Drei Jahre hat es keine entscheidende Verschiebung der Fronten mehr in der Ukraine gegeben. Man kann von dem US-Präsidenten und seinem Vize halten, was man will: Aber im Hinblick auf den Ukrainekrieg ist jetzt ein Waffenstillstand möglich


US-Präsident Donald Trump und sein Vize J.D. Vance

Foto: Adam Gray/AFP/Getty Images


Man kann über den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump und seinen Vizepräsidenten denken, was man will, aber die beiden haben nicht nur Unrecht. Wie lange sollen denn das Töten, die Vernichtung von Existenzen, die Zerstörung von Infrastruktur sowie die Schädigung des Klimas im Krieg in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg noch andauern?

Drei Jahre lang hat es nach den ersten hektischen Kriegsmonaten keine entscheidende Verschiebung der Fronten mehr gegeben. Das noch immer bestehende Angebot von Trump an Wolodymyr Selenskyj beinhaltet eine ambivalente Botschaft: Selenskyj braucht sich in den USA nicht mehr sehen zu lassen, wenn er nicht mit einer vorher deutlich erklärten Bereitschaft zu einem Einfrieren der Kampfhandlungen und einem Waffenstil

kyj beinhaltet eine ambivalente Botschaft: Selenskyj braucht sich in den USA nicht mehr sehen zu lassen, wenn er nicht mit einer vorher deutlich erklärten Bereitschaft zu einem Einfrieren der Kampfhandlungen und einem Waffenstillstand als Voraussetzung für Friedensverhandlungen zurückkommt – ohne die Erwartung eines militärischen Schutzschirms durch US-Militär. Wenn er dieser von Trump geäußerten Erwartung aber entspricht, dann wäre auch ein Abkommen über die gemeinsame Erschließung und den Abbau der Rohstoffe auf der Grundlage des vorliegenden Vertragsentwurfs möglich. Dies war eine klare Ansage, die auch die Grundlage des Plans für das historische Streitgespräch im Oval Office Ende Februar gewesen war. Dies war kein spontaner Streit, sondern eine vorher von Trump und J.D. Vance geplante und arrangierte Gesprächssituation im Sinne einer Reality-Show im US-Fernsehen. Selenskyj drückt bereits sein Bedauern ausDie US-amerikanische Regierung und weite Teile der amerikanischen Bevölkerung sind den Krieg und das Verpulvern der US-Milliarden leid. Auch will man keine direkte Konfrontation von Russland und den USA riskieren, die durchaus in einem Nuklearkrieg enden kann, der dann keinen Gewinner mehr kennen wird. Diese berechtigten Bedenken wiegen auch die riesigen Gewinne der US-Rüstungsindustrie nicht auf.Selenskyj hat die aggressiv vorgetragene Botschaft von Trump und Vance verstanden. Zurzeit lenkt er bereits ein, drückt sein Bedauern über den Streit aus, hofft auf eine Besserung der bilateralen Beziehungen zu den USA und bietet nun auch die Unterschrift unter dem Rohstoffabkommen an. Allerdings bedeutet die Hinwendung der gegenwärtigen US-Regierung hin zum russischen Regime sowie die Aussagen Trumps zur Relativierung der US-amerikanischen Beistandspflicht im Rahmen der NATO, verbunden mit einer massiven Schutzgelderpressung, die Abkehr vom westlichen Bündnissystem. Doch auch die vorherige US-Regierung ist hinsichtlich ihrer Politik im Krieg in der Ukraine kritisch zu betrachten.Transparency International: Die Ukraine ist ein hochkorruptes LandWenn es stimmt, dass es das Ziel der Biden-Administration war, die EU von Russland abzuspalten, um einen mächtigen geopolitischen und ökonomischen Konkurrenten mit einer Wirtschaftszone und einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur von Lissabon bis Moskau zu verhindern, dann ist dies über den Krieg in der Ukraine bereits gelungen. Eine geopolitische und ökonomische Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU dürfte für lange Zeit auf Vorbehalte und Schwierigkeiten stoßen.Die USA hatten von Anfang an geostrategische und ökonomische Interessen an der Ukraine. Im Mittelpunkt standen nicht die „Verteidigung der Demokratie“ und die „Freiheit der Ukraine“, sondern Rohstoff- und Investitionsinteressen mit überdurchschnittlicher Rendite. Auch Blackrock steht schon in der Wartehaltung.Bei alldem darf man nicht vergessen: Bei der Ukraine handelt es sich um einen Staat, der weit hinten im aktuellen Korruptionsindex von Transparency International für 2004 – auf Platz 105 – steht. Auch in der Ukraine gibt es profitierende Oligarchen, eine Reihe ultrarechter Gruppierungen und eine autoritär herrschende Regierung. Auch der Angriff auf ein „halbdemokratisches“ Land ist ein VerbrechenKriegsdienstverweigerung ist nicht erlaubt. Junge Menschen flüchten vor den Häschern, die sie an die Front bringen wollen, wo der Tod auf sie wartet. Auch verwendet die Selenskyj-Regierung verfassungsrechtliche Argumente für das Aussetzen der Wahlen, solange Krieg in der Ukraine herrscht. Aber steckt nicht auch dahinter, dass es Bedenken gibt, dass andere politische Konstellationen den Wahlsieg erringen könnten? Ein derartiger Verfassungsbezug ließe sich ja ändern, wenn man der Meinung wäre, dass Wahlen durchaus im ukrainisch noch gehaltenen Staatsgebiet durchführbar seien.Dennoch – und das gilt es festzuhalten – auch der Angriff gegen ein „halbdemokratisches“ Land wie die Ukraine ist ein schweres internationales Verbrechen und widerspricht dem in der UN-Charta festgelegten Völkerrecht. Russische