Die Chemnitzer Galerie Weise zeigt aktuelle Arbeiten von Gudrun Trendafilov und Ulrich Eißner, die ihre Wurzeln in der Region haben.
Allen Wettern ist die Frau ausgesetzt, nackt auf einem eisig scheinenden Stein, unter dunklen Wolken, vor bizarrer Berg- und Meerkulisse. Da könnte Unheil drohen. Hat es Kassandra kommen sehen? Auch die hat Gudrun Trendafilov gemalt. Kassandras Kopf ist fast komplett verhüllt mit undefinierbaren Stoffbahnen einem Gittergeflecht, rot-weißen Warnbändern. Ihr Blick aufmerksam, forschend, skeptisch, als ob sie das nächste Unglück schon kommen sieht und weiß: Ihre Warnung wird wieder keiner hören.
Gudrun Trendafilov holt die griechische Figur mit wenigen Mitteln aus der Mythologie in die Gegenwart, macht die Seherin, der Christa Wolf ein literarisches Denkmal von Weltrang gesetzt hatte, zu einer zeitgenössischen Frau. Beladen mit und geprägt von all den Zweifeln, Enttäuschungen, Ängsten, aber auch vom Stolz, vom Selbstbewusstsein zeitgenössischer Frauen, die sich ungeachtet aller Rückschläge ihren Platz in der Welt erkämpfen und behaupten.
Es sind vor allem Frauen, die die Gemälde und Grafiken Gudrun Trendafilovs in der aktuellen Ausstellung in der Chemnitzer Galerie Weise prägen, die damit eine Künstlerin für Chemnitz wiederentdeckt, die in den 1980er-Jahren feministische Malerei in der DDR, gemeinsam mit Angela Hampel, besonders prägte. Gudrun Trendafilov, geboren 1958 in Bernsbach, Abitur in Aue, Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden von 1976 bis 1981, Diplom bei Gerhard Kettner, dessen zeichnerischer Stil Spuren in ihrer Kunst hinterlassen hat. 1989 gründete sie die Künstlergruppe Dresdner Sezession mit, lebte und arbeitete von 1990 bis 2044 freischaffend in Dresden und Nürnberg, danach wieder in Dresden. Eine ihrer ersten Ausstellungen hatte sie in der Kleinen Galerie Hohenstein-Ernstthal, Arbeiten der Künstlerin besitzen unter anderem die Neue Sächsische Galerie und die Kunstsammlungen Chemnitz.
Ihre Figuren schaffen sich in den Bildern ganz eigene Schutzräume vor den Bedrohungen und Verwerfungen der Welt, die die Künstlerin in den Landschaften und in sorgsam gesetzten Beigaben andeutet. Die Frauen strahlen eine kosmopolitische Universalität aus, sind nicht einem bestimmten Kulturkreis zuordnen. Afrikanische, asiatische und europäische Züge vermischen sich. Früchte, Landschaften, schaffen eine enge Verbindung zur Natur, in der sich diese Frauen offensichtlich besser aufgehoben fühlen als unter den Menschen einer von Macht und Gier getriebenen Gesellschaft, die in den Bildern nur als unsichtbares Gegenüber auftaucht. Gudrun Trendafilovs Figuren wirken so, als hätten sie eine Ahnung von Freiheit und Glück, haben dies womöglich selbst erlebt, wissen aber auch um Vergänglichkeit, allgegenwärtige Fragilität. Farben und Zeichnungen sind sanft, fließend, gleichwohl fest umrissen, sogar scharf konturiert, was den Bildern eine poetische, dennoch ganz konkrete Bestimmtheit gibt.
Einen Kontrast zu den Bildern von Gudrun Trendafilov setzen in der Ausstellung die Plastiken und Skulpturen von Ulrich Eißner. Er wurde 1962 in Karl-Marx-Stadt geboren, studierte in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK), arbeitete danach als Plastiker am Theater in Chemnitz, war ab 1996 zunächst künstlerischer Mitarbeiter, hat seit 2005 eine Professur an der HfbK für Theaterdesign und Theaterplastik inne. Eißner ist vielseitig begabt, beherrscht ausdrucksstarke Porträtplastiken, zum Teil als Gipsmodelle, zum Teil als Bronzegüsse gezeigt – etwa von Heiner Müller, Stefan Heym und Hartwig Albiro ebenso wie fantasievoll surreal angereicherte Arbeiten, die Körper und Gesichtszüge psychologisch, auch humorvoll kommentieren. Seine freien Plastiken, so vom „Überflieger“, strahlen eine ungeheure Dynamik oder in der „Knieenden“ eine grazile Schönheit aus.
Mit der Doppelausstellung würdigt die Galerie Weise – wie schon oft in der Vergangenheit – eine Künstlerin und einen Künstlern, die die Kunstszene in Sachsen schon viele Jahre lang, wenn auch eher leise, mit prägen. Sehenswert.
Die Ausstellung mit Arbeiten von Gudrun Trendafilov und Ulrich Eißner ist bis 14. Januar in der Chemnitzer Galerie Weise am Rosenhof zu sehen.