Noch ist kein Konsens über die eigentlich angestrebte Phase II in Sicht. US-Unterhändler Steve Witkoff will daher die abgelaufene erste Phase der Feuerpause während des gesamten Ramadan beibehalten und bis zum 20. April verlängern
Fastenbrechen in den Ruinen von Gaza
Bashar Taleb AFP / Getty Images
Vor Tagen lief die erste Stufe des noch von der Biden-Regierung vorangebrachten Deeskalationsabkommens zwischen Israel und der Hamas aus, das einen umfangreichen Gefangenenaustausch ermöglicht hat. Gleichzeitig begann der Ramadan, den die Bewohner des Gazastreifens einigermaßen würdig begehen, soweit es die Umstände erlauben. Wie in muslimischen Ländern üblich, bietet die zivile Verwaltung der Hamas für Bedürftige ein öffentliches Mahl an. Auf Videobildern sieht man eine sich zwischen Trümmerbergen bis zum Horizont ziehende Straße mit einer Festtafel, an der Tausende obdachlos gewordene Frauen, Kinder und Männer Platz genommen haben – für den „Iftar“, das Fastenbrechen. Auch für Beleuchtung und Musik ist gesorgt. Wahrzunehmen ist eine beeindruckende Demonstration verbliebener Organisationskraft.
Derart friedliche Bilder könnten bald wieder verschwinden, weil es höchst ungewiss ist, ob die zweite Stufe der Waffenruhe überhaupt zustande kommt. Im Gegenzug für die Freilassung aller Geiseln wäre der endgültige Abzug israelischer Truppen fällig. Die Regierung in Jerusalem behauptet, dass die Hamas Hilfsgüter gestohlen habe und „zur Finanzierung ihrer Terrormaschine“ nutze. Deshalb ließ sie den Grenzübergang zwischen Rafah und Ägypten bereits wieder schließen, weshalb sich dort erneut die Lastkraftwagen stauen.
Der von Donald Trump als Unterhändler entsandte Steve Witkoff hat vorgeschlagen, die abgelaufene erste Phase der Feuerpause während des gesamten Ramadan beizubehalten und bis zum 20. April, dem Ende des jüdischen Pessachfestes, zu verlängern. Dafür sollten sofort alle Geisel freigelassen werden. Da ihr das keine verlässlichen Friedensaussichten garantiert und faktisch auf eine Kapitulation hinausläuft, lässt sich die Hamas bislang auf einen solchen Deal nicht ein.
Hunger als Waffe
Prompt hat Verteidigungsminister Israel Katz angedroht, dass man die „Tore zu Gaza weiter geschlossen halten, die zur Hölle aber öffnen“ werde. Außerdem würde die Wasser- und Stromversorgung wieder eingestellt. Mit anderen Worten: Hunger wäre erneut als Waffe eingesetzt. Ein grober Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, was Proteste der Vereinten Nationen und vieler Staaten, inklusive Deutschlands, hervorrief.
Für eine weitere Welle der Gewalt stehen bereits aus den USA gelieferte schwere Bomben zur Verfügung, die das Tunnelsystem der Hamas stärker als bislang beschädigen könnten. Sie einzusetzen, würde freilich ebenso das Leben der verbliebenen Geiseln in Gefahr bringen, was ihren Familien und Unterstützern klar ist. Am 2. März blockierten daher Hunderte die Straße vor der Residenz von Premier Benjamin Netanjahu. Sie wollten ihn zwingen, seine Akzeptanz der zweiten Stufe zu verkünden. Ein Plakat wandte sich direkt an den amerikanischen Präsidenten: „Lieber Trump – mache dem Krieg ein Ende und rette die Geiseln! Sie dürfen nicht sterben!“
Am 4. März nun kamen in Kairo Gesandte der muslimischen Staaten zusammen, um sich über den Wiederaufbau und die Verwaltung des Gazastreifens nach einem möglichen Friedensschluss zu verständigen. Bisher ist vorgesehen, dass ein vorwiegend aus Soldaten arabischer Länder bestehendes Korps die Herrschaft der Hamas ablöst, das Gebiet sichert und eine Administration einsetzt. Diese Sicherheitsstruktur soll durch eine Reihe von Staaten, darunter die USA, kontrolliert werden.
Wie stark der Druck aus dem Weißen Haus auf die israelische Regierung ist, bleibt unklar. Immerhin ließ Außenminister Gideon Sa‘ar ebenfalls am 4. März in der Jerusalem Post verlauten, dass man bei einer Aussicht auf die Freilassung aller Geiseln und eine völlige Gaza-Demilitarisierung zum Eintritt in die zweite Phase bereit sei. Dass die arabischen Staaten seit Jahrzehnten auf die Gewalt gegen Palästinenser nicht mehr mit kriegerischen Mitteln antworten und das auch während des Gazakriegs so handhabten, könnte Israel als Chance für seine dauerhafte Existenz begreifen und kompromisswilliger stimmen.