Die Grünen-Finanzpolitikerin Katharina Beck hätte sich eine grundlegendere Reform der Schuldenbremse gewünscht, ist aber mit dem Kompromiss zwischen ihrer Partei und Union wie SPD zufrieden. Das Paket sei ein Stoppschild gegenüber Putin


Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Deutschen Bundestag

Foto: Thomas Truschel/Imago/Photothek


100 von 500 Infrastruktur-Milliarden Euro für den Klimaschutz. Ein erweiterter „Sicherheitsbegriff“, demnach von der Schuldenbremse nicht nur Gelder für die Bundeswehr, sondern auch für Geheimdienste oder Ukraine-Hilfe ausgenommen bleiben können. Das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ im Grundgesetz, damit CDU, CSU und SPD nicht einfach Ausgaben aus dem Bundeshaushalt in das Sondervermögen verschieben und dafür Steuergeschenke machen können.

Bei den Grünen sind sie stolz auf die Ergebnisse der Verhandlungen mit Union und SPD, für die es an diesem Dienstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Das gilt auch für Katharina Beck, seit 2021 Mitglied des Bundestags für Ha

SPD, für die es an diesem Dienstag im Bundestag und am Freitag im Bundesrat jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Das gilt auch für Katharina Beck, seit 2021 Mitglied des Bundestags für Hamburg und Sprecherin für Finanzpolitik der Grünen Bundestagsfraktion.der Freitag: Frau Beck, Bündnis 90/Die Grünen haben sich mit Union und SPD auf die Grundgesetzänderung verständigt. Sind Sie zufrieden mit dem Kompromiss?Katharina Beck: Ich hätte mir zuvor jedenfalls nicht vorstellen können, dass es nun gelingt, unser Land grundlegend zukunftsfähiger aufzustellen. Es geht in die richtige Richtung. Wir brauchen eine größere Verteidigungsfähigkeit und mehr Investitionen in die Infrastruktur. Das Problem am schwarz-roten Entwurf war allerdings, dass Union und SPD das Infrastruktur-Sondervermögen für Steuergeschenke in zwei- bis dreistelligen Milliardenhöhen hätten nutzen können. Das haben wir Grünen verhindert.Sind Sie sich da sicher?Im Gesetzentwurf steht jetzt ganz klar, dass Infrastrukturinvestitionen zusätzlich geschehen müssen. Das haben wir reinverhandelt, ebenso wie das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Das alles ist auch wichtig für die Bundesländer. CDU-Ministerpräsidenten haben ja schon lange eine Reform der Schuldenbremse gefordert. Doch dass sie Kredite im Umfang von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen dürfen, hätte ihnen ohne dieses Kriterium der Zusätzlichkeit wahrscheinlich nichts gebracht. Denn wenn es Steuersenkungen gibt, sind das oft Gemeinschaftssteuern, und am Ende hätte das für die Länder wahrscheinlich ein Nullsummenspiel ergeben. Dann wären nur zukünftige Generationen belastet worden für heutige Steuersenkungen, die oft vor allem Superreiche begünstigen.Im Kernhaushalt bleibt ein gewisser Spielraum für Verschiebemöglichkeiten und Steuergeschenke von CDU, CSU und SPD erhaltenGibt es etwas, das Sie an der Einigung stört?Dass die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben schon ab einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelockert wird, nicht ab 1,5 Prozent, wie wir das gefordert haben und was in etwa dem Status quo entspricht. Damit bleibt im Kernhaushalt ein gewisser Spielraum für Verschiebemöglichkeiten und Steuergeschenke von CDU, CSU und SPD erhalten, wenn auch definitiv nicht in dem Umfang, in dem sie das mit dem Sondervermögen für die Infrastruktur anfangs geplant hatten.Die Linke kritisiert, Ihre 1,5 statt dem einen Prozent von Union und SPD hätten den Druck im Kernhaushalt erhöht, zum Beispiel zulasten des Sozialen.Mich irritiert, dass die Linke so argumentiert. Wir haben uns ja gerade dafür eingesetzt, dass das Geld nicht in Steuersenkungen, sondern in Infrastrukturmaßnahmen geht, von denen alle profitieren, wenn etwa Schulen und Kitas renoviert werden