Auch auf die Gefahr hin, dass es grauslich antifeministisch klingt: Ich stehe auf altmodische Männer. Auf die Handwerkertypen, die zupacken, wenn etwas kaputt ist. Oder die wissen, was zu tun ist, wenn, so wie jetzt bei mir, Mäuse im Haus sind – ich bin panisch und schreibe diesen Text mit zittriger Hand.

Es ist, als wäre nicht nur jede Ecke der Wohnung, sondern auch meiner Körperseele besetzt, angenagt, verseucht, vergewaltigt von unbezwingbarer Angst. Eine ähnliche, obwohl weniger direkt empfindbare Sorge macht der Zustand der Demokratie. Auch sie scheint um Hilfe zu rufen, brennt sie doch an allen Ecken und Enden, droht, in die Knie zu gehen angesichts des Rechtsrucks, der Europa bevorsteht, angeseucht von gewaltvollem Populismus, Rechthaberismus und Schlim

und Schlimmerem, und ich zweifle, ob das Problem – die Reparatur? Die Rettung? Die Entseuchung? – rein akademisch gelöst werden kann. Dennoch habe ich eine Schwäche für den Bundeskanzler, obwohl der wenig zupackend wirkt. Olaf Scholz strahlt höchstens eine „nichtphallische Männlichkeit“ aus, wie der hochgelehrte Kollege murmelt. So klingt es, wenn Potenz herumdruckst.Die Philosophin Svenja Flaßpöhler nannte das, worum es hier wohl auch geht, „leibliche Erfahrung“: die Wahrnehmung des Körpers von innen. Sie schwingt natürlich auch bei Politikern mit. Und beeinflusst die äußere Wahrnehmung von deren Körperkompetenz. Wenn nun ein leiblicher Widerspruch aufscheint, entsteht gewissermaßen ein physischer Vorbehalt. Zumindest ist das so bei meinem Sohn, dessen leibliche Erfahrung geprägt ist durch eine Handwerkerlehre – und Handball, einem Sport für kräftige, große, breitschultrige Männer.Als ich vor den TV-Nachrichten sitze und der Kanzler ins Bild kommt, schaut der Sohn nach dem Training kurz rein, erfüllt von all seinem schweißtreibenden Tun, dessen Auswirkungen er unmittelbar empfindet: Schulterprellung, Ball an die Latte, Abklatschen, rennen, springen, rempeln, blocken, fangen, und der Trainer hat immer recht. Auch in seiner Ausbildung sind die Strukturen klar: Was der Meister sagt, wird getan. Es ist eine Hierarchie der Erfahrung und Fachlichkeit, keine des Habitus: Da strahlt jemand tätig aus, dass er kann und weiß. Genau das also, was nicht nur er beim Kanzler vermisst. Dessen Habitus berührt ihn daher unangenehm.Wenig Vertrauen für LeisetreterScholz sei „klein“, nicht nur in Zentimetern. Unsicher, wie er am Mikrofon fingert, die Beine wenig standhaft wirkend, nicht so recht eins mit dem eigenen Körper. Zumal Scholz oft aufreizend leise spricht. Der Kanzler macht den Eindruck, mit seiner Männlichkeit zu hadern. Das Wort „unmännlich“ fällt nicht, es drängt sich nur von innen auf, als Gefühl, wenn ein Macher nicht mit der Faust auf den Tisch haut, wie weiland Gerhard Schröder.Dem Sohn fehlt sozusagen die körperliche Vertrauensgrundlage. Instinktiv traut er einem Leisetreter nicht zu, unser Land zu führen (was immer das heißt). Der Anführer muss brüllen, sonst glaubt das Rudel ihm den Chef nicht. Wir Bürger sind ja nicht nur Demokraten, sondern auch Körper, in denen die Sehnsucht nach Führung steckt, auch wenn diese aus vernünftigem Grund unzulässig geworden ist. Wir fühlen nicht vernünftig, aber unwiderlegbar: Ein Weichei würde beim Angriff der Feindhorde nichts ausrichten, es hat rein körpercharismatisch nicht die Kraft.So gesehen ist es ein Wunder, dass wir überhaupt eine Demokratie haben. Weil es keine körperlose Politik gibt, reicht die rationale Freude darüber jedoch nicht. Um sie zu retten, braucht es mehr als einen nichtphallischen Kanzler. Wobei dem der Sohn dringend abraten würde, einen auf Kerl zu machen – es wäre nicht echt.Demokratie muss echt sein. Dann ist sie, auf wie verschlungenen Wegen auch immer, Volksherrschaft. Das Volk ist der Kerl. Und die Kerlin. So ein Volkskörper braucht keinen phallischen Führer, sondern kraftvolle vielgeschlechtliche Vernunft. Und Demokraten, die sich weder für die eigenen leiblichen Erwartungen noch für die daraus resultierenden physischen Widersprüchlichkeiten ihrer Volksvertreter schämen. Man könnte souverän dazu sagen.Placeholder authorbio-1



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Von Veritatis

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