Der Wahlausschuss des Bundestags hat drei von Union und SPD vorgeschlagene Kandidaten für frei werdende Richterposten am Bundesverfassungsgericht nominiert.
Aufgestellt wurden der von CDU und CSU unterstützte Richter am Bundesarbeitsgericht, Günter Spinner sowie die von der SPD vorgeschlagenen Rechtsprofessorinnen Frauke Brosius-Gersdorf und Ann-Katrin Kaufhold.
Alle drei bekamen trotz internen Widerständen die nötige Zweidrittelmehrheit im aus zwölf Mitgliedern bestehenden Wahlausschuss des Bundestags. Am 11. Juli soll im Plenum des Bundestags final über die Vorschläge abgestimmt werden. Dort ist eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen notwendig.
Linksfraktion pocht auf Eintritt ins Vorschlagsrecht der FDP
Erforderlich wurde die Wahl, weil der Richter Josef Christ bereits im November 2024 die gesetzliche Altersgrenze für Verfassungsrichter überschritten hatte. Im Jahr 2017 hatte die Union ihn vorgeschlagen. Im Zweiten Senat hat Doris König im Juni die Altersgrenze erreicht. Ulrich Maidowski wird zudem zum 30. September 2025 aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden. Christ wird im Amt bleiben, bis sich Union und SPD auf einen Nachfolger geeinigt haben.
Die Wahl der neuen Richter birgt erheblichen politischen Zündstoff. Zum einen ist das bisherige Vorschlagsmodell nicht mehr zeitgemäß, das bisher zwar nicht rechtsverbindlich war, aber als ungeschriebenes Gesetz befolgt wurde. Diesem zufolge haben die Unionsparteien das Vorschlagsrecht für drei Richterposten, die SPD ebenfalls für drei, Grüne und FDP je für einen.
Das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag hat das 3:3:1:1-Modell obsolet gemacht, eine neue Regelung ist jedoch noch nicht gefunden. Die Linke fordert, an die Stelle der Liberalen treten zu können. Die Union verweist auf ihren Unvereinbarkeitsbeschluss, der die Unterstützung von Kandidaten der AfD oder der Linkspartei untersagen würde.
Bundesverfassungsgericht präsentiert erstmals eigene Kandidatenliste
Erstmals hat auch das Bundesverfassungsgericht selbst von seinem Recht nach Paragraf 7a BVerfGG Gebrauch gemacht, Kandidaten für die Nachfolge ausscheidender Richter vorzuschlagen. Einer der im Mai aus den Reihen der Verfassungsrichter selbst vorgeschlagenen Richter ist Günter Spinner.
Er ist Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht und wurde einstimmig von den amtierenden Höchstrichtern vorgeschlagen. Spinner ist nun auch der Vorschlag der Union für die Nachfolge von Christ. Er war nicht die erste Wahl, ursprünglich hatten CDU und CSU Robert Seegmüller vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vorgeschlagen. SPD und Grüne hatten diesen jedoch aufgrund von öffentlichen Positionierungen zugunsten einer restriktiven Asylpolitik abgelehnt.
Mit Blick auf Spinner hat keine der vormaligen Ampelparteien Einwände erhoben. Eine Zweidrittelmehrheit erscheint dennoch als unsicher. Um diese zu erreichen, müssen entweder Abgeordnete der Linken oder der AfD den Bundesarbeitsrichter unterstützen. Alle übrigen Parteien wollen vermeiden, dass allein die Stimmen der AfD die Wahl eines neuen Bundesverfassungsrichters ermöglichen.
Ramelow: Union wird mit der Linken reden müssen
Die Linke hatte der Union jedoch Konsequenzen angekündigt, nachdem diese die Wahl ihrer Kandidatin Heidi Reichinnek in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) vereitelt hatte. Es erscheint deshalb als denkbar, dass die Fraktion Spinner die Bestätigung verweigert, weil dieser soeben Unionskandidat ist. Allerdings ist er auch Kandidat der Bundesverfassungsrichter selbst – was der Linkspartei ein Argument dafür gäbe, ihn trotz des aktuellen Konflikts mit der Union zu wählen.
Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow erklärte gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND), die Union müsse sich fragen, ob sie sich „den Luxus des Kalten Krieges noch leisten kann“. Für eine Zweidrittelmehrheit müsse die Union mit der Linken reden, „antikommunistische Allüren“ seien „jedenfalls sinnlos“.
Parteichef der Linke Jan van Aken äußerte, die Union könne „nicht ernsthaft glauben, dass wir einfach ihren Vorschlägen zustimmen, ohne dass es überhaupt ein Gespräch über die Wahl von Verfassungsrichterinnen gegeben hat“. Er forderte ein Vorschlagsrecht für seine Partei, das an die Stelle jenes der FDP treten solle. Allerdings würde das Thema erst 2033 respektive 2035 aktuell werden. Erst dann endet die Amtszeit der auf Vorschlag der Liberalen gewählten Richter.
Kritik an Kandidatinnen: Zu ideologisch für das Bundesverfassungsgericht?
Unsicherheiten gibt es auch bezüglich der Wahl der beiden von der SPD vorgeschlagenen Richterinnen. Als Nachfolgerin für Doris König hat die Partei die Potsdamer Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf nominiert. Diese gilt zwar als fachlich qualifiziert und gibt unter anderem den renommierten Dreier-Kommentar zum Grundgesetz heraus.
Auch gegen Ann-Katrin Kaufhold, Professorin für öffentliches Recht in München, gibt es Bedenken. Sie hatte als Expertin für die „Abwehr systemischer Risiken“ am Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 mitgewirkt. Dieser gilt als Grundlage für potenziell weitreichende staatliche Vorgaben zugunsten des Klimaschutzes.
Außerdem war Kaufhold Mitglied einer Expertenkommission zum Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Als solche hatte sie Enteignungen großer Wohnungsunternehmen unter bestimmten Umständen für verfassungsrechtlich denkbar erklärt.
CSU-Landesgruppenchef: Union soll trotz Bedenken Brosius-Gersdorf und Kaufhold wählen
In der „Augsburger Allgemeinen“ hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann jedoch trotz der Bedenken, die einige Unionsabgeordnete vorgebracht hatten, an die Fraktion appelliert, die SPD-Kandidatinnen zu wählen. Es wäre nichts gewonnen, so Hoffmann, wenn die SPD im Gegenzug den Kandidaten der Union scheitern ließe.
Die beiden weiteren Richter auf der Vorschlagsliste des Bundesverfassungsgerichts wären Oliver Klein, Richter am Bundesgerichtshof, und Eva Menges, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof.