Donald Trump träumt laut von einer Übernahme Grönlands durch die USA. Die Bevölkerung der Insel – sie zählt nur gut 57.000 Menschen – ist nicht amüsiert. Sie könnte sich durch ein Unabhängigkeitsreferendum zur Wehr setzen
Das Vorkommando. Donald Trump junior ist am 7. Januar auf dem Airport von Nuuk gelandet
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Was tun, wenn man schon einen Wolkenkratzer mit eigenem Namen besitzt und wieder im Weißen Haus residiert? Für Donald Trump lag die Antwort nahe: Man kauft einfach die größte Insel der Welt. Es schien durchaus ernst gemeint, als er Anfang des Jahres erklärte, Grönland von Dänemark kaufen zu wollen. Wobei der US-Präsident auch militärische Gewalt nicht ausschließen wollte. Dänische Politiker reagierten düpiert und wiesen das „Angebot“ zurück.
Kurz darauf traf Donald Trump jun. zu einem Besuch auf der Insel ein, offiziell eine private Reise des selbsterklärten Naturliebhabers. Grönlands geopolitischer Wert und sein Ressourcenreichtum stehen außer Frage. Mancher träumt offenbar vom Zugriff auf eine
auf der Insel ein, offiziell eine private Reise des selbsterklärten Naturliebhabers. Grönlands geopolitischer Wert und sein Ressourcenreichtum stehen außer Frage. Mancher träumt offenbar vom Zugriff auf eine Schatzinsel im hohen Norden. Steht ein arktischer Goldrausch bevor? Schon im Zweiten Weltkrieg hatten die USA eine Militärbasis auf Grönland errichtet. Nach wie vor gilt die Insel als strategisch wertvoll, gegen Rivalen wie Russland und China erst recht.Grönland und seine BodenschätzeNaaja Nathanielsen hält einen rötlich schimmernden Stein in der Hand: „Ein Rubin aus einer grönländischen Mine.“ Sonnenlicht fällt in ihr Büro im Zentrum der Hauptstadt Nuuk. Nathanielsen – 48 Jahre alt, blond gefärbte Haare, Turnschuhe – ist Rohstoffministerin und Mitglied der linken Partei Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft der Inuit). Seit ihrem Wahlsieg 2021 stellt diese Gruppierung den Ministerpräsidenten. „Grönland besitzt viele Mineralien, die für die grüne Energiewende entscheidend sein könnten“, sagt Nathanielsen. Neben Gold, Silber, Zink, Titan und Diamanten gehörten dazu auch Seltene Erden. China gehört zu einem der Hauptabnehmer dieses strategisch wichtigen Rohstoffs.Laut Nathanielsen zählt Grönland nicht eben zu den billigsten Orten, um Bergbau zu betreiben. Doch es gibt von den Bedingungen her einige Vorteile: eine stabile Demokratie, kaum Korruption, gute Beziehungen zu den Nachbarländern. „Die Menschen hier stehen dem Bergbau sehr positiv gegenüber, solange man sich an Regeln und Vorschriften hält.“ Die Hürden für Bergbau-Unternehmen sind hoch. Man kann kein Land besitzen, sondern es lediglich von der Regierung pachten, es gibt strikte Umweltstandards sowie eine kritische Zivilgesellschaft, die dem Staat und der Wirtschaft auf die Finger schaut. Die Offshore-Ölförderung ist verboten. Kritiker werfen der Regierung vor, Investoren durch zu viele Regulierungen abzuschrecken.Ein extrem schwieriges TerrainTatsächlich sind die meisten großen Firmen in Staatsbesitz, die kritische Infrastruktur wird von der Regierung kontrolliert. Das ist vorrangig den logistischen Herausforderungen dieses riesigen, dünn besiedelten Landes geschuldet. Grönland ist 14-mal größer als Deutschland und zu 81 Prozent von Eis bedeckt. In den eisfreien Gegenden leben gerade einmal 57.000 Menschen, deren Siedlungen sich entlang der Küste wie eine Perlenkette ziehen.Die jüngsten US-Avancen wecken bei einigen Inselbewohnern Erinnerungen an die Kolonialzeit. Als die Dänen im 18. Jahrhundert auf der Insel landeten, musste sich die indigene Bevölkerung der Inuit unterordnen, den christlichen Glauben annehmen und auf traditionelle Riten verzichten. Seit der Kolonialstatus 1953 endete, haben sich die Grönländer partiell mehr Selbstständigkeit erworben. In Referenden stimmten sie für einen Autonomiestatus, der ab 1. Mai 1979 zum Tragen kam. Beeinflusst wurde das durch den 1973 erfolgten Beitritt Dänemarks zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG. Wegen der negativen Auswirkungen auf die Fischereirechte führte das in Grönland zu Widerstand und stärkte den Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Heute entscheiden allein in der Verteidigungs- und Finanzpolitik weiterhin dänische Politiker. Mancher davon hat nie einen Fuß auf grönländischen Boden gesetzt.Der Wunsch nach Unabhängigkeit wächstDabei ist das Verhältnis zu Kopenhagen ziemlich komplex. Einerseits beklagen sich viele Grönländer über die „Qallunaat“, die Dänen. Gerade die jüngere Generation hinterfragt selbstbewusster die Geschichte und den von Kopenhagen gern verbreiteten Mythos, man sei ein „guter Kolonisator“ gewesen. Auf TikTok zeigen die Einheimischen traditionelle Gesichtstätowierungen, viele Rockbands singen ausschließlich auf Grönländisch. Andererseits bleibt die Insel wirtschaftlich stark von der früheren Kolonialmacht abhängig. Rund die Hälfte des Staatshaushalts besteht aus von Dänemark geleisteten Subventionen. Dies bietet Stabilität und Planungssicherheit, doch wächst in der Bevölkerung der Wunsch nach Unabhängigkeit. Viele träumen davon, die Subventionen schrittweise durch Einnahmen aus dem Bergbau zu ersetzen, selbst wenn das nicht ohne Weiteres zu leisten ist.