Nina Hagen sitzt auf der Couch, spielt Gitarre und singt dazu eine melancholische Melodie mit simplem Text: „Bamm, badamm-damm“. Neben ihr lauscht eine Frau wohlwollend, ein Mann setzt sich dazu und quatscht. Hagen singt weiter, wechselt aber in einen beleidigt-drohenden Ton. Sie versetzt jedes „Bamm“ mit einem Ausrufezeichen. Der Mann verstummt.
Schon singt Hagen wieder weich und wiegt den Kopf, als wollte sie ihren Ausbruch in Anführungstriche setzen: „War ja nicht böse gemeint.“ Die Szene stammt aus Heute ist Freitag, einem Schwarz-Weiß-Film von 1975. Den sollten sich alle anschauen (und die Amiga-Kompilation Was denn? anhören), die gerade wieder behaupten, Nina Hagen habe in der DDR lediglich Schlager gesungen.
Eine Mission hat sie erfüllt
Zudem nimmt diese Szene Hagens musikalische Entwicklung punktgenau vorweg. Nach eher unprätentiösem Liedgut versah sie ihre Musik zusehends mit Ausrufezeichen und Anführungsstrichen. Sie finden sich nun auch auf ihrem neuen Album Unity, dem ersten seit 2011. Damals verkündete Angela Merkel den Ausstieg aus der Kernenergienutzung, der Bürgerkrieg in Syrien hatte gerade erst begonnen, Greta Thunberg hörte zum ersten Mal vom Klimawandel. Und Nina Hagen veröffentlichte Volksbeat, eine fröhlich-verspielte Übung in Patriotismus, in dem sie einen Kinderchor „Wir sind das Volk“ skandieren ließ und Bob Dylans gemütliches One More Cup of Coffee ins Deutsche übertrug.

Sie gilt als die deutsche „Godmother of Punk“: Nina Hagen
Jetzt ist mit Unity wieder Internationalismus angesagt und der Kinderchor singt, wieder frei nach Dylan, „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“. Um Antworten auf eine Welt im Krisenmodus ist Hagen ansonsten, wie gewohnt, nicht verlegen. Sie können sehr konkret sein, wie im Track Atomwaffensperrvertrag, einer mit treibendem Bass und Percussion unterlegten Rede gegen die Aufrüstung, die Hagen 2009 am Brandenburger Tor hielt und an Aktualität ohne Frage gewonnen hat. In der Regel sind Hagens Antworten aber eher allgemein. So preist sie im Titeltrack Unity die „positiven Schwingungen“ von Einheit und Gemeinschaft.
Ob Hagen es mit United Women of the World schafft, die Frauen aller Länder zu vereinen, kann indes bezweifelt werden. Ihre unbekümmerte Gleichsetzung von „Women“, Gebärfähigkeit und Mutterschaft erscheint im Kontext gegenwärtiger feministischer Diskurse so aus der Zeit gefallen wie ihre Rückgriffe auf biblische Geschichten (etwa in ihrer tanzbaren Space-Funk-Version des Louis-Armstrong-Hits Shadrack). Aufdringlich pastoral wird es leider in Geld, Geld, Geld,wo sie, ohne relativierende Anführungsstriche, dräuend mahnt: „Du siehst mich nicht winken, aber ich seh dich in deinen Illusionen versinken.“
Aber das gleicht Hagen mit ihrer Version von Merle Travis’ 16 Tons aus. Angereichert mit Samples aus einer Rede des US-Demokraten Dennis Kucinich wird der gut 75 Jahre alte Protestsong über die Ausbeutung in einer Kohlemine auch zum Statement gegen die Nutzung fossiler Energieträger. Dass Nina Hagen als Kind viel prägende Zeit in der Bergbaustadt Sangerhausen verbrachte, schließt zudem einen biografischen Bogen zum Chef ihrer neuen Plattenfirma, Herbert Grönemeyer, der die Bergarbeiterhymne Glück auf, der Steiger kommt, seinem Millionenpublikum näherbrachte. Und auch das Video zu 16 Tons ist ein großer Wurf.
