Endlich eine gute Nachricht für die Theaterwelt: Matthias Lilienthal wird neuer Intendant der Volksbühne. Nach Stationen am Berliner HAU und den Münchner Kammerspielen kehrt der Dramaturg damit zurück an die Volksbühne
Der Dramaturg Matthias Lilienthal
Foto: Imago/epd
Kann er das „Riesending in Mitte“ in die Zukunft retten – oder wird er dessen einzigartigen Ruf verspielen? Hop oder top, berühmt oder vergessen – was wird es sein? Angetan von der Berufung Matthias Lilienthals zum Intendanten der Berliner Volksbühne sind die meisten Fachleute: Das schlingernde Schiff bekommt einen erfahrenen Kapitän. Es war nach dem überraschenden Tod des Autors, Regisseurs und Intendanten René Pollesch ein Jahr lang ohne kulturpolitischen Einfluss geblieben, konnte als einziges der großen Hauptstadttheater heftige Etatkürzungen Ende 2024 nicht gänzlich abwehren.
Zwei Millionen Euro Fördergelder weniger hat der neue Amtsinhaber, weitere Einschnitte sollte er verhindern. Diesen Kurs zu finden, dürfte
ürzungen Ende 2024 nicht gänzlich abwehren.Zwei Millionen Euro Fördergelder weniger hat der neue Amtsinhaber, weitere Einschnitte sollte er verhindern. Diesen Kurs zu finden, dürfte nicht einfach sein in einem politischen Klima, das den Kahlschlag als alternativlos verkauft. Mit der Besetzung fährt der ob seiner planlosen Sparpolitik heftig kritisierte Kultursenator Joe Chialo kurz vor der Bundestagswahl noch einen Erfolg ein. Er verdankt ihn einem theaternahen Beratergremium, das Lilienthal empfahl.Matthias Lilienthal ist in Berlin bestens bekannt: In der Stadt aufgewachsen, kam er nach Stationen in Wien und Basel 1991 als Chefdramaturg mit dem legendären Intendanten und Regisseur Frank Castorf an eben das Haus, das er ab 2026 leiten wird. Schon im Jahr 1998 verabschiedete er sich von der Volksbühne, um in aller Welt zu kooperieren und Festivals zu kuratieren. Ab 2003 führte er, erneut in Berlin, mit dem HAU Hebbel am Ufer eine neue Theaterinstitution.Lilienthal und sein Team banden bekannte Performancegruppen wie Rimini Protokoll oder Gob Squad ans Haus, programmierten international, gingen aber auch auf Communitys in der Nachbarschaft zu. Mit diesem Konzept prägte Matthias Lilienthal das Theater weit über den deutschsprachigen Raum hinaus, so wie schon während seiner Zeit an der Volksbühne, in der er Christoph Schlingensief entdeckte und den Musiktheater-Regisseur Christoph Marthaler mit etablierte.Matthias Lilienthal macht an der Volksbühne die „Drecksarbeit“2015 wechselte er nach München, an die traditionsreichen Kammerspiele – und eckte mit seinen Ideen und seiner Person an. Performance statt Sprechtheater, das war so schlecht gelitten wie der Hausbesetzer-Charme des Berliners, der konsequent T-Shirt und Kapuzenjacke trägt. Nach nur fünf Jahren war in München Schluss, Matthias Lilienthal arbeitete wieder als freischaffender Dramaturg und Kurator.In Berlin gestaltete er zuletzt Performing Exiles, ein Festival, das drängende zeitgenössische Fragen künstlerisch aufgriff und atmosphärische Räume zum Zusammenkommen bot. Im Mai 2024 erst wurde er als neuer Leiter der Lessingtage am Hamburger Thalia Theater ab 2026 vorgestellt. Doch die Riesenchance in Mitte lockte: Nach einer Ausgabe des Festivals parallel zu seinem Amtsantritt in Berlin wird sich Lilienthal ganz der Volksbühne widmen.Dort ist er für die „Drecksarbeit“ vorgesehen, wie die Choreographin Florentina Holzinger bei der Pressekonferenz scherzhaft sagte. Auch sie, die mit ihren am Entertainment geschulten, feministischen Performances wie Ophelia’s Got Talent oder Sancta den 800-Plätze-Saal zuverlässig ausverkauft, hatte sich beworben – aber zugunsten ihrer künstlerischen Karriere zurückgezogen.Matthias Lilienthal muss nun die Bedingungen schaffen, unter denen Holzinger, die neben der Choreographin Marlene Monteiro Freitas seinem neu geschaffenen Artistic Board angehört, und andere Gäste produktiv arbeiten können. Da gilt’s, ein Riesending zu stemmen. Gutes Gelingen!