Manche Orte auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán werden von großen Schweinemastbetrieben förmlich belagert. Ein Großkonzern profitiert, während die Bevölkerung in Maya-Dörfern an ökologischen Schäden leidet – das Trinkwasser wird knapp
Rund 800 Anlagen, in denen jeweils bis zu 50.000 Schweine gehalten werden, liegen hier, meist in einem ökologisch wertvollen Feuchtwald
Fotos: Hugo Borges/AFP/Getty Images, Hector Vivas/Getty Images
Der Gestank von Abfällen und Exkrementen war das Erste, was die Einwohner von Sitilpech wahrnahmen, als die Schweinefarm 2017 in Betrieb ging. Üble Gerüche hingen über bunten, eingeschossigen Häusern mit ihren Gemüsegärten in dem Maya-Ort auf der Halbinsel Yucatán. Was die Luft zum Atmen nahm, hat sich seither nicht mehr verzogen. Bäume hören auf, Früchte zu tragen, stattdessen sind ihre Blätter mit schwarzen Flecken übersät. Das Wasser aus dem riesigen, durchlässigen Grundwasserspeicher kommt mit einem ekelhaften Geruch aus dem Brunnen.
„Früher haben wir das Wasser für alles benutzt: zum Waschen, zum Kochen, zum Trinken, zum Baden. Jetzt ist es nicht einmal mehr gut für die Tiere. Selbst den H
Übersetzung: Carola Torti
Tiere. Selbst den Hühnern müssen wir gereinigtes Wasser geben, sonst werden sie krank“, erzählt ein Anwohner. „Die Gurken wachsen nicht richtig, der Koriander wird oft gelb. Das hier war stets eine stille, in sich ruhende Stadt, bis die Farm hierherkam.“ Sitilpech liegt am Rand eines Rings von Cenotes, wassergefüllten Einbrüchen im Kalksteinboden. Es ist eine Landschaft der Seen und unterirdischen Flüsse, die von einem Meteoriten-Einschlag vor gut 65 Millionen Jahren geformt wurde.Mega-Farmen inmitten eines ökologisch bedeutsamen FeuchtwaldesIn diesem Gebiet wird jene Mega-Schweinefarm betrieben, deren Standort nur etwas mehr als einen Kilometer von den Häusern am Stadtrand von Sitilpech entfernt liegt. Die Anlage gehört zu den annähernd 800 Farmen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf der Halbinsel Yucatán häufig inmitten eines ökologisch bedeutsamen Feuchtwaldes entstanden sind. In Anlagen dieses Typs können bis zu 50.000 Schweine auf engstem Raum gehalten werden. Exkremente, Antibiotika und verabreichte Hormone sickern unter den Gehegen durch und trocknen in Abfallseen unter freiem Himmel und in tropischer Hitze.Für die Menschen, die in der Umgebung leben, sind die Betriebe ein einziges ökologisches Desaster. In manchen Maya-Dörfern auf Yucatán kommen gut hundert Schweine auf einen Bewohner. In der Regenzeit pumpen die Farmen das Abwasser über Sprinkleranlagen ab, sodass es im porösen Kalkstein versickert. Wie die Menschen berichten, wird häufig krank, wer unter diesen Umständen noch Wasser aus der Leitung trinkt. Außerdem seien die Folgen für die biologische Vielfalt der Gegend gravierend.„Mehr als 90 Prozent der 800 Schweinemastanlagen, die es in der Region Yucatán schätzungsweise gibt, arbeiten ohne jede Art von Umwelt-Genehmigung“, kritisiert die Anwältin Lourdes Medina Carrillo. „Die Projekte wurden ohne vorherige Konsultation mit der indigenen Bevölkerung vollzogen. Sie führen früher oder später zur Zerstörung von Wäldern, die als die zweitwichtigsten des amerikanischen Kontinents eingestuft sind. Schon aus diesem Grund müsste es strenge Genehmigungsverfahren geben.“Kekén, der größten Fleischexporteur Mexikos, liefert vor allem nach Südkorea, Japan und in die USABei vielen richtet sich der Ärger gegen die mexikanische Schweinefleischmarke „Kekén“, den größten Fleischexporteur des Landes. Das Unternehmen verkauft weltweit und bedient vorrangig Märkte in Südkorea, in Japan und in den USA. Kekén ist Teil des Mischkonzerns Kuo Group, zu dem auch Firmen der Automobil- und Chemiebranche zählen. Im Vorjahr erwirtschaftete dieses Konglomerat einen Umsatz von fast zwei Milliarden Dollar, die Hälfte davon in der Sparte Schweinezucht. Dass Mastbetriebe in Mexiko derart Fuß fassen konnten, hat viel mit dem NAFTA-Freihandelsabkommen von 1994 zu tun und wurde Anfang der 2000er-Jahre beschleunigt, als die US-Gesundheitsbehörden Yucatán als „Gebiet frei von der klassischen Schweinepest“ bezeichneten. Ausfuhrbeschränkungen wurden aufgehoben, die Unternehmen erkannten die Gunst der Stunde und kamen in Scharen in die Region, um schnell viel Geld zu verdienen.Als die Mastanlagen größer wurden, kam es immer wieder zu Protesten in Sitilpech, die von der Polizei gewaltsam unterdrückt wurden. Andere Maya-Communitys haben gegen Kekén Klage eingereicht, der Oberste Gerichtshof ist eingeschaltet. Die Einwohner des Ortes Homún haben wegen einer schweren, irreversiblen Schädigung menschlicher Gesundheit und der Umwelt, verursacht durch eine Schweinemastanlage für 48.000 Tiere, geklagt. Vorgeworfen wurden den Betreibern die Verunreinigung des Wassers wie die Verbreitung gefährlicher Erreger. „Als sich das Unternehmen hier niederließ, war es traurig, zusehen zu müssen, wie damit begonnen wurde, Bäume zu fällen, die wegen der Bienenzucht sehr gepflegt wurden“, sagen Mitglieder einer Familie aus Kinchil, eine Stunde von Yucatáns Hauptstadt Mérida entfernt. „Sie fällten Bäume, die mehr als hundert Jahre alt waren und von denen wir so viel profitierten, wenn es eine Dürre gab.“Wasserverunreinigung durch E.coli- und andere BakterienAnfang 2023 kam das Umweltministerium zu dem Ergebnis, dass die Wassereinzugsgebiete rings um die Großfarmen in der Region Yucatán mit Stickstoff- und Phosphorkonzentrationen aus den Ausscheidungen der Schweine „gesättigt“ seien. Die Analyse von Wasserproben ergab die Verunreinigung durch E.coli- und andere Bakterien. Die Rede war von einer Zunahme der Darminfektionen zwischen 2012 und 2019, jener Periode also, in der die Schweineproduktion ausgeweitet wurde.Ein Sprecher von Kekén erklärte dazu, sein Unternehmen sei auf die Produktion von Schweinefleisch höchster Qualität spezialisiert und stolz darauf, einer der größten Arbeitgeber in Yucatán zu sein. Außerdem setze man Biokläranlagen ein, um das Wasser möglichst effizient zu nutzen, und helfe der lokalen Bevölkerung durch die Förderung der Landwirtschaft in nahe gelegenen Maya-Dörfern. Die Lage vor Ort vermittelt ein komplett anderes Bild.Patricio Eleisegui ist ein mexikanischer BuchautorPatrick Greenfield ist Guardian-Reporter für Biodiversität und Umwelt