Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Wir schreiben das Jahr 2025. Mit Ausnahme von Politikern und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann jeder daraus schließen, dass man sich vor 100 Jahren durch das Jahr 1925 bewegte – und in eben jenem Jahr wurde die für kurze Zeit verbotene Sturmabteilung, besser bekannt unter ihrer abkürzenden Bezeichnung SA, wieder und neu gegründet. Ihre Aufgaben waren leicht zu verstehen. Neben dem Schutz der parteieigenen Veranstaltungen hatten sie politische Gegner niederzuschreien und niederzuschlagen, den Kampf sollten sie auf die Straße tragen, Andersdenkende gewaltsam ausschalten, kurz: den Terror sollten sie ausüben, dessen es zur Umwandlung von Bürgern in Untertanen bedarf.
Nach 1945 durfte man davon ausgehen, dass derartige Methoden der Vergangenheit angehörten und daran hat sich bis vor Kurzem nicht viel geändert. Doch selbst die jüngere Vergangenheit ist vergangen, inzwischen feiern ähnliche, zu ähnliche Methoden fröhliche Urständ. Die Bild-Zeitung, und nicht nur sie, hat darüber berichtet. Bekanntlich darf man den Görlitzer Park in Berlin als Leuchtfeuer freien Unternehmertums betrachten, als Denkmal der Buntheit, in dem man unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft ungehindert Drogen vertreiben und eventuelle ahnungslose Passanten mit Gewalt bedrohen kann, falls sie kein Interesse an den hochwertigen Produkten der lokalen Anbieter zeigen. Seit Neuestem kursiert der Plan, einen Zaun um den Park zu errichten, was vielleicht keine üble Idee wäre, sofern er eine Mindesthöhe von fünf Metern aufwiese und vor allem genau dann gebaut würde, wenn sich die Dealer und sonstigen Verbrecher innerhalb des Areals aufhielten, damit sie außerhalb niemanden mehr stören können. Ganz so wird es nicht laufen und manch einer kann sich daher nicht für die Zaunidee erwärmen.
So beispielsweise die beiden AfD-Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses Thorsten Weiß und Alexander Bertram. Sie wollten am Vormittag des 1. Juli im Park eine Pressekonferenz abhalten und dabei ihr eigenes Sicherheitskonzept präsentieren. Im besten Deutschland, das es je gab, ist so etwas unmöglich. Zwar hatten die beiden Abgeordneten die eingeladenen Journalisten um Geheimhaltung gebeten, um genau das zu vermeiden, was dann geschah, „doch der Termin war durchgesickert – vor dem Eingang an der Skalitzer Straße versammelten sich über 50 AfD-Gegner“. Durchgesickert war hier mit Sicherheit gar nichts, aus den Reihen der Hauptstadt-Journalisten dürfte sich der eine oder die andere beeilt haben, die interessierten linksgrünen Kreise schnellstmöglich zu informieren, damit man die nötigen Demonstranten zusammentrommeln konnte. Das hat funktioniert. Und „auch Abgeordnete von den Linken und den Grünen“ waren mit von der Partie. Die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek wurde zitiert mit den Worten: „Ich lasse mir meinen Kiez nicht von den Nazis nehmen!“ Mir war nicht klar, dass Kapek einen eigenen Kiez besitzt, über den sie nach Belieben bestimmen kann und zu dem allem Anschein nach auch der Görlitzer Park gehört. Dass sie nicht weiß, wer oder was die Nazis waren und sie aufs Übelste verharmlost, folgt sofort aus ihrer Aussage, aber von Grünen sind wir ein gewisses Maß an Unkenntnis gewohnt.
Nur kurz will ich anmerken, dass Kapek nach ihrem Studium – immerhin hat sie eines abgeschlossen, das ist in ihren Kreisen eher ungewöhnlich – nur im Politbereich tätig war und sich seit 2011 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses nennen darf. Mit der Realität hatte und hat sie also wenig bis keinen Kontakt, aber dennoch erzielt sie ein monatliches Einkommen von 7.684 €, von weiteren Vergünstigungen und steuerfreien Pauschalen gar nicht zu reden. Da hat man selbstredend hinreichend viel Zeit, um am Görlitzer Park herumzustehen und Unsinn zu reden.
