. Sie ist ein Prozess.Ich selbst arbeite längst co-kreativ. Ich kombiniere, verwerfe, collagiere. Ich strukturiere um, fragmentiere, verdichte. KI hilft mir dabei. Sie denkt nicht für mich, aber sie reflektiert mein Denken, spiegelt und beschleunigt es. Auch die Rekombination vorhandenen Materials spiegelt ja letztlich kulturelle Praxis – bei aller berechtigten Kritik etwa in Sachen Urheberrecht.Es geht nicht darum, den Illustrator abzuschaffenStudien zeigen, dass generative KI in einer Art kombinieren kann, die an menschliche Kreativität heranreicht. Aber es fehlt ihr Wesentliches: gelebte Erfahrung, Emotionalität und Weltwissen. So ist sie Werkzeug, aber kein Ersatz. Der erwähnte „Kollege KI“ bleibt Assistent.Deshalb hielt ich jenes Praktikum bei der Zeit für eine spannende Idee. Weil es an diesem Punkt ansetzte: nicht als naive Technikbegeisterung, sondern als Einladung zur Auseinandersetzung mit Kreativität und Gestaltung: Es geht nicht darum, den Illustrator abzuschaffen, sondern zu lernen, wie wir kreative Praxis durch KI verändern wollen. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass es in manchen Redaktionen auch um Kosten geht und Bildgeneratoren für oberflächlichen Output missbraucht werden. Dagegen muss man sich wehren, in Qualitätsmedien sollte eine solche Praxis keinen Platz haben.Andererseits kann die Aufgabe von Art Direktor*innen, Bildredakteur*innen und Illustrator*innen nicht darin liegen, nostalgisch Grenzen zu verteidigen, die längst gefallen sind. Ihre Aufgabe liegt darin, neue Wege mitzugestalten und dabei die eigene Haltung nicht zu verlieren.Lisa Kolbe leitet das Art Department beim Freitag