In China ist die Zeugung eines Mäusebabys mit zwei Vätern gelungen. Wird die uralte Vorstellung der Jungfernzeugung damit Realität? Und wo soll diese Entwicklung enden?
Chinesischen Forschern ist es mithilfe von Stammzellentechnologie gelungen, Mäuse mit zwei Vätern, aber ohne mütterliches Erbgut zu züchten
Collage: der Freitag. Material: iStock/MidJourney
Dass es Menschen nicht mehr unbedingt miteinander treiben müssen, um sich fortzupflanzen, ist seit über 50 Jahren, wenn nicht Standard, so doch eine teure Möglichkeit. Und was haben gebärneidische Männer nicht alles unternommen, um die Nachwuchshoheit endlich aus den Klauen der Frauen zu befreien! Antike Phantasien kann man im Alten Museum in Berlin besichtigen, sie haben unendlichen Niederschlag gefunden in der Literatur und, wissenschaftlich gestählt, in der Forschung. Künstliche Befruchtung, Leih- oder gläserne Gebärmütter, die Angebote werden immer vielfältiger.
Dabei geht’s aber meist um die Hardware. Zeus musste auch immer irgendwelche weibliche Halbwesen beglücken, um seinen Samen in die Welt zu bringen, wahrscheinlich wäre ihm eine Art umstandsloser Replikation lieber gewesen. Sicher hätte er auch, wenn er gekonnt hätte, irgendeinen männlichen „Genhalter“ mit in den Olymp genommen für die eingeschlechtliche Fortpflanzung. Damit auch nichts weiblich verseucht wird.
Genau daran arbeiten Forschungsteams seit einem Jahrzehnt, nicht nur in China, sondern auch in Japan und anderswo. Immer mal wieder erreichen uns Meldungen, dass Mäusejungen (was auch sonst?) mit zwei Vätern geboren wurden. Man muss sich das als eine Art Baukasten vorstellen: Man räumt einer Eizelle das weibliche Erbgut aus und befruchtet sie mit manipuliertem männlichem Erbgut.
Missglückte Versuche mit zwei Mäusevätern
Bisher sind die Versuche immer gescheitert, denn es kam nichts Gescheites dabei heraus: Selbst wenn ein Wesen auf die Welt kam, starb es ziemlich schnell wieder ab. Bei Säugetieren mit einer Plazenta sind männliche und weibliche Ausprägungen bestimmter Gene (Imprinting) notwendig, um überlebensfähige Wesen hervorbringen. Bisher ist es lediglich gelungen, Nachwuchs aus zwei weiblichen Tieren zu züchten.
Mit den Möglichkeiten der Genschere CRISPR-Cas haben sich die Interventionsmöglichkeiten erweitert. Einer chinesischen Forschungsgruppe um den Stammzellforscher Wei Li ist es nun gelungen, einige genetische Anlagen des männlichen Materials so „zuzuschneiden“, das heißt bestimmte markierte Gene ein- bzw. auszuschalten, dass sich von den ursprünglich 164 transferierten Embryonen sieben Mäusebabys entwickelten, die nicht schon sofort nach der Geburt verendeten, sondern das Erwachsenenalter erreichten.
Dazu war es nötig, einiges aus dem männlichen Erbgut zu eliminieren und es, wenn man so will, „weiblicher“ zu machen. Dumm nur, dass die so produzierten Mäuse einige Anomalien aufwiesen: sie waren ungewöhnlich groß, ihre Lebensdauer war kürzer als gewöhnlich und sie konnten sich nicht fortpflanzen. Wei Li, der der Chinesischen Akademie der Wissenschaften angehört, ist schon 2018 mit ähnlichen, aber missglückten Versuchen mit zwei Mäusevätern in Erscheinung getreten.
Ethisch ist die Manipulation von Genen höchst problematisch
So genannte Jungfernzeugung (Parthenogenese) findet man in der Natur häufiger, Fische oder einige Honigbienen etwa benötigen keinen lästigen Sex, um sich fortzupflanzen. Beim so genannten Genome Editing mit Stammzellen von Säugetieren geht es, wie die Forschenden versichern, vor allem um Erkenntnisse zur embryonalen Entwicklung und zum Einfluss bestimmter Genausprägungen etwa bei der Entstehung genetischer Krankheiten. Theoretisch könnte dies irgendwann auch Paaren, die zusammen nicht fruchtbar sind oder transgeschlechtliche Menschen zu Nachwuchs verhelfen.
Ethisch ist die Manipulation von Genen jedoch höchst problematisch, vor allem, weil völlig unklar ist, welche Folgen sie für die auf diese Weise entstehenden Individuen hätte, wie sich bereits aus den Mäuseexperimenten ablesen lässt. Während die Stammzellforscher therapeutische Interventionen im Sinn haben, träumen Transhumanisten davon, durch die Anpassung geprägter Gene die natürlichen Fortpflanzungsbarrieren zwischen den Arten zu überwinden und die Evolution gezielt zu manipulieren. Das hätte unabsehbare und irreversible Folgen für die Biodiversität und das Gleichgewicht von Ökosystemen.
Den berühmtesten Fall einer Parthenogenese hält bekanntlich das Christentum bereit mit dem aus einer Jungferngeburt hervorgegangenen Jesus. Wäre er fruchtbar gewesen, hätte die monotheistische Religion ein Problem gehabt. Auch bei den eingeschlechtlichen Mäusen benötigten die Forscher noch Eizellen. Ganz ohne ein Stück Frau geht’s offenbar noch nicht.