Der Papst konnte gegen J. D. Vance nicht mehr viel ausrichten – was kann Europa diesen USA noch entgegenstellen? Der Philosoph Slavoj Žižek hat drei Ideen für den Kampf gegen den Antichristen


Der Papst konnte gegen J. D. Vance nicht mehr viel ausrichten – was kann Europa ihm noch entgegenstellen? Der Philosoph Slavoj Žižek hat drei Ideen

Montage: der Freitag, Material: Getty Images


Eines der letzten Gesichter, die der Papst Franziskus vor seinem Tod gesehen hat, war das von J.D. Vance. Der US-Vizepräsident, auf Charme-Offensive in Europa, verweilte ganze 17 Minuten im Vatikan, so viel Zeit musste wohl sein – ich komme später darauf zurück.

„Wenn es nicht möglich ist, den Krieg in der Ukraine zu beenden, müssen wir uns anderem zuwenden“, hatte US-Außenminister Marco Rubio kurz vor Ostern gedroht: Sollten Zeichen des Fortschritts ausbleiben, könnten die USA innerhalb von Tagen ihre Bemühungen um die Beendigung des Ukraine-Konflikts aufgeben. Am Dienstag sagte Rubio dann seine Reise zu den Gesprächen über einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland in London ab, sodass sie verschoben wurden.

nerhalb von Tagen ihre Bemühungen um die Beendigung des Ukraine-Konflikts aufgeben. Am Dienstag sagte Rubio dann seine Reise zu den Gesprächen über einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland in London ab, sodass sie verschoben wurden. Rubios warnende Worte kamen, nachdem USA und Ukraine am Donnerstagabend zuvor einer Einigung über ein Rohstoffabkommen näher gekommen waren, und die grausame Ironie liegt in der Verbindung dieser beiden Ereignisse. US-Präsident Donald Trump hat das Rohstoffabkommen mit seiner Forderung begründet, die Ukraine müsse die USA für ihre Waffenlieferungen für die Verteidigung der Ukraine gegen die russische Aggression entschädigen. Der Deal war also klar: Wir haben euch Waffen gegeben, und wenn ihr wollt, dass unsere Hilfe weitergeht, müsst ihr dafür bezahlen. Jetzt machen die USA deutlich, dass sie „weiterziehen“ und die Sorge für das Überleben der Ukraine den Europäern überlassen könnten – aber sie wollen weiterhin, dass das kriegsgebeutelte und zerstörte Land sie voll bezahlt. Wer braucht bei solchen Freunden noch Feinde?Ein unabhängiges Europa: Ist das eine gute Idee?Vor diesem Hintergrund sollten wir auch die jüngste an Europa gerichtete Charme-Offensive von J.D. Vance interpretieren. Einerseits verleiht er seiner Bewunderung für Europa Ausdruck und besteht darauf, dass Europa stärker und autonomer werden sollte – Trumps Plan für ein Waffenstillstandsabkommen sieht wohl in diesem Sinne die Aussendung europäischer „Friedenstruppen“ als Sicherheitsgarantie in die Ukraine vor. Und andererseits stellte Vance vor einigen Monaten auf der Münchener Sicherheitskonferenz vernichtende Aussagen über eine vermeintlich fehlende Freiheit in Europa an: Das ist kein Widerspruch.Was wir als Europäer bekommen, sind die beiden Seiten einer Medaille: Wir sollten mehr Stärke und Autonomie zeigen, mehr militärische Macht aufbauen, um die Verteidigung der Ukraine selbst zu übernehmen und den USA zu erlauben, sich auf ihren Hauptfeind China zu fokussieren und „frei“ andere Dinge tun, die der US-Vision einer neuen Weltordnung entsprechen.In einem kürzlichen Interview im britischen Online-Magazin UnHerd sagte Vance, dass der französische Staatsmann Charles de Gaulle „die USA liebte, aber erkannte, was ich selbst deutlich erkenne: dass es nicht in Europas Interesse ist und auch nicht im Interesse der USA, dass Europa auf Dauer ein Sicherheits-Vasall der Vereinigten Staaten bleibt“. Dann sagte Vance: „Ich denke nicht, dass ein unabhängigeres Europa schlecht für die USA ist — es ist gut für die USA.“Historisches Beispiel: Der deutsche Gerhard Schröder gegen den IrakkriegEin unabhängiges Europa, das klingt gut für Europäer, oder? Schauen wir genauer hin: Beide Beispiele, die Vance nannte, sind hochproblematisch. „Wenn ich mir einfach mal die Geschichte angucke“, so Vance, „denke ich – offen gesagt –, dass die Briten und die Franzosen Recht hatten, als sie in Sachen Suezkanal anderer Meinung waren als Eisenhower.“ 1956 zwang US-Präsident Dwight Eisenhower London und Paris, von einer militärischen Intervention zur Wiedererlangung der Kontrolle über den Suezkanal von Ägypten abzusehen – eine Kontrolle, die zentral für die ökonomischen und kolonialen Interessen beider Länder war. Vance bedauert also, dass Großbritannien und Frankreich nicht rücksichtslos ihre von Israel koordinierten kolonialen Interessen in der Region verfolgten, das zur gleichen Zeit den gesamten Sinai besetzte.Selbst das weitere, von Vance genannte Beispiel ist problematisch, auch wenn es vernünftiger und potenziell progressiv wirkt: Laut Vance hatten „viele europäische Nationen Recht damit“, Bedenken wegen des Irakkriegs zu hegen. Auch der deutsche Kanzler Gerhard Schröder stellte sich gegen die Invasion. Ohne viele Belege dafür vorzulegen, argumentierte Vance, Europa hätte den Krieg stoppen können, wenn es „etwas unabhängiger und etwas bereiter gewesen wäre, sich durchzusetzen“.Hinter diesem Ratschlag steckt natürlich die Idee, dass Iraks diktatorischer Staatschef Saddam Hussein als Verbündeter des Westens gegen den Iran erhalten geblieben wäre.Europäische Autonomie: Unterstützung Gazas, Öffnung für China und Euro stärkenDer französische Psychoanalytiker und Sprachphilosoph Jacques Lacan definiert erfolgreiche Kommunikation als Vorgang, bei dem der Sender seine Botschaft vom Empfänger in einer veränderten Form zurückerhält. In diesem Sinne wäre eine erfolgreiche Kommunikation zwischen J. D. Vance und Europa gewesen, wenn ein einiges Europa seiner Forderung, autonomer und souveräner zu agieren, nachgekommen wäre – natürlich nicht in dem von ihm intendierten Sinne, sondern viel wörtlicher.Europa könnte seine Autonomie durch drei einfache und ziemlich offensichtliche Schritte zeigen: zum einen, indem es eine deutlich kritischere Haltung gegenüber Israel einnimmt und direkte humanitäre Hilfe an Gaza leistet, die durch Europas eigenes Militär geschützt wird; weiterhin, indem es sich entgegen der US-Dämonisierung Chinas deutlich stärkeren ökonomische Beziehungen mit Peking öffnet; und drittens, indem es weiter daran arbeitet, dem US-Dollar seinen Status als Universalwährung zu nehmen.Aber ist Europa in der Lage, das zu tun? Leider stehen die Zeichen eher schlecht. Ein kurzer Blick auf die Ansichten des angehenden neuen deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz weist in eine umgekehrte Richtung. Merz ist für Aufrüstung und die volle Unterstützung der Ukraine, aber er ist auch auf problematische Weise pro-Israel, also: pro-israelische Regierung. Merz hat angekündigt, dass er als erstes ausländisches Staatsoberhaupt den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu einladen wird.Was wir verhindern müssen: Trump-Gaza und Putin-UkraineDas ist kein unwichtiger Punkt: Alles, einfach alles – vielleicht das Schicksal unserer ganzen Welt – hängt von der Notwendigkeit ab, die Parallele zwischen der Ukraine und Gaza zu ziehen. Was Israel in Gaza und der Westbank macht, tut Russland in der Ukraine. Vor einiger Zeit schlug Putin vor, die Ukraine solle übergangsweise von einem von den UN nominierten Gremium regiert werden, da es keine rechtmäßig demokratisch gewählte Regierung habe. Europas Antwort darauf sollte sein, etwas in der Art in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine zu fordern: faire Wahlen unter der Überwachung der Vereinten Nationen.Es gibt zwei Varianten, eine Nation zu zerstören: Die israelische Armee IDF vertreibt derzeit offen Palästinenser aus Gaza, unter anderem durch Hungerpolitik und die Zerstörung von Krankenhäusern. Unterdessen zerstört Russland nicht weniger offen zivile Infrastruktur der Ukraine und rechtfertigt das mit der Behauptung, die Ukraine sei eine Erfindung Lenins und existierte daher nicht als souveräne Nation.Wenn Israel und Russland sich durchsetzen, entstehen zwei neue Einheiten: ein Trump-Gaza als Teil eines größeren Israel und eine Putin-Ukraine als Teil eines größeren Russlands, wobei beide Länder sich offen auf weitere Expansion vorbereiten. Wenn wir diese Parallele ignorieren, also wenn wir Israel als von arabischen Feinden umgebene Nahost-Ukraine betrachten, die sich einfach nur verteidigt, dann wird Putin Erfolg haben: Dann wird der russische Angriff auf die Ukraine für die Mehrheit der Entwicklungsländer wie eine Verteidigung gegen die neokolonialistische Expansion der NATO wirken. Trump und Vance versuchen, Europa aufzuspalten – um den Euro zu schwächenMan bedenke, dass Russland derzeit auch als neokoloniale Macht agiert, insbesondere in Zentralafrika, wo tausende „Gruppe Wagner“-Söldner anti-westliche Regime unterstützen. Europa kann dieser Offensive nur etwas entgegensetzen, indem es mit der neokolonialen Ausbeutung der afrikanischen Staaten aufhört (wie es Frankreich in frankophonen Staaten des Kontinents getan hat). Indem Europa die israelischen Kriegsverbrechen toleriert – von Zeit zu Zeit richtet es nichts weiter als eine Warnung an Israel, unterstützt es aber weiterhin militärisch und diplomatisch –, macht es sich voll und ganz daran mitschuldig. Ähnliche Probleme verfolgen auch Europas Beziehungen zu China und das Streben nach Ent-Dollarisierung. Trump ist es praktisch gelungen, die Einheit Europas aufzubrechen und die einzelnen Staaten zu separaten Verhandlungen mit den USA zu zwingen. Dabei hat Europa bereits den Euro, einen viel besseren Kandidaten für die Weltwährung als der US-Dollar. In beiden Fällen gibt es keine Kompromisslösungen: Entweder wir unterwerfen uns demütig der US-amerikanischen Erpressung oder wir beziehen klar Stellung – mit allen damit verbundenen Risiken.Der letzte ausländische Amtsträger, den Papst Franziskus einen Tag vor seinem Tod empfangen hat, war J. D. Vance. Wenn man davon ausgeht, dass Papst Franziskus für das Beste in der heutigen katholischen Kirche stand, lässt sich dieses Treffen ohne Übertreibung als Treffen zwischen dem Stellvertreter Jesu Christi und dem Antichristen bezeichnen.



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Von Veritatis

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