Von Kai Rebmann

Mit dem Willen zur Aufarbeitung ist es bei den Regierungen und weiteren Verantwortlichen der fragwürdigen Corona-Maßnahmen bekanntlich nicht weit her. Ganz im Gegenteil wird alles unternommen, um eben diese Zuständigkeiten zu verschleiern. So war es bei den kürzlich veröffentlichten bzw. freigeklagten Protokollen sowohl des RKI als auch des Expertenrats. Und so ist es auch jetzt bei den entsprechenden Dokumenten des sogenannten „Corona-Krisenstabs“, der nach neuesten Erkenntnissen wohl treffender „Impf-Krisenstab“ hätte genannt werden müssen.

Das Gremium stand unter der Leitung von Generalmajor Carsten Breuer und sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Regierung bei der Bewältigung der „Pandemie“ beraten. So jedenfalls die offizielle Lesart bei der Installation des Krisenstabs im Dezember 2021. Inwieweit ein noch so ranghohes Mitglied der Bundeswehr eine ausgewiesene Expertise für derartige Fragen mitbringt, erschien schon damals etwas schleierhaft.

Zumindest einen Teil der Antworten liefert jetzt die Veröffentlichung von Protokollen aus Sitzungen des Krisenstabs, die bisher unter Verschluss gehalten wurden. Die einmal mehr von dem Frankfurter Arzt angeforderten Dokumente sind in wesentlichen Teilen zwar geschwärzt, erlauben aber dennoch eine recht genaue Einschätzung zur Mission, auf die der „Corona-General“ von seinen Dienstherren entsandt worden war.

Ein namentlich unkenntlich gemachter Vorgesetzter habe demnach das vorrangige Ziel ausgegeben, „dass die Impfquote zu erhöhen“ sei. In eben diesem Jargon geht es stichpunktartig weiter: „Delta-Welle und Omikron-Welle nur brechbar, wenn Booster-Impfungen gesteigert werden. Ziel 30 Mio. Impfdosen bis Ende des Jahres. Große Impfbereitschaft in der Bevölkerung.“

Der Fokus lag von Anfang an also darauf, möglichst viele der im Überfluss bestellten Impfstoffe an den Mann zu bringen – und eben nicht auf der Bewertung der bisher schon ergriffenen und/oder künftig geplanten Maßnahmen. Als „größtes Problem“ wurden hierbei die bis dato Ungeimpften angesehen. Es hatte sich intern längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass diese Zielgruppe als mögliche Empfänger der reichlich auf Lager liegenden Dosen abgeschrieben werden musste.

Die Bundesregierung rückte in der Folge von der Vorstellung ab, bei den Erstimpfungen eine Quote von mindestens 80 Prozent erreichen zu können. Diese Marke sei „kein vordringliches Ziel“ mehr, wie es in den Protokollen festgehalten wurde. Stattdessen sollte der Fokus auf jene gerichtet werden, die sich bereits einmal oder mehrfach hatten impfen lassen, konkret: die sogenannten „Booster-Impfungen“.

Impf-Stationen im Einzelhandel, in Einkaufszentren und an Autobahnraststätten

Als weiterer Grund für die zu diesem Zeitpunkt – Winter 2021/22 – erheblich ins Stocken geratene Impfkampagne wurde das Abwarten in der Bevölkerung auf einen möglicherweise „angepassten Impfstoff“ gesehen. Der Krisenstab habe im Bundesgesundheitsministerium daher um eine Stellungnahme zu dem „Gerücht“ gebeten, wonach die Hersteller einen solchen Impfstoff nicht weiter verfolgten.

Ein namentlich nicht genannter, weil geschwärzter „Jemand“ habe daraufhin die „gute Wirkung der aktuell zugelassenen Impfstoffe“ hervorgehoben. Dies sei ein „wichtiges Argument“ sich jetzt impfen zu lassen und nicht auf eine angepasste Variante zu warten. Das Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe zudem auf „die aktuelle Stiko-Empfehlung zur vierten Impfung für vulnerable Personengruppen und Beschäftigte im Gesundheitswesen“ verwiesen.

Zusammenfassend: Weil man an die Ungeimpften nicht mehr herankam, wurde nach Wegen gesucht, der restlichen Bevölkerung die Notwendigkeit einer multiplen Impfung zu vermitteln. Und auch bei den Überlegungen, wie solche Angebote möglichst niedrigschwellig gestaltet werden könnten, zeigten sich General Breuer und sein Krisenstab außerordentlich kreativ. Zu den Vorschlägen gehörten unter anderem Impf-Stationen im Einzelhandel, in Einkaufszentren oder sogar an Autobahnraststätten, wie die „Berliner Zeitung“ aus den Protokollen zitiert.

Schließlich wurde auf einer Sitzung am 3. März 2022, wohl nicht ganz zufällig nur wenige Wochen vor der Abstimmung über eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag, nach weiteren Möglichkeiten gesucht, um die festgefahrene Kampagne wieder in Gang zu bringen. Der Krisenstab hatte hierzu den Expertenrat der Bundesregierung konsultiert. Dieser habe „ein düsteres Bild zum nachlassenden Infektionsschutz gezeichnet“, weshalb „ein zeitgerechtes Handeln erforderlich sein“ werde.

Dass damit die allgemeine Impfpflicht gemeint war, dürfte wohl auf der Hand liegen. Diese ist im Bundestag bekanntlich mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Rückblickend kann diese Niederlage der Bundesregierung als endgültiger Todesstoß für die nationale Impfkampagne gesehen werden. Damit hatte auch der Krisenstab seine Existenzberechtigung, sollte er sie jemals besessen haben, unweigerlich verloren, weshalb das Gremium nach nur sechs Monaten wieder aufgelöst wurde.

Alleine Karl Lauterbach wollte die davon schwimmenden Felle doch noch einfangen. Eine nicht geschwärzte Passage aus der letzten Sitzung des Krisenstabs am 4. Mai 2022 lässt den Bundesgesundheitsminister wie den einsamen Rufer in der Wüste wirken:

„BMG betont die Bedeutung, den Impfschutz aufrecht zu erhalten und die Booster-Lücke zu schließen. Es besteht die Hoffnung, dass zum Herbst ein […] adaptierter Impfstoff zur Verfügung steht. Es wird darauf hingewiesen, dass im Spätsommer möglicherweise die im Standby-Modus befindliche Infrastruktur reaktiviert werden muss (sic!), sollte eine weitere flächendeckende Impfung erforderlich sein.“

Der neuerliche Ansturm auf die Impfzentren ist bekanntlich ausgeblieben, Corona hatte schlicht und einfach seinen zuvor durch Medien, Politik und nicht zuletzt „die Wissenschaft“ verbreiteten Schrecken verloren.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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