Die Verwaltung der Kurstadt Bad Nauheim in der Nähe von Frankfurt überwacht das Innenstadtgebiet mit versteckten Sensoren, die von Mikrofonen bis Wärmeentwicklung reichen. Finanziert wird das zu 90% vom Hessischen Digitalministerium.

von Norbert Häring

Der parteilose Bürgermeister Klaus Kreß sieht Bad Nauheim „im Bereich Smart City auf den vordersten Plätzen auf nationaler Ebene, durch smarte Technologien und die zielgerichtete Auswertung von Daten in Echtzeit“:

„Es wird das Verhältnis von Fahrrädern zu Autos oder Lastwagen erfasst. Wo wird zu schnell gefahren? Wie wirken sich veränderte Ampelschaltungen oder Sperrungen aus? Zudem erfassen die Sensoren das Passantenaufkommen in der Innenstadt und im Kurpark – Wo ist viel los, wo entsteht viel Abfall, wo halten sich Menschen zu welchen Zeiten gerne auf, was heißt das für die Betriebe und leerstehende Ladenlokale. (…) Hinzukommend werden über Füllstandanzeigen in Müllereimern und durch die erfassten Bewegungsdaten die Tourenplanungen des städtischen Kur- und Servicebetriebs im Bereich der Abfallentsorgung und der Straßenreinigung intelligent koordiniert.“

„Das Sicherheitsempfinden der Menschen ist sensibel“, wissen die Stadtväter und setzen daher auf akustische Überwachung:

„Durch das Auswerten von Daten zu Geräuschen und Lärm können kritische Situationen frühzeitig erkannt werden. Das erhöht die Reaktionsfähigkeit der Ordnungskräfte, dient einem optimierten Ressourceneinsatz und steigert objektiv die Sicherheit der Stadt.“

Wohl damit die Menschen, die das Sicherheitsempfinden der Bad Nauheimer und der Kurgäste beeinträchtigen könnten, ihr Tun nicht von den Sensoren weg verlagern, oder diese gar zerstören, werden diese versteckt also „kaum sichtbar in der Stadt verteilt“.

Auf einer urbanen Datenplattform werden die von den versteckten Sensoren gesammelten Daten zusammengeführt, „analysiert und zielgerichtet ausgewertet“. Durch „intelligente Algorithmen“ können die Daten kombiniert und „für weitere Anwendungsfälle verfügbar“ gemacht werden.

Die Smart City-Projekte Bad Nauheims werden mit Landesmitteln über rund zwei Millionen Euro aus dem Programm Starke Heimat des Digitalministeriums, bei einer Förderquote von 90%, realisiert. Der Förderbescheid stammt von Mai 2022. Die Bad Nauheimer haben danach rund 200.000 Euro aufbringen dürfen.

Wer sich ein Bild machen möchte, wie überwiegend nutzlos für die Bürger die Informationen sind, die für etwa 2,2 Millionen Euro Steuergeld über das Tun der Bad Nauheimer und ihrer Kurgäste erfasst werden, kann sich das „Bürgercockpit“ unter smartes.bad-nauheim.de aufrufen. Daten von den akustischen Sensoren findet man dort naturgemäß nicht. Die wertet wohl nur die Polizei in Echtzeit aus. Was man mit den rudimentären Mülleimerdaten anfangen soll, ist geheimnisvoll. Die versprochenen Daten zur Luftqualität scheinen aus Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und ähnlichen Allerwelts-Wetterdaten zu bestehen.

Fazit

Smart ist lediglich ein schöneres Wort für ein (totales) Überwachungsinstrument. Das gilt für die Smart City ebenso wie für Smartphone, Smart Meter und Smart Watch. Wer würde schon in einer Überwachungsstadt leben wollen oder ein Überwachungstelefon kaufen wollen?

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Von Veritatis

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