Präsident Putin bleibt bei Bedingungen für eine Waffenruhe. Zugleich protegiert er in Moskau eigene Wunschkandidaten für die Zeit einer Nachkriegs-Ukraine
Bis Anfang 2022 war Wiktor Medwedtschuk in Kiew einer der maßgebenden Oppositionspolitiker
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Britanniens Premier Keir Starmer gab sich entschlossen. Man dürfe „nicht zulassen“, so warnte er, „dass Präsident Putin mit dem von Präsident Trump vorgeschlagenen Deal Spielchen treibt“. Gemeint war der von Kiew unterstützte Vorschlag der USA für eine zunächst 30-tägige Feuerpause, die freilich noch längst nicht das Stadium eines „Deals“ erreicht hat. Starmer hielt Putin vor, er stelle in diesem Zusammenhang „sinnlose Bedingungen“.
Kurz darauf, nach dem Telefonat mit Donald Trump am 18. März, gab Putin den Befehl, die Angriffe auf ukrainische Energienetze einzustellen. Bereits Tage zuvor hatte er dem US-Präsidenten dafür gedankt, dass der sich bemühe, „die Kämpfe und mensc
und menschlichen Verluste zu beenden“. Russland begrüße das, wolle aber dafür sorgen, dass es „zu einem langfristigen Frieden kommt“, der kontrollierbar sein müsse. Im Telefonat mit Trump sagte Putin, Bedingung für eine vollständige Waffenruhe sei ein Stopp der Lieferung von Waffen und Geheimdienstdaten an die Ukraine. Dies klingt wenig realistisch. Donald Trump müsste erheblichen Druck auf die europäischen NATO-Verbündeten ausüben, um dem nachzukommen.Sinnvoller wäre es, die UNO und deren Sicherheitsrat in die Verhandlungen einzubeziehen. Letzterer ist für die Entsendung von Friedenstruppen als „Blauhelmen“ zuständig, weder der britische Premier noch der französische Präsident. Was London und Paris offerieren, sind keine neutralen, sondern der Konfliktpartei Ukraine verbundene Militärverbände, wozu Russland niemals seine Zustimmung geben wird. Davon abgesehen wirft das Truppen-Projekt Großbritanniens und Frankreichs noch ganz andere Fragen auf.In Thinktanks wie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sind sich Experten einig, dass europäische Truppen dieser Art zusätzlich des Schutzes der USA bedürften. Bisher jedoch ist nicht erkennbar, dass sich die Trump-Regierung dafür gewinnen lässt. Deren Interesse tendiert eher dahin, mit der Führung in Kiew einen lästigen Kostgänger abzuschütteln.Wiktor Medwedtschuk: Putins Mann für die Ukraine?Umso mehr wächst in Moskau das Interesse, aus nach Russland geflohenen ukrainischen Politikern genehmes Personal für eine Zeit nach dem Krieg zur rekrutieren. Einer davon ist Wiktor Medwedtschuk, einst Chef der Präsidialkanzlei des Staatschefs Leonid Kutschma (im Amt 1994 – 2005). Der jetzige Exilpolitiker vertrat in den frühen 1980er Jahren als Anwalt auch Dissidenten, was notgedrungen zu Kontakten mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB führte.Nach dem Ende der UdSSR war der Jurist Parlamentsabgeordneter und gehörte ab 1998 zur Führung einer Vereinigten Sozialdemokratischen Partei, die freilich weniger sozialdemokratischen Grundwerten zugetan war als den Interessen des Kiewer Oligarchen Hrigoryi Surkis. Mit ihm leitete Medwedtschuk 1999 den Wahlkampfstab zur Wiederwahl Leonid Kutschmas, eines Patriarchen, der mit Jovialität seinen mafiösen Ruf überspielte, die Umarmung westlicher Journalisten nach Interviews inklusive.Im Schatten Kutschmas agierte Medwedtschuk von Juni 2002 bis Januar 2005 als Leiter der Präsidentenadministration. Er genoss den Ruf einer „grauen Eminenz“ und war Unterstützer eines Netzes von Wahlfälschern bei der Präsidentenwahl 2004. Nach einer Stichwahl im November 2004 hatte die Wahlkommission Wiktor Janukowytsch zum Sieger erklärt, einen Aufsteiger aus dem kriminellen Milieu und der von Kutschma favorisierte Nachfolger. Die Vorwürfe, dass die Abstimmung manipuliert worden sei, führten zu massiven Protesten und der „Revolution in Orange“, so genannt wegen der Farbe von Fahnen und Schals ihrer Protagonisten.Schließlich wurde im Januar 2005 der prowestliche Bewerber Wiktor Juschtschenko neuer Präsident, und Medwedtschuk gehörte zu seinen Gegenspielern. Seit 2004 konnte er dabei auf einen mächtigen Verbündeten rechnen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der 2004 in der Kasaner Kathedrale von Sankt Petersburg Taufpate der Tochter Medwedtschuks war. Der unterstützte danach, im Februar 2010, ebenso wie Putin die Wahl Wiktor Janukowytschs zum Präsidenten in Kiew.Medwedtschuk gründete in Moskau die Exilorganisation „Die andere Ukraine“Nach dessen Sturz durch die Maidan-Bewegung im Februar 2014 führte Medwedtschuk mit der „Oppositionsplattform für das Leben“ die größte auf Koexistenz mit Russland ausgerichtete Partei der Ukraine. Ihr Verbot gleich zu Beginn des Krieges im Februar 2022 besiegelt das politische Schicksal Medwedtschuks. Im April 2022 verhaftet, kam er im Herbst desselben Jahres durch einen Gefangenenaustausch mit Russland frei und suchte Zuflucht in Moskau, wo er die Exilorganisation „Die andere Ukraine“ gründete.Auf ihrer aufwendig produzierten Website versucht sie seither gar nicht erst, Distanz gegenüber Russland zu suggerieren. Mit der Aussage Wladimir Putins, Russen und Ukrainer seien „im Grunde ein Volk“, kann sich auch Medwedtschuks Exilorganisation identifizieren. Deren Hoffnungen richten sich auf eine Nachkriegs-Ukraine, die alternative Orientierungen sucht, um Chaos und innere Zerrissenheit nach einem verlorenen Krieg zu überwinden.Ob Medwedtschuk dann eine Chance hätte, bleibt zweifelhaft, solange ihm das Stigma eines moskautreuen Emigranten anhaftet. Russische Hardliner lassen sich davon in ihren Planspielen nicht beirren. Sie setzen weniger auf Wahlen als den putschartigen Machtwechsel, sofern sich die Gelegenheit dazu bietet.