Sicherheitsbedenken, wenn sie denn ernst gemeint sind und nicht nur als geopolitische Tarnung verwendet wurden, können kein legitimer Grund für diesen schrecklichen Angriffskrieg sein. Da hätte es sicherlich mit etwas diplomatischer Ausdauer auch andere Lösungen gegeben.Dennoch wäre die Eskalation zum Krieg in der Ukraine vermeidbar gewesen.Entsprechende Verhandlungsoptionen hat der NATO-Westen ausgeschlagen oder scheiterten bereits im Vorfeld an den Maximalforderungen der russischen Regierung. Der Rückzug der NATO aus Osteuropa bis zu dem Stand vor 1997 ist genauso inakzeptabel wie die russische Forderung, nicht nur die militärisch besetzten Gebiete zu behalten, sondern auch weitere bisher nicht eroberte ukrainische Gebiete zu erhalten. Dennoch hätte der NATO-Westen derartige Forderungen, die ja zum Teil auch mit realisierbaren Forderungen verknüpft waren, als Anlass für Verhandlungen nehmen müssen.Placeholder image-1Europa muss jetzt genau nachdenken und nicht in Hektik verfallenUnglaublich viel Geld scheint auf einmal vorhanden zu sein, um die europäische Aufrüstung angesichts des erwarteten Rückzugs der USA zukünftig zu realisieren. Die EU-Kommissionspräsidentin spricht von insgesamt 800 Milliarden Euro, die hierfür bereitgestellt werden müssten. Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) bringt auch für Deutschland Hunderte Milliarden Euro ins Gespräch.Europa muss jetzt innehalten und sich gut überlegen, ob die europäischen Zukunftsmilliarden in diesem hohen Ausmaß für Waffen und militärische Dienstleistungen investiert und in einen eher aussichtslosen Krieg verschwendet werden sollen. Sicherlich ist die europäische Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Auch sind – angesichts des sich andeutenden Wegfalls der Unterstützung des US-amerikanischen Militärs und der gegenwärtigen Gegnerschaft der Russischen Föderation – die europäischen Verteidigungsleistungen besser zu koordinieren und mit Augenmaß zu gestalten. Doch zu allen diesen notwendigen Investitionsvorhaben ist eine Fortführung des Kriegs in der Ukraine – neben den Opfern und Zerstörungen – kontraproduktiv.Sollte es einen europäischen nuklearen Schutzschirm geben?Nein, die EU sollte sich besinnen und die Forderungen nach einem Waffenstillstand und dann nach einem Frieden mit eigenen diplomatischen Offensiven unterstützen. Trump und Vance, so sehr man sie ansonsten kritisieren mag, haben in dieser Frage recht. Sie nun lediglich als „Vasallen Putins“ hinzustellen und die europäischen Zukunftsmilliarden in einen aussichtslosen Krieg zu stecken, grenzt an kollektiven europäischen Suizid.Das aktuelle Angebot von Emmanuel Macron, den französischen Atomschild auch auf befreundete Staaten auf dem europäischen Kontinent auszuweiten, ist in verschiedener Hinsicht problematisch. Nicht zuletzt, weil sich Macron vorbehält, dass die französischen Nuklearwaffen auch in diesem Fall unter französischem Befehl bleiben. Stattdessen sollte die künftige deutsche Bundesregierung dem „Atomwaffenverbotsvertrag“ der Vereinten Nationen endlich beitreten. Wenn darüber hinaus die Atommächte kontrollierte Abrüstungsschritte gehen würden, wäre ein großer Schritt für die globale Sicherheit geleistet. Die Ausweitung der gegenseitigen nuklearen Bedrohung hingegen ist kontraproduktiv und gefährlich.Unter welchen Umständen ist ein Waffenstillstand denkbar?Auch Russland ist derzeit unberechenbar. Aber wenn die im Moskau regierende Clique noch einigermaßen bei Verstand ist, werden sie sich hüten, ukrainisches Gebiet anzugreifen, in dem die USA mit ihren Firmen aktiv ist, um Bodenschätze abzubauen, wo US-Mineralkonzerne nach Öl bohren oder wo amerikanische Agrarkonzerne die Ernte einbringen.Wenn es Russland gelingt, in den anstehenden Verhandlungen die bereits völkerrechtswidrig besetzten Gebiete (und damit sein Gesicht) zu behalten, ist durchaus ein Waffenstillstand entlang der Frontlinie denkbar. Eine derartige Frontlinie müsste dann durch eine entmilitarisierte Pufferzone geschützt werden sowie durch Militärpolizei unter einem UN-Mandat. Die russisch besetzten Gebiete müssen nicht für immer russisches Hoheitsgebiet bleiben: Es gibt auch noch eine Nach-Putin-Ära.Hierfür sind die bereits von verschiedenen Staaten in den Jahren 2023 und 2024 vorgebrachten Friedensvorschläge und -pläne zu berücksichtigen, beispielsweise der chinesisch-brasilianische Friedensplan oder der Vorschlag der Afrikanischen Union für eine Vermittlungsinitiative. Wenn dann später Schritt für Schritt – im Zuge erreichter Fortschritte – die Sanktionen gegen Russland wegfallen könnten, der NATO-Russland-Rat wieder aktiviert und der diplomatische Austausch restrukturiert würde, dann dürfte die Wahrscheinlichkeit sinken, dass der nächste Staat Opfer russischer Aggression wird. Gleichzeitig müsste der NATO-Westen seine Investitionen in den Wiederaufbau der Ukraine lenken, anstatt diese Milliarden an der Front in einem aussichtslosen Krieg zu vernichten. Diese Vorgehensweise würde eine Win-win-Situation für alle beteiligten Staaten und für die nächsten Generationen bedeuten.



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Von Veritatis

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