„Wer denkt, es sei einfach, hier zu arbeiten, der irrt sich“, sagt Taatsi Olsen, während er durch eine Lagerhalle am Stadtrand von Nuuk führt. Zelte, Generatoren und Küchenutensilien stapeln sich auf Regalen. Olsen, 32 Jahre alt, Pferdeschwanz, markantes Gesicht, arbeitet für eine Firma, die Minenbetriebe bei Erkundungen unterstützt. Konkret heißt das: Boote chartern, Camps errichten, Personal bereitstellen. Alle Kunden kommen aus dem Ausland, meist sind es große Bergbaukonzerne aus Kanada oder der EU. Olsen geht zu einem Metallschrank, öffnet die Tür und nimmt ein Gewehr heraus. „Kaliber 30/06. Wenn sich ein Eisbär nähert, geben wir zwei Warnschüsse ab“, sagt Olsen, der auch als Schießlehrer ausgebildet ist. „Falls sich das Tier weiter nähert, müssen wir schießen.“Herausforderungen für den BergbauNicht nur Raubtiere stellen in der arktischen Einöde eine Herausforderung dar. Wegen des Klimas sind Erkundungsprojekte nur in den Sommermonaten möglich, wobei die Temperaturen selbst dann unter den Gefrierpunkt fallen können. Aber auch die Entfernungen machen den Bergbau zu einem logistischen Kraftakt. Stolze 2.670 Kilometer liegen zwischen der Nord- und der Südspitze. Straßen zwischen den Siedlungen gibt es nicht – von einer Eisenbahntrasse ganz zu schweigen. Geologische Studien, Probebohrungen und der Genehmigungsmarathon – all das kann Jahre in Anspruch nehmen. Die Aussichten, dass tatsächlich eine Mine in Betrieb geht, sind gering. Auf weniger als ein Prozent beziffert Olsen die Erfolgsquote. Derzeit würden nur zwei Minen halbwegs rentabel betrieben.Thema Unabhängigkeit dürfte Parlamentswahlen bestimmenDoch könnte der Klimawandel dem Bergbau Auftrieb geben. Die Arktis erwärmt sich schneller als der Rest der Welt. Laut einer Anfang 2024 im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten Studie hat Grönland in den zurückliegenden Jahren zwanzig Prozent mehr Eis verloren als bisher angenommen. Häufig wird die Insel als „Ground Zero des Klimawandels“ bezeichnet, der das traditionelle Leben der Inuit gefährdet. Zugleich ermöglichen mildere Temperaturen eine zaghafte Landwirtschaft im Süden. Eine Tourismusbranche bietet arktische Segeltouren an. Schließlich legt das große Schmelzen zuvor unzugängliche Regionen für den Bergbau frei, Schiffe können potenzielle Abbaugebiete über längere Zeiträume hinweg ansteuern.Der Kampf um Einfluss in der ArktisIm Jahr 2020 eröffneten die USA ein Konsulat in Nuuk. Bereits 2019, während seiner ersten Präsidentschaft, hatte Donald Trump vorgeschlagen, Grönland zu kaufen, was Dänemark damals schon klar ablehnte. Im Mai 2024 eröffnete die EU ebenfalls ein Büro in Nuuk, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte Grönland zum Terrain für Europas grüne Wende. Auch China verfolgt mit einer „arktischen Seidenstraße“ strategische Interessen in der Region. „Der Bergbausektor ist rund um die Welt mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verbunden, das sollte eine Warnung für uns sein“, meint Sara Olsvig, die Vorsitzende des Inuit Circumpolar Council, der internationalen Vertretung der Inuit.Olsvig sitzt in ihrem Büro in Nuuk, an den Wänden hängen altmodische Harpunen, Karten und Schwarz-Weiß-Fotos. Die Organisation steht für gut 150.000 Inuit in den USA, in Kanada, Grönland und Russland. Nicht bei allen Bergbauprojekten sei die Bevölkerung ausreichend über Folgen informiert gewesen, moniert Olsvig. Besonders ausländische Unternehmen sieht sie in der Verantwortung. Aktivitäten in der Arktis müssten die Rechte der indigenen Bevölkerung ausdrücklich respektieren. Die Entscheidung über ihre Zukunft gehöre allein hierher, nicht nach Kopenhagen, Washington oder Brüssel. Seit 2009 kann die Insel per Referendum die Souveränität erklären. Im April stehen Parlamentswahlen an, das Thema Unabhängigkeit dürfte sie prägen.Premier Mute Egede bringt die Meinung vieler auf den Punkt: „Wir wollen weder Dänen noch Amerikaner sein – wir wollen Grönländer sein.“ Technisch wäre nach einer Unabhängigkeit vieles denkbar, auch ein Anschluss an die USA. Doch warum sollte man eine soeben errungene Eigenständigkeit wieder preisgeben? Das erscheint trotz aller externen Begehrlichkeiten kaum denkbar.