oder Krankenhäuser profitieren. So ist das ein super soziales Programm, auch weil auf unseren Druck hin 100 der 500 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Diese 100 Milliarden führen dazu, dass Arbeitsplätze in sehr vielen Industrien erhalten bleiben können. Die Kritik der Linken greift zu kurz. Aber es ist wohl ein klassisches Problem, dass sich die progressiven Stimmen manchmal gegenseitig bekämpfen, ich finde das schade. Natürlich hätte ich auch gern eine grundsätzlichere Reform der Schuldenbremse erreicht. Aber gerade die Verteidigung ist ein so kurzfristig so dringliches Thema, bei dem man den Linken leider nicht trauen kann – es ist wichtig, dass wir hier jetzt vorangehen. Ich bin als Abgeordnete auch für die physische Sicherheit von mehr als 80 Millionen Menschen in Deutschland verantwortlich.Ich liebe Diplomatie total. Annalena Baerbock hat als Außenministerin unfassbar viel diplomatisch bewirktFür Verteidigung und Sicherheit soll der Staat jetzt grenzenlos Kredite aufnehmen dürfen. Haben Sie gar keine Sorge, dass das einer grenzenlosen Militarisierung Tür und Tor öffnet und die Kriegsgefahr eher steigert?Wir haben dafür gesorgt, dass im Grundgesetz ein erweiterter Sicherheitsbegriff stehen wird. Jetzt geht es zum Beispiel endlich auch um Cybersicherheit. In einem hybriden Krieg müssen wir uns auch hybrid verteidigen können. Gerade der erweiterte Sicherheitsbegriff sorgt doch dafür, dass es nicht nur um Rüstung geht, sondern auch um digitale Sicherheit und damit womöglich auch bis hin zu weniger Meinungsmanipulation, mindestens aber eben digitaler Souveränität. Ich persönlich hätte am liebsten eine Welt komplett ohne Waffen. Aber die Welt ist nicht so. Ich sehe ja, dass jemand mit einer Waffe auf mich zukommt. Bei Putin ist relativ klar, was er vorhat, nämlich in der Ukraine nicht Halt zu machen. Ich will mich ihm dann nicht mit einer weißen Fahne ergeben müssen. Ich muss also das Grundprinzip, dass ein Land ein anderes nicht angreifen darf, leider mit Waffen verteidigen. Das ist ein Paradoxon, das ich aushalten muss, spätestens seit dem 24. Februar 2022. Diese Schuldenbremsenreform ist insofern ein Zeichen, ein Stoppschild gegenüber Putin: Du kannst mit uns nicht machen, was du willst. Wir sind bereit, uns zu verteidigen und dir Grenzen aufzuzeigen, und das ohne Einschränkung.Kritiker sagen, es liegt zu viel Gewicht auf dem Militärischen und zu wenig auf Diplomatie.Ich liebe Diplomatie total. Annalena Baerbock hat als Außenministerin unfassbar viel diplomatisch bewirkt – auch wenn ihr das oft abgesprochen wurde. Wir müssen das Völkerrecht verteidigen. Deshalb sind die Entscheidungen jetzt sehr gut, weil sie zeigen, dass wir das ernst meinen. Es ist auch maximal wichtig, dass jetzt die drei Milliarden Euro Hilfen für die Ukraine, die Olaf Scholz so lange blockiert hat, frei sind.Und es ist kein Problem, dass längst ein neuer Bundestag gewählt ist, all diese gewichtigen Grundgesetzänderungen aber noch schnell im alten durchgebracht werden sollen?Das Angebot der Grünen war schon seit Monaten, das sauber und mit Zeit zu machen. Friedrich Merz und die Union haben das abgelehnt, darum geht es jetzt kurz auf knapp. Wir haben uns vor dem Wochenende geeinigt und die Verhandlungen nicht noch mehr ausgereizt, so bleibt zumindest etwas Zeit, sich mit den Gesetzestexten auseinanderzusetzen. Uns liegen die Sicherheit der Menschen und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sehr am Herzen. Deswegen haben wir uns nicht einfach in Fundamentalopposition geübt, sondern uns aus inhaltlichen Gründen mit wichtigen Verbesserungen nun geeinigt. Wir wollen, dass es in Deutschland vorangeht und für die Menschen Freiheit in Frieden erhalten bleibt.



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Von Veritatis

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