Kinder haben und dabei nachhaltig sein, ist keine leichte Aufgabe. Darüber hinaus preisen Instagram und TikTok Produkte für Kinder an, die eigentlich nur einmal zu gebrauchen sind. Sollten wir nicht etwas mehr an die Zukunft denken?
Auch welche Windelform ökologisch sinnvoller ist, wird heiß diskutiert
Foto: Moodboard/Getty Images
Come nest with me!“, flötet die sehr blonde junge Frau in die Kamera. Ein Schnipsen der Finger, ein kaum sichtbarer Videoschnitt – und schon sind Hunderte Boxen und Kartons auf dem Boden des Babyzimmers verteilt. Was wir in diesem Video sehen, ist ein populärer Instagram- und Tiktok-Trend: Menschen – meist Frauen – führen vor, wie sie ihre Wohnung „stylen“. Hier geht es speziell ums Kinderzimmer, mit „nesting“ ist die Vorbereitung des Zimmers für ein Neugeborenes gemeint. Ich versuche für gewöhnlich, mich mit Kommentaren zurückzuhalten, aber hier kann ich nicht anders: Was für eine gewaltige Menge Müll!
Im Video bestückt die Frau Fach um Fach einer gewaltigen Kommode mit „Baby Essentials“. Nun bin ich ja zweifache Mutter und habe meine Kinder soweit erfolgreich großgezogen, aber die meisten dieser Produkte sind mir völlig unbekannt. Die schiere Masse dieser Dinge ließe mich verzweifeln, und es ist wohl kein Zufall, dass die Frau im Video all das Zeug originalverpackt in die Fächer sortiert – allein das Auspacken würde tagelang dauern.
Nun weiß ich, dass es unter werdenden Eltern ohnehin sehr unterschiedliche Auffassungen zu Wegwerfprodukten gibt: Die einen benutzen Baumwolllappen, die anderen Einmal-Wipes. Manche nutzen Stoff- und andere Wegwerfwindeln. Welche Windelform ökologisch sinnvoller ist, wird heiß diskutiert. Und am Ende ist all das auch und immer eine Geld- und Zeitfrage. Aber die Mehrzahl der Produkte im Video sind so offensichtlich Teil einer Wegwerfkultur, in der es für alles und jedes ein Gadget und Gizmo gibt, ein praktisches Produkt, das natürlich nur eine einzige Funktion hat. Anders als Mulltücher und waschbare Betteinlagen, Stoffwindeln oder Lätzchen kann hier nichts zweimal verwendet oder gar weiterverkauft werden.
Vielleicht stelle ich mich da albern an, aber sollten nicht gerade werdende Eltern zumindest ein wenig über die Frage der Nachhaltigkeit nachdenken? Und das gilt ja letztlich für alle Säuglingsprodukte, für Beistellbettchen und Babywippen, für Strampler und Babywagen: All diese Dinge werden verhältnismäßig kurz genutzt, sind nach der Nutzungszeit definitiv nicht abgenutzt und könnten in einen ewigen Kleinanzeigenkreislauf zurückgeführt werden. Dass ausgerechnet ein Säugling, der eigentlich noch nicht viel braucht, um zu gedeihen, einen irrsinnig großen ökologischen Fußabdruck haben soll, leuchtet mir schlicht nicht ein.
Doch zurück zu Instagram: Natürlich geht es in solchen Videos immer auch um Überwältigung. Für viele Menschen scheint es sehr befriedigend zu sein, dabei zuzuschauen, wie Produkte beräumt und sortiert werden. Das eigene Zuhause, ein kleines Warenhaus. Klar könnte man sagen: Jede, wie sie will. Wäre da nicht so etwas wie elterliche Verantwortung für die Zukunft des eigenen Kindes. Machen wir uns nichts vor: Die Welt ist zugemüllt mit Wegwerfprodukten und inzwischen sind selbst Möbel und Kinderwagen Teil einer Trend- und Wegwerfkultur; wir reden viel und kritisch über Fast Fashion – aber kaum über Fast Furniture. Dabei ist der Ressourcenverbrauch der Wegwerf- und Trendmöbel noch dramatischer. „Nach mir die Sintflut“ ist ja eher kein gutes Lebensmotto für werdende Eltern. Da erlaube ich mir, den ikonischen Simpsons-Charakter Helen Lovejoy zu zitieren: Denk doch einer mal an die Kinder!
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Mutti Politics
Marlen Hobrack ist Schriftstellerin, Journalistin, Mutter und Autorin der monatlichen Freitag-Kolumne „Mutti Politics“. Ihr Buch Klassenbeste. Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet (2022) ist gerade in einer Ausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen.