Im November 2023 sendeten die Wahlergebnisse in den Niederlanden eine klare Botschaft an die europäische Politik: Erstmals in der Geschichte der EU gewann dort eine Partei aus der rechten EU-Fraktion Identität und Demokratie eine Parlamentswahl: Geert Wilders Partei für die Freiheit (PVV) wurde mit rund 23,5 Prozent der Stimmen und 37 von 150 Sitzen mit Abstand die größte Fraktion in der niederländischen zweiten Parlamentskammer.
Nach einer langen Regierungsbildung brach im Juni vergangenen Jahres auch die niederländische Brandmauer gegen Wilders PVV: Das Aushängeschild seiner Partei und das rechtlich gesehen einzige Parteimitglied wurde zwar nicht Ministerpräsident oder ging ins Kabinett, dennoch war die PVV in der Regierung durch mehrere Minister breit vertreten.
Der Ministerpräsident, Dick Schoof, der davor lediglich ein Beamter – dabei jedoch früher Geheimdienstchef – gewesen ist, wurde als parteiloser Kompromisskandidat gewählt. Das Regierungsprogramm trägt jedoch eindeutig auch die Handschrift der PVV: So nahm man sich etwa deutlich härtere Asylregeln und eine Rückabwicklung bestimmter Klimamaßnahmen vor. Von Kritikern wird die Regierung gerne als das am weitesten rechts stehende Kabinett in der niederländischen Nachkriegsgeschichte bezeichnet.
Doch die Koalition stand von Anfang an auf einem instabilen Fundament: Sie besteht aus vier Parteien – neben Wilders PVV auch aus der Liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), der Bauernpartei Bauer-Bürger-Bewegung und dem Christdemokratischen Neuen Gesellschaftsvertrag (NSC). Eben letztere Partei hat die Mitte-Rechts-Regierung nun jedoch in eine weitere Krise gebracht.
Der bisherige Parteivorsitzende der Partei, Pieter Omtzigt, hat am Freitag seinen Rücktritt von allen Ämtern, darunter auch seinem Sitz im Parlament, bekanntgegeben. Omtzigt hatte die Partei als eine Art One-Man-Show hochgezogen: Er war, aufgrund der Aufdeckung von mehreren Korruptionsskandalen, lange der beliebteste Politiker des Landes, hatte sich jedoch 2021 mit seiner bisherigen Partei, dem Christlich-Demokratischen Aufruf (CDA) zerstritten.
2023 gründete er deshalb seine heutige Partei, welche bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr auf Anhieb viertstärkste Kraft wurde und am Ende die entscheidende Partei für die Regierungsbildung wurde. Parteichef Omtzigt setzte dabei, nach anfänglicher Skepsis, eine Zusammenarbeit durch – trotz Skepsis vonseiten seiner Parteifreunde.
Jetzt tritt Omtzigt ab – der Grund: ein Burnout, von dem er sich nun länger erholen muss. Aufgrund der psychischen Belastung fiel er bereits in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder lange aus – diesmal scheint seine Pause vorerst endgültig zu sein. Mit Omtzigt verlässt der größte Fürsprecher der derzeitigen Regierungskoalition innerhalb seiner Partei die politische Bühne.
Der NSC hat derweil nach dem Abgang seines Parteichefs bereits begonnen, sich zu zerfleischen: Omtzigts Nachfolgerin Nicolien van Vroonhoven stellte etwa in einem TV-Auftritt eine Fusion mit dem CDA, also Omtzigts ehemaliger Partei, in den Raum – nur damit die Kabinettsmitglieder des NSC van Vroonhovens Vorstoß scharf widersprachen und die Rolle der Partei im Kabinett herausstellten.
Die Regierung steht dabei – wie innerhalb der Monate seit ihrer Amtseinführung bereits mehrmals – vor einer bedrohlichen Zerreißprobe. Sollte der auf Omtzigt zugeschnittene NSC sich aufspalten, würde die Regierung die Mehrheit im Parlament verlieren – es droht ein endgültiges Scheitern der Regierung, was aller Wahrscheinlichkeit nach zu Neuwahlen führen würde. Dort könnte, wie aktuelle Umfragen zeigen, bereits die linke Allianz aus Grünen und Sozialdemokraten triumphieren.
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