Im schönsten SchwarzWeiß überlässt Hagen anderen die Show. KollegInnen wie Kat Frankie, Dota, Messer-Sänger Hendrik Otremba und Mille Petrozza von der Thrash-Metal-Legende Kreator bewegen so ausgelassen wie theatralisch zu Hagens Gesang die Lippen. Immerhin hier ist zwischen den Generationen und Musikstilen die Einheit vollzogen – und eine von Nina Hagens Missionen erfüllt.
Unity Nina Hagen Groenland 2022
sungen.Eine Mission hat sie erfülltZudem nimmt diese Szene Hagens musikalische Entwicklung punktgenau vorweg. Nach eher unprätentiösem Liedgut versah sie ihre Musik zusehends mit Ausrufezeichen und Anführungsstrichen. Sie finden sich nun auch auf ihrem neuen Album Unity, dem ersten seit 2011. Damals verkündete Angela Merkel den Ausstieg aus der Kernenergienutzung, der Bürgerkrieg in Syrien hatte gerade erst begonnen, Greta Thunberg hörte zum ersten Mal vom Klimawandel. Und Nina Hagen veröffentlichte Volksbeat, eine fröhlich-verspielte Übung in Patriotismus, in dem sie einen Kinderchor „Wir sind das Volk“ skandieren ließ und Bob Dylans gemütliches One More Cup of Coffee ins Deutsche übertrug.Placeholder image-1Jetzt ist mit Unity wieder Internationalismus angesagt und der Kinderchor singt, wieder frei nach Dylan, „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“. Um Antworten auf eine Welt im Krisenmodus ist Hagen ansonsten, wie gewohnt, nicht verlegen. Sie können sehr konkret sein, wie im Track Atomwaffensperrvertrag, einer mit treibendem Bass und Percussion unterlegten Rede gegen die Aufrüstung, die Hagen 2009 am Brandenburger Tor hielt und an Aktualität ohne Frage gewonnen hat. In der Regel sind Hagens Antworten aber eher allgemein. So preist sie im Titeltrack Unity die „positiven Schwingungen“ von Einheit und Gemeinschaft.Ob Hagen es mit United Women of the World schafft, die Frauen aller Länder zu vereinen, kann indes bezweifelt werden. Ihre unbekümmerte Gleichsetzung von „Women“, Gebärfähigkeit und Mutterschaft erscheint im Kontext gegenwärtiger feministischer Diskurse so aus der Zeit gefallen wie ihre Rückgriffe auf biblische Geschichten (etwa in ihrer tanzbaren Space-Funk-Version des Louis-Armstrong-Hits Shadrack). Aufdringlich pastoral wird es leider in Geld, Geld, Geld,wo sie, ohne relativierende Anführungsstriche, dräuend mahnt: „Du siehst mich nicht winken, aber ich seh dich in deinen Illusionen versinken.“Aber das gleicht Hagen mit ihrer Version von Merle Travis’ 16 Tons aus. Angereichert mit Samples aus einer Rede des US-Demokraten Dennis Kucinich wird der gut 75 Jahre alte Protestsong über die Ausbeutung in einer Kohlemine auch zum Statement gegen die Nutzung fossiler Energieträger. Dass Nina Hagen als Kind viel prägende Zeit in der Bergbaustadt Sangerhausen verbrachte, schließt zudem einen biografischen Bogen zum Chef ihrer neuen Plattenfirma, Herbert Grönemeyer, der die Bergarbeiterhymne Glück auf, der Steiger kommt, seinem Millionenpublikum näherbrachte. Und auch das Video zu 16 Tons ist ein großer Wurf.Eingebetteter MedieninhaltIm schönsten SchwarzWeiß überlässt Hagen anderen die Show. KollegInnen wie Kat Frankie, Dota, Messer-Sänger Hendrik Otremba und Mille Petrozza von der Thrash-Metal-Legende Kreator bewegen so ausgelassen wie theatralisch zu Hagens Gesang die Lippen. Immerhin hier ist zwischen den Generationen und Musikstilen die Einheit vollzogen – und eine von Nina Hagens Missionen erfüllt.Placeholder infobox-1