Die französische Hauptstadt erlebte einen Akt des Pseudo-Aktivismus, um nicht defensiv in Schockstarre angesichts des US-amerikanischen Handelns verharren zu müssen. Ein EU-Gipfel aller 27 Mitgliedsstaaten wurde tunlichst vermieden


Emmanuel Macron begrüßt Olaf Scholz in Paris

Foto: Abacapress/Imago


In Schockstarre verharren wollten sie nicht, aber das war’s dann auch schon. Beim informellen Treffen einiger europäischer Regierungschefs, von NATO-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen handelte es sich um keinen Sondergipfel der EU, wie das am Wochenende verschiedentlich suggeriert wurde. Der wurde tunlichst vermieden. Statt 27 trafen sich nur sieben EU-Regierungschef und Britanniens Premier Keir Starmer – aus Osteuropa war nur Polen dabei.

Potentielle Störer wie die Slowakei oder Ungarn blieben suspendiert. Sie hätten den Nachweis erbracht, dass es beim „vereinten Europa“ alles andere als vereint zugeht beim Thema Ukraine und der Frage, wie man auf die USA reagieren soll, wenn die mit Russland verhandeln, obwohl sie eine Rückkehr zur Diplomatie für unumgänglich halten.

Noch ist völlig offen, ob und wie es gelingt, diesen Konflikt einzufrieren

Paris erlebte einen symbolischen Akt des Pseudo-Aktivismus, um nicht in defensivem Abwarten schlucken zu müssen, was die Amerikaner unternehmen. Dabei sind die Europäer noch nicht einmal als Sekundanten gefragt. Warum auch, wenn Washington und Moskau zunächst einmal ihre Beziehungen wiederherstellen wollen. Dazu allerdings hätten sich Olaf Scholz oder Emmanuel Macron gegenüber Russland längst durchringen können, ohne der Ukraine weh zu tun, vielleicht deren Regierung, dem Land aber nicht.

Was dieses Pariser Treffen schuldig blieb, das waren politische Lösungsvorschläge, um den Ukraine-Krieg zu beenden und über eine europäische Sicherheitsordnung nachzudenken. Die wird schließlich gebraucht, wenn der europäische Kontinent nicht länger in einem permanenten Spannungs- oder Vorkriegszustand verharren will. Stattdessen boten sich Großbritannien oder die Niederlande als Truppensteller an.

In diesem Stadium noch nicht einmal begonnener russisch-amerikanischer Sondierungen wirkte das wie ein verzweifeltes Manöver, politisch im Geschäft zu bleiben. Noch ist völlig offen, ob es überhaupt gelingt, den kriegerisch ausgetragenen Konflikt zwischen Kiew und Moskau einzuhegen und dann einzufrieren. Erst wenn dieses Stadium erreicht ist, wird die Frage zu beantworten sein, ob etwa eine entmilitarisierte Zone überwacht werden muss und wenn ja, wie.

Europa sollte sich zunächst zu einem politischen Kassensturz durchringen

Eines liegt dabei auf der Hand: Russland dürfte kein Interesse daran haben, dass Militärverbände aus NATO-Staaten in der Ukraine stationiert werden, die schließlich nicht außerhalb der NATO-Strukturen disloziert würden, sondern in Abhängigkeit davon. Die NATO bliebe das strategische Rückgrat eines solchen Engagements, die Ukraine würde zwar nicht offiziell, aber über informell integriert. Und das sehr viel mehr und irreversibler, als das bereits der Fall ist. Welchen Sinn hatten drei Jahre Krieg für Russland, würde das hingenommen?

Nein, es führt kein Weg daran vorbei, dass sich der pro-ukrainische Teil Europas zu einem politischen Kassensturz durchringt, der nichts ausklammert. Am Anfang sollte die Erkenntnis stehen, dass der Ukraine-Krieg mit einer Niederlage des Westens endet. Er hat viel investiert, sodass diese Auseinandersetzung zu einem Realitätstest für die eigene Macht wurde. Dass der gescheitert ist, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es missgelungen ist, Russland international zu isolieren.

Und wer wollte ausschließen, dass viele Staaten des globalen Südens nichts dagegen einzuwenden haben, dass dem Westen die Lektion zuteilwird, sich überschätzt zu haben? Natürlich kann man diese Niederlage weiter hinauszögern, nur sind eben die USA nicht mehr bereit, das wie bisher mitzutragen. Europäische Regierungschefs am Katzentisch der internationalen Diplomatie können daran – vorerst – nichts ändern.



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Von Veritatis

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