Die Beisetzung des falschen Papstes Franziskus in Rom verkommt zum Schaulaufen. Markus Söder postet unmittelbar nach der Ankunft fröhliche Selfies mit Bundesgrüßaugust Frank-Walter Steinmeier. Über den Tag hinweg inszeniert sich der bayerische Ministerpräsident quietschvergnügt und gut gelaunt.
von Marco Gallina
Die Messe ist gelesen. Franziskus ist am Samstag in Santa Maria Maggiore zu Grabe getragen worden. Während im Hintergrund die Kardinäle im Vorkonklave über die Zukunft der Kirche beraten, rückte die Politik auch in der Form der anwesenden Staats- und Regierungschefs in den Vordergrund – leider nicht nur in repräsentativer Funktion.
Schon in den vergangenen Tagen hatte sich eine merkwürdige Event-Kultur um den toten Papst gebildet. Ein Selfie mit der pontifikalen Leiche war dieser Tage ein Muss. Nach Trastevere und Kolosseum noch ein kleiner Schlenker nach Sankt Peter, um ein Foto abzugreifen, bei dem nicht etwa der Tote, sondern die eigene Präsenz im Mittelpunkt stand
Ähnlich geschmackvoll zeigten sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Ein gemeinsames Grinsen, ein gemeinsames Selfie bei der Landung in Rom. Man ist schließlich auf dem Weg zu einer Beerdigung – das muss gefeiert werden. Söder, in Ermangelung eines Fotos mit Franziskus – derzeit beliebtester Sport in den sozialen Medien ist das Herauskramen einer gemeinsamen Erinnerung mit dem verblichenen Pontifex – musste noch einmal auf dem Petersplatz zeigen, worum es vor allem ging: um ihn selbst.
Mit aus Deutschland dabei waren auch Bundesverfassungsrichter Stefan Harbarth, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und – fast vergessen – Bundeskanzler Olaf Scholz. Auffällig abwesend: Friedrich Merz. Aus institutionellen Gründen verständlich – noch ist Scholz geschäftsführender Kanzler –, aber aus strategischen Gründen schädlich. Wer glaubt, die Una Sancta spiele in der Welt keine Rolle mehr, sollte sich vor Augen halten, dass selbst ein US-Präsident nach seinem Tod nicht eine solche Riege an mächtigen Männern und Frauen anzieht. Im Vatikan hatte man zeitweise den Eindruck, hier fände ein G170-Gipfel statt, ergänzt um zahlreiche GOs und NGOs.
Dass Deutschland seit einem halben Jahr mit Ampel-Aus, Wahlkampf und Koalitionsverirrungen sich in einem außenpolitischen Vakuum verliert, hat man im Raumschiff Berlin ignoriert. Dabei war es noch Merz, der angekündigt hatte, wegen der vielen Krisen möglichst schnell geschäftsfähig zu werden. Der Zollstreit tobt, die deutsche Wirtschaft ist im Sturzflug und in der Ukraine herrscht immer noch Krieg, aber die Union muss noch die sozialdemokratische Befragung der Basis abwarten. Bei so viel Luxus kann es Deutschland eigentlich nicht so schlecht gehen. Die Bundestagswahl ist mittlerweile über zwei Monate her.
Freilich könnte man sich wünschen, die Regierungslosigkeit zum Dauerzustand zu erheben; eine Linkskoalition, ob nun offiziell oder inoffiziell, verwaltet das Land sowieso. Aber schon beim Wiener Kongress lautete das Motto, dass Nichtanwesende auch keine Stimme hätten – und so ist es beim Römischen Kongress nicht anders gelagert, wo Großbritanniens Premier Starmer, der französische Staatspräsident Macron und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Köpfe zusammenstecken. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni geht indes mit US-Präsident Donald Trump unter den Kolonnaden spazieren oder trifft sich mit Argentiniens Staatsoberhaupt Javier Milei, der die fünfjährige Freundschaft der beiden feiert.
