Bisher galt in einer krisengeschüttelten Region die Zusammenarbeit zwischen Regierungen in Niamey und westlichen Partnern als exzellent – besonders seit Mali nach zwei Militärcoups erst die Ex-Kolonialmacht Frankreich aus dem Land haben wollte, die UN-Mission MINUSMA samt Bundeswehrkontingent bis Ende 2023 zum Abzug aufforderte und sich russischen Beistands versicherte.

Da die Wagner-Gruppe bereits in anderen afrikanischen Ländern aktiv ist, befürchten manche ein weiteres russisches Vorrücken in der einst französischen Domäne. Die US-Diplomatin Victoria Nuland war gerade in Niamey, um die neue Regierung dort vor einer Allianz mit Russland zu warnen. Schließlich ist Niger seit dem Rauswurf aus Mali die strategische Drehscheibe westlicher Sahel-Po

iamey, um die neue Regierung dort vor einer Allianz mit Russland zu warnen. Schließlich ist Niger seit dem Rauswurf aus Mali die strategische Drehscheibe westlicher Sahel-Politik. Neben Frankreich (1.500) sind die USA (1.100), Italien (300) und Deutschland (100) militärisch präsent.Drohnen aus den USA, Uran für FrankreichDie Amerikaner betreiben dort eine ihrer größten Drohnen-Basen, Frankreich ist mit Spezialkräften aktiv, der Bundestag hat erst im April das Mandat für die neue Militärmission erteilt. Offiziell geht es um Anti-Terror-Kampf, innere Stabilität und die Abwehr von Migration. Zudem haben die nigrischen Uranvorkommen für die Atommacht Frankreich Bedeutung. Der französische Konzern Orano kontrolliert große Teile des Abbaus, die geostrategischen korrespondieren also mit handfesten ökonomischen Interessen.Bei Niger handelt es sich um eines der ärmsten Gemeinwesen weltweit. Die das Land passierenden Transportrouten nutzen Kriminelle, islamistische Kämpfer und Migranten auf dem Weg zur Mittelmeerküste. Die soziopolitische Melange aus Armut, Unterentwicklung, Gewalt und Korruption wird durch regionale Dynamiken begünstigt. Damit gemeint sind nicht zuletzt Drogenkartelle, die Westafrika als Transitkorridor nutzen, und islamistische Netzwerke, die dem Islamischen Staat oder al-Qaida nahestehen. Sie haben ihr Terrain in der Grenzregion zwischen Mali, Burkina Faso und Niger. Und dann wären da noch ethnische Konflikte als Ursache latenter Instabilität sowie bewaffnete Gruppen, die das Unvermögen des Staates ausnutzen, Sicherheit zu gewährleisten, und schnell als terroristisch eingestuft werden.Training durch die USADer von den USA 2001 ausgerufene „War on Terror“ und seine französische Spielart haben im Sahel das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten. Gab es 2002 und 2003 nur neun Terrorakte, so waren es 2022 allein in Mali, Burkina Faso und Niger fast 2.800. Auf von den USA trainierte Offiziere gingen seit 2012 sechs Militärcoups in Burkina Faso und Mali zurück, weiter die Beteiligung an Staatsstreichen in Gambia (2014) und Guinea (2021).Das Grundübel westlicher Sahel-Politik besteht darin, dass sie trotz anderslautender Rhetorik ihre Militärlastigkeit und Fixierung auf die jeweilige Regierung nicht zugunsten einer auf die Interessen der Menschen ausgerichteten Politik zu ändern vermag. Sie suggeriert eine Scheinwirklichkeit von Demokratie und Stabilität, während es in der mit einer anderen Wirklichkeit konfrontierten Bevölkerung gärt. Da verwundert es nicht, dass Teile davon einen Umsturz wie jetzt in Niger lautstark begrüßen. Die ihn tragenden Militärs stoßen sich an ineffizienten und deformierten staatlichen Institutionen. Dabei fällt auf, dass der Wille zum Wandel trotz jahrelanger intensiver Einflussnahme des Westens gereift ist, dem es hauptsächlich darum ging, in der Region nützliche Regierungen zur Wahrung eigener Interessen zu protegieren.Das ECOWAS-Ultimatum ist längst abgelaufenEntsprechend folgten auf den Militärputsch in Niger umgehend harsche Reaktionen. Die USA und Frankreich drohten, die Zusammenarbeit zu stoppen, die EU setzte ihre Entwicklungshilfe aus, die Weltbank blockierte Zahlungen, Nigeria die Stromlieferungen. Die westafrikanische Regionalorganisation ECOWAS hat ein Wirtschaftsembargo verhängt und droht mit dem Einsatz von Gewalt, sollte die rechtmäßige Regierung nicht wieder eingesetzt werden.Doch die neuen Machthaber ließen das Ultimatum auslaufen, riefen die nigrischen Botschafter aus den USA, Frankreich und Nigeria zurück, kündigten Militärabkommen mit Paris, sperrten den Luftraum, befeuerten antifranzösische Stimmungen und riefen die Bevölkerung zum Widerstand auf. Da sich die Putschisten in Mali und Burkina Faso mit denen in Niger solidarisch erklärten, droht nun ein Regionalkrieg.Angesichts anderer möglicher Partner bleibt Niger nicht völlig auf den Westen angewiesen, auch wenn das Land finanziell und wirtschaftlich stark vom Ausland abhängig ist. Sich dauerhaft zurückzuziehen, scheint für den Westen keine Option. Bleiben Intervention, Gegenputsch oder ein Arrangement mit den neuen Machthabern. Letzteres wäre für die USA und Frankreich wohl akzeptabel und würde zu den Avancen gegenüber der Zentralafrikanischen Republik passen. Dort billigt man die sich anbahnende zehnjährige Herrschaft von Präsident Faustin-Archange Touadéra, sofern der die Wagner-Leute hinauswirft. Ein starker Mann in Niger wäre dem „werteorientierten“ Westen durchaus lieb, solange es nur sein Mann wäre. Ob die Rechnung aufgeht, ist offen. Was auf jeden Fall bleibt, ist ein großer Scherbenhaufen.



Quelle Link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar