Das Amerika der 70er Jahre war weit entfernt vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, das es eigentlich immer sein wollte. Die einst großartigen Metropolen, wie New York City und Los Angeles, versanken im Chaos. Kriminalität und Armut überfluteten die Städte. Nach dem Watergate-Skandal war das Vertrauen in das Washingtoner Establishment so niedrig wie nie. Der Präsident, früher ein geradezu verehrtes Symbol für die Einigkeit der Nation, wurde nur noch mit Misstrauen betrachtet. Nach der Niederlage im Vietnamkrieg und der islamischen Revolution im Iran sank das Selbstvertrauen der mächtigsten Nation der Welt auf ein Minimum. Die wirtschaftliche Lage war seit Anfang des Jahrzehnts nahezu durchgehend katastrophal. Amerika litt unter der Stagflation, also einer Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und gleichzeitiger Inflation.
Die Politik des Landes war geprägt von Jahrzehnten des Staatsausbaus. Bereits während der Großen Depression hatte der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt eine Ära der Sozialdemokratie in Amerika begründet. Mit Roosevelts New-Deal-Programm wurde der Sozialstaat rapide ausgebaut, staatliche Bauprojekte zur künstlichen Stimulation der Wirtschaft genutzt und Staatsschulden in Milliardenhöhe aufgebaut. Roosevelt regierte dabei 16 Jahre lang, so lange wie kein Präsident vor oder nach ihm. Während seiner Amtszeit etablierte er einen überparteilichen Konsens, dass sein Sozialstaat etwas fundamental Gutes sei. Die konservative Opposition gegen den New Deal wurde immer schwächer. Als Robert Taft, das Aushängeschild der Opposition, 1953 starb, ohne je seine Präsidentschaftsambitionen erfüllt zu haben, starb mit ihm auch die gesamte konservative Opposition gegen den Ausbau des Sozialstaats.
In den nächsten Jahren galt daher: Egal, ob ein Republikaner oder Demokrat im Amt war, die Macht des Staates wurde immer weiter ausgebaut. Präsident John F. Kennedy wollte als eine Fortsetzung des New Deals ein „New Frontier“ (Neue Grenze) Programm einführen. Nach seinem Tod führte sein Nachfolger Lyndon B. Johnson den Ausbau im Rahmen seines „New Society“ (Neue Gesellschaft) Plans fort. Richard Nixon, eigentlich ein eher konservativer Republikaner, gründete während seiner Präsidentschaft zahlreiche neue Bundesbehörden, wie die Umweltbehörde EPA, die Drogenbehörde DEA und die Arbeitssicherheitsbehörde OSHA. Auch unter Nixons Nachfolger, der das Weiße Haus unrühmlich verlassen musste, wurde die Situation nicht besser.

Doch dann, nach vier Jahren des zutiefst unpopulären Jimmy Carter, beendeten die amerikanischen Wähler mit einem radikalen Schritt die Jahrzehnte der ungebremsten Sozialdemokratie. Mit der Wende des Jahrzehnts begann auch die politische Wende im Land. Ronald Reagan, der ehemalige Gouverneur von Kalifornien, errang bei den Präsidentschaftswahlen 1980 einen Erdrutschsieg. Sein Angebot an die Amerikaner: „Let’s make America great again“ (Lasst uns Amerika wieder großartig machen).
Reagan, einst Kriegsveteran und schillernder Hollywood-Star, nun begnadeter Redner und Politiker, veränderte Amerika für immer. Schon früh machte er sich einen Namen als konservative Stimme innerhalb der republikanischen Partei. 1964 unterstützte er den konservativen Barry Goldwater bei der Präsidentschaftswahl. Goldwaters Kandidatur endete in einer desaströsen Niederlage, doch Reagan machte mit seiner berühmten „Time for Choosing“-Rede (Zeit zum Entscheiden) auf sich aufmerksam. Darin machte er klar, dass die Wähler vor die Wahl zwischen persönlicher Freiheit und einer ineffizienten, immer weiter expandierenden Bürokratie gestellt seien.
Dann, 16 Jahre später, wurde Reagans Rede zu seinem Regierungsprogramm. Er machte es sich zur Hauptaufgabe seiner Präsidentschaft, die Bürokratie zurückzubauen. Dabei setzte er auf ein innovatives Konzept, das selbst heute noch Anklang findet. Bereits während seiner Zeit als Gouverneur von Kalifornien führte er ein Gremium ein, das ihn bei möglichen Haushaltskürzungen und Regulationsabbau beriet. Der Rat bestand aus Geschäftsleuten aus verschiedensten Sektoren der freien Wirtschaft. Die Leute schauten sich dann die Abläufe in den Behörden und Ämtern des Landes an und gaben Empfehlungen, wie man diese am besten effizienter machen könnte.
Innerhalb seiner Amtszeit strich Reagans Regierung tausende Seiten wirtschaftsfeindlicher Regulationen. Erstmals seit Jahrzehnten sank die Zahl der Regulationen und stieg nicht an. Gleichzeitig sollten die Bürger im Land wieder mehr von ihrem Geld behalten. Bereits in seinem ersten Jahr erließ Reagan eine historische Steuerreform. Insgesamt sank die Einkommenssteuer um 25 Prozent und die Unternehmenssteuer um 34 Prozent. Neben der Mittelklasse profitierten auch Unternehmer und Großverdiener. Während die Linken eine ungerechte Verteilung der Steuerlast beschrien, halfen die Steuersenkungen der Wirtschaft deutlich.
