Strom? Der kommt aus der Steckdose – zumindest in der Theorie.

In der Realität ist das Ganze etwas komplizierter und nahezu alle Akteure jenseits der Steckdose sind darum bemüht, das hochsensible Gleichgewicht aus Stromerzeugung und -verbrauch auf Sekundenbruchteile genau aufeinander abzustimmen. Gelingt dies nicht, weicht die Netzfrequenz von ihren erforderlichen 50 Hertz ab – und sollte das Gleichgewicht nicht wiederhergestellt und die Abweichung zu groß werden, kommt es zu einem Stromausfall. Und dann?

Wenn in Europa das Licht ausgeht

Fällt an einem Ort der Strom aus, kann sich das auf angrenzende Gebiete auswirken, denn das Gleichgewicht aus Stromerzeugung und Stromverbrauch muss aufgrund des überregionalen Stromnetzes nicht nur jederzeit, sondern auch überall aufrechterhalten werden.

Auch hier gilt: Gelingt dies entweder durch geschickte Netzeingriffe oder Abkoppeln von Leitungen nicht, fällt in einem weiteren Gebiet der Strom aus. Setzt sich dieser sogenannte Kaskadeneffekt fort, kommt es binnen Sekunden zu einem großflächigen Stromausfall wie jüngst auf der Iberischen Halbinsel. Dass das kein Einzelfall ist, zeigt die Vergangenheit.

„Schwarzstartfähig“ vereint Bergsteiger und Motorrad

Neben den gesellschaftlichen Folgen beeinflusst ein Blackout natürlich auch die Strominfrastruktur, die – sofern keine technischen Schäden aufgetreten sind – lediglich neu gestartet werden muss. In Fachkreisen spricht man von einem Schwarzstart beziehungsweise der Schwarzstartfähigkeit. Mit anderen Worten, eine stabile Grundversorgung wird in einem „leeren“ Stromnetz aufgebaut.

Dabei verhält es sich wie beim Bergsteigen: Der Rückweg ist gefährlicher als der Hinweg und nicht alle Routen sind für alle Bergsteiger geeignet. Übertragen auf die Stromversorgung bedeutet es, dass die Risiken beim Wiederanfahren sogar größer sind als beim plötzlichen Abschalten, wodurch es jederzeit erneut zu einem Störfall kommen kann. Zudem sind nicht alle Kraftwerke in der Lage, diesen Schwarzstart anzuführen.

Infrage kommen weder Solar- noch Windkraftanlagen, da diese zwar Strom liefern, aber die Netzfrequenz nicht garantieren können. Im Regelfall taugen auch Batteriespeicher für diesen Zweck nicht, ebenso wie Biogas- und Geothermieanlagen. Auch konventionelle Kraftwerke sind nicht zwingend schwarzstartfähig, denn dies erfordert, dass ein Kraftwerk ohne Fremdenergie in der Lage sein muss, mit der Stromproduktion zu beginnen.

Vergleichbar ist das mit dem Motor im Auto. Um ihn zu starten, ist der Fahrer auf den Anlasser angewiesen. Ist jedoch die Batterie leer, funktioniert er nicht. Wer kann helfen? Ein anderes Auto. Notfalls ein Motorrad, das mittels Kickstart zum Leben erweckt wird.

Aller Anfang ist schwer

Im Normalfall weist das europäische Stromnetz besagte Netzfrequenz von 50 Hertz auf. Nach einem Blackout muss auch diese wieder aufgebaut werden und darf beim Hinzuschalten weiterer Kraftwerke, Netzabschnitte und Verbraucher nicht wieder aus dem Gleichgewicht geraten.

Eine entscheidende Rolle spielen hierbei Wasserkraftwerke. Ähnlich wie beim Motorrad können die Mitarbeiter die Ventile manuell bedienen, um Wasser zu den Turbinen zu leiten. Für den nötigen Schwung sorgt die Schwerkraft. Damit sind diese Kraftwerke schwarzstartfähig. Zugleich dienen die Rotoren der Turbinen und Generatoren als Schwungrad, über deren Drehzahl die Netzfrequenz eingestellt und reguliert werden kann.

Steigt der augenblickliche Strombedarf, weil etwa die Verbraucher um das Kraftwerk wieder angeschlossen werden, werden die Generatoren stärker belastet. In der Folge sinkt deren Drehzahl – wie beim Auto am Berg – und man muss mehr „Gas geben“, um die Geschwindigkeit zu halten, beziehungsweise den Wasserfluss erhöhen, um die Frequenz wieder auf den Sollwert von 50 Hertz zu bringen. Analog wird der Wasserfluss reduziert, wenn ein weiteres Kraftwerk in das neu aufgebaute Stromnetz einspeist.

Licht aus? Licht aus!

Problematisch wird es, wenn zu viele Verbraucher in einer Region gleichzeitig wieder Strom benötigen. Beispielsweise, wenn sich nach einem längeren Stromausfall Geräte wie Kühlschränke automatisch einschalten oder endlich wieder Fernseher, Wasserkocher oder Herd genutzt werden können. Übersteigt die Stromnachfrage das -angebot, droht ein erneuter Stromausfall und das Ganze beginnt von vorn.

Um die Belastung im Netz nach einem Stromausfall gering zu halten, ist es angebracht, elektrische Geräte, die von selbst wieder angehen, vom Netz zu trennen. Das gilt auch für die Deckenbeleuchtung, die nicht selten angeschaltet bleibt oder wird, um zu sehen, wann der Strom zurückkommt.



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Von Veritatis

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