Dazwischen ächzt die lahme Ente Olaf Scholz hinterher, ermüdet Frank-Walter-Who? die Gäste oder zeigt Markus Söder die Pfauenfedern. Es ist ein Jammerspiel. Würde es durch Merz beim Leichenschmaus gewinnen? Der sauerländische Katholik hat zwar ungeheure Souveränität beim zielgenauen Treffen des Fettnapfs bewiesen, aber zumindest würde jemand das Gespräch führen, der nicht in ein paar Wochen aus der deutschen Politik verschwindet. Von dem versprochenen außenpolitischen Format, von dem Kanzler, der Deutschland auf die Weltbühne zurückbringen will und das Gespräch mit Trump sucht, sah man an diesem Tag jedenfalls nichts.
Bekanntlich hatte Meloni nach ihrem Besuch im Weißen Haus Trump nach Europa eingeladen. Dass sich die beiden so schnell wiedersehen würden, hätte wohl keiner von beiden gedacht. Dass dabei nicht nur ein gemeinsames Treffen von Trump und Selenskyj stattfand, das half, Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen, sondern es sogar eine zaghafte Annäherung zur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab, machte den römischen Boden zu einem diplomatischen Parkett. Wieder einmal stand die zierliche Römerin mittendrin – und wieder einmal wird man ihr eine Brückenbauerfunktion anrechnen, wie sie sonst nur der römische Pontifex innehat.
Der sollte trotz allem hier nicht ganz unter die Räder kommen. Interessant mutet die Beobachtung an, dass die Medien immer wieder das schlichte Grab oder die Demut betonen, nicht in Sankt Peter, sondern in Santa Maria Maggiore zu finden. Dem liegen gleich mehrere Mythen zugrunde. Die Gräber der letzten Päpste mit ihrem schlichten Marmordeckel im Vatikan sind nicht weniger schlicht als die Grabstätte von Franziskus. Santa Maria Maggiore ist überdies bereits im Mittelalter und in der Frühneuzeit eine Grabstätte gleich mehrerer Päpste gewesen, zuletzt von Sixtus V.
Dass überdies eine weitbeachtete, vom gesamten römischen Volk wahrgenommene Leichenprozession mitten durch die Ewige Stadt führen würde, musste Franziskus einkalkuliert haben. Auch nach dem Tod würde ihm also jene Medienaufmerksamkeit zuteilwerden, die er in den ersten Jahren seiner Amtszeit auf sich gezogen hatte. Das letzte Mal, dass ein Papst nach seinem Tod quer durch Rom transportiert wurde, war nach dem Tod von Pius IX. im Jahr 1878. Die Anteilnahme des römischen Volks zeichnete sich damals weniger durch Bedächtigkeit als durch Wut und Aufruhr aus. Im Zeichen des jungen italienischen Nationalstaats, der 1870 Rom erobert und zur Hauptstadt gemacht hatte, sowie des grassierenden Nationalismus, Säkularismus und Liberalismus gab es Steinwürfe und Versuche, den Wagen zu kapern. Das damalige Sicherheitsaufgebot schützte keinen Staatschef, sondern den toten Papst, den der Mob in den Tiber werfen wollte.
Franziskus hat in seinem Testament klargemacht, dass sein Grab von auswärts finanziert sei. Tatsächlich sind in italienischen Medien bereits stichhaltige Hinweise aufgetaucht, dass sich der Kreis laut „Affari italiani“ auf zwei Personen eingrenzen lasse. Die Summe ist auf einem Konto der Volksbank von Sondrio hinterlegt. Eine Million Euro soll der unbekannte Wohltäter dort disponiert haben als „Spende Päpstliche Basilika Santa Maria Maggiore“. Die eine Theorie besagt, dahinter stecke der spanische König Felipe VI. In Italien herrscht dagegen die Meinung, dass eher die andere Person das Grab gestiftet habe: niemand anderes als der ehemalige Medienmogul und Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Dieser treue Sohn und Sünder hat dieses letzte Kapitel in Franziskus’ Leben damit noch um eine letzte Pointe bereichert.
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