Bereits 1984, nur drei Jahre nach Reagans Amtsantritt, erreichte das Land ein historisches Wirtschaftswachstum von 7,24 Prozent (preisbereinigt). Ein solches Tempo hatte man seit Anfang der 50er Jahre, während des Nachkriegsbooms, nicht mehr erlebt. Die Stagnation der 70er Jahre war Geschichte. Gleichzeitig sank die Inflation, die noch im März 1980 auf historische 14,8 Prozent geklettert war, bis November 1982 auf unter 5 Prozent und blieb unter dieser Marke auch bis zum Ende von Reagans Amtszeit. Zeitweise erreichte die Preissteigerung ein Tief von nur 1,1 Prozent. Nach den turbulenten 70er Jahren, in denen es gleich zwei große Inflationswellen gegeben hatte, waren solche Zahlen für viele Bürger ein Zeichen der Stabilität.
Reagan glaubte an das Konzept der „Trickle-Down Economics“ (nach unten rieseln). Dieses besagt, dass nur indem die Unternehmer von den staatlichen Begrenzungen und Bürden erleichtert werden, die Wirtschaft wachsen kann. Der Wohlstand der Unternehmer würde dann auch in die unteren Schichten „nach unten rieseln“. Der Plan Reagans ging auf. Die Wirtschaft erlebte einen historischen Boom. Nach den düsteren 70er Jahren war in Amerika ein neuer Morgen angebrochen. Mit diesem Spruch („It’s morning again in America“) bewarb sich Reagan um eine zweite Amtszeit, im Jahr 1984. Die Wahl dominierte er; Reagan gewann jeden der 50 Bundesstaaten, bis auf einen.
Reagan schaffte es, im Land kontroverse Reformen durchzusetzen, auch gegen den Widerstand der meisten Washingtoner Politiker. Viele seiner Neuerungen musste er nämlich auch durch den Kongress bringen, der mehrheitlich durch die Demokraten kontrolliert wurde. Diese sträubten sich mit allen Mitteln gegen Reagans Pläne.
Doch der ehemalige Schauspieler entdeckte ein neues Mittel für sich. Wie kein anderer vor ihm setzte Reagan auf Fernsehansprachen. Wenn er beispielsweise mal wieder ein neues Gesetz einführen wollte, das wenig Chancen auf Durchgang im Kongress besaß, ging er, anstatt in den Hinterzimmern einen Deal mit den Demokraten auszuhandeln, direkt vors Volk. In einer Fernsehansprache aus dem Oval Office stellte er dann seine Pläne klar und transparent vor, sodass sich die Bürger ein eigenes Bild von der Sache machen konnten.
So umging er die linksliberale Presse des Landes und ließ seine Vorschläge in einem positiven Licht erscheinen. Seine gekonnte Rhetorik und sein präsidiales Auftreten halfen ihm dabei. Durch diese Methode baute er massiven Druck auf den Kongress auf. Viele Abgeordnete fürchteten aufgrund der massiven Popularität Reagans um ihren Sitz bei den nächsten Wahlen und wurden so letztlich zur Kooperation mit dem Präsidenten bewegt. Nur so konnte er beispielsweise seine Steuerreformen durch die demokratische Mehrheit im Kongress bringen.

Reagan hatte mit seinen häufigen Fernsehansprachen und seinem Regierungsstil nach und nach das Vertrauen in das Amt des Präsidenten gestärkt. Doch das war nicht die einzige Sache, die sich bei den Amerikanern während seiner Zeit änderte. Das Land stabilisierte sich deutlich. Reagan hatte eine Law-and-Order-Haltung ins Weiße Haus gebracht. Dem folgten auch viele Gouverneure in den Bundesstaaten, die anfingen, rigoros gegen die grassierende Kriminalität durchzugreifen. Dank der zusätzlichen wirtschaftlichen Chancen sanken sowieso deutlich weniger Menschen in die Kriminalität ab.
Doch das Land erlebte auch eine spirituelle Rückbesinnung. Zum einen wurde für viele Religion wieder zu einem integralen Bestandteil ihres Lebens. Während Reagans Amtszeit erlebten viele Fernsehprediger ihren Aufstieg. Reagan selbst war dabei ein Spiegelbild seiner Zeit. Tief religiös nahm er immer wieder Bezug auf Gott und prägte die Vorstellungen vom amerikanischen Patriotismus. Mit wirtschaftlichen Erfolgen und außenpolitischen Errungenschaften, vornehmlich dem einsetzenden Ende des Ostblocks, waren viele Amerikaner wieder zunehmend überzeugt von ihrem eigenen Land. Während der 80er Jahre entstand wohl das noch heute gültige Klischee vom amerikanischen Patriotismus: Er ist schrill, laut und selbstbewusst.
Reagan schaffte es, das Land auf fast schon wundersame Weise zu vereinen. Mit seinen Reformen, die als „Reagan-Revolution“ bekannt wurden, prägte er das Land für Jahrzehnte. Nicht nur die republikanische Partei war für immer verändert, sondern auch die Demokraten mussten sich wandeln. Als in den 90er Jahren der Demokrat Bill Clinton den Wohlstand der Reagan-Jahre weiter ausbaute, führte er eine für seine Partei untypische Wirtschaftspolitik. Er reformierte den Sozialstaat und sparte im Haushalt, führte eine Politik, die wohl näher an Reagan, als an Jimmy Carter lag.
Reagans Reformen machten aus einem Land am Boden wieder den wahren Vorreiter der freien Welt. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde Amerika für mehrere Jahrzehnte sogar die einzige Weltmacht. Bis heute ist Reagan neben Lincoln das Vorbild der meisten Republikaner. Bei den vor kurzem stattgefundenen Präsidentschaftswahlen gingen viele Bürger an die Wahlurnen, mit der Hoffnung, dass die Republikaner das Land wie schon 1980 weitreichend reformieren können und erteilten ein klares Mandat.