Wenden wir uns ab von diesem fast schon paradigmatischen Fall grüner Karriere und sehen zu, wie es im Park weiterging. Das ist schnell erzählt. An zwei Park-Eingängen „versammelten sich schnell Demonstranten“, um den AfD-Abgeordneten den Zugang unmöglich zu machen – hätte es sich um Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gehandelt, dann hätte auch die Bild-Zeitung nicht von Versammeln, sondern über Zusammenrottung geschrieben, aber das war ja auch etwas völlig Anderes. Weiß und Bertram mussten sich zurückziehen, „umringt von einem Dutzend behelmter Polizisten, Visier geschlossen“. Das haben die Polizisten vermutlich nicht getan, weil sie sich vor der kalten Zugluft schützen wollten, sondern eher vor dem gewaltbereiten Mob, der sich versammelt hatte, um mit SA-Methoden vermeintliche Nazis zu bekämpfen. Auf den Bildern der Bild-Zeitung sieht man freundliche Plakate mit Aufschriften wie „AfD – Schandfleck einer kapitulierenden Gesellschaft“, „Die AfD ist eine Schande“ und „AfD-Verbot jetzt“, wahrhafte Glanzlichter einer argumentativen Auseinandersetzung.
Die Pressekonferenz fand dann doch noch statt, nicht nach Plan im Park, sondern auf irgendeinem Gehweg, der Mob hatte sein Ziel wenigstens teilweise erreicht. Dennoch fand er keine Ruhe. „Nazi-Schweine raus aus unseren Kiezen“ und „Ganz Berlin hasst die AfD“ glaubten sie, skandieren zu müssen, ohne zu merken, dass sie auf diese Weise genau die 100 Jahre alten Nazi-Methoden anwandten, und ohne zu begreifen, dass wohl kaum ganz Berlin die AfD hassen kann, wenn sie doch immerhin eine erkleckliche Zahl von Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Von dem offensichtlichen Widerspruch zu dem ständigen Gefasel über die Unzulässigkeit von „Hass und Hetze“ ganz zu schweigen, die gilt wohl nur, wenn man nicht dem linksgrünen Lager angehört.
Nicht einmal in Ruhe den Schauplatz des Geschehens zu verlassen, wollte man den beiden AfD-Abgeordneten gestatten. „An der Skalitzer Straße warteten sie auf ein Taxi – doch der Fahrer fuhr wieder weg, als ihm die Demonstranten sagten, dass es sich um AfD-Politiker handelte.“ Das ist echte Demokratie, wie man sie sich im rotgrünen Lager vorstellt. Gesteigert wird dieses Verhalten noch durch freundliche Aufrufe von Demonstranten: „Nazis überfahren, jetzt sofort!“ Dummes Zeug reden ist eine Sache, von Linken sind wir nichts anderes gewöhnt. Aufforderung zum Mord dagegen sollte man vielleicht nicht in aller Gelassenheit hinnehmen. Nach §26 des Strafgesetzbuches gilt: „Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.“ Hätte also jemand die Aufforderung zum Überfahren der „Nazis“ befolgt, dann dürfte und müsste man die kreischenden Gutmenschen als Mittäter betrachten. Zum Glück ist das nicht passiert. Doch §30 sagt: „Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.“ Gezielter Mord mithilfe eines Autos dürfte wohl zu den Verbrechen zählen. Hier wurde versucht, ein Verbrechen anzustiften und auch das ist offenbar strafbar. Wird ein Staatsanwalt ermitteln? Wird man herausfinden, wer diesen Mordaufruf herausschrie? Ich darf mir ein müdes Lächeln erlauben.
Wie ging es zu Ende? Die beiden Abgeordneten wurden unter Polizeischutz zu einer U-Bahn-Station eskortiert, fuhren dann bis zur nächsten Station und suchten und fanden – noch immer unter Polizeischutz – ein Taxi. So weit ist „unsere Demokratie“ gekommen.
Die Sturmabteilungen heißen nicht mehr Sturmabteilungen, doch ihre Aufgaben werden nach wie vor mustergültig erfüllt. Den politischen Gegner niederschreien, ihn physisch bedrohen, zum Mord aufrufen: Was soll das anderes sein als SA-Methoden? Es sind die Methoden der moralisierenden Gutmenschen, die keine abweichende Auffassung ertragen.
Es sind die Methoden des totalitären Zeitgeistes.
Und die Deutschen sehen weg.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Screenshot Youtube
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