Am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin inszeniert der Schauspieler Milan Peschel ein Stück über die Liebe – und macht daraus einen unvergesslichen Abend, der auch dem verstorbenen René Pollesch ein Denkmal setzt
Ist es die Liebe, die uns rettet? Ist sie das weltverändernde Tun?
Foto: Silke Winkler
Immer öfter frage ich mich ja, wohin man sich mit dieser größer werdenden Beule im Gemüt noch wenden soll. Wie sich Einzelne zu dem großen Gegenwartsganzen, also etwa: zu dem Planeten, der größtenteils von Männern regiert wird, die die Welt verbrennen, verhalten sollen? „Ich weiß nicht, was die Frage ist“, sagte dazu vor ein paar Tagen jemand auf der Bühne des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, „aber die Antwort muss sein: Ich werde dich lieben bis zum Tod!“
Jeder Gang ins Theater, sagte mir mal ein bereits verstorbener Freund, trägt eine Hoffnung in sich. Die Hoffnung, berührt oder in Bewegung versetzt zu werden oder sogar eine Antwort zu erhalten. In Ich werde dich lieben, dem neuen Abend des Volks
uen Abend des Volksbühnenschauspielers und Künstlers Milan Peschel und dem Ensemble in Schwerin passierte nach langer Zeit wieder einmal genau das: die Hoffnung erfüllte sich.Titelgebend ist ein Lied von Marlene Dietrich, die darin stoisch verkündet, nicht vergessen, sondern lieben zu wollen. Ist es also die Liebe, die uns rettet? Ist sie das weltverändernde Tun? Wenn wir doch nur ein Ritual hätten! „Unerschütterlich und systematisch jeden Tag zur selben Uhrzeit dasselbe machen, das würde die Welt verändern“, sagt eine Figur vor der sich drehenden Bretterbude auf der Bühne, die – das weiß keiner so genau – mal ein Beerdigungsinstitut ist, mal eine „staatlich subventionierte Theaterspelunke“ oder das „Haus mit dem Versprechen auf eine gemeinsame Zukunft“.Fortgeführter Dialog mit René PolleschEs ist unfassbar liebevoll mitanzusehen, wie die Figuren hier über zwei Stunden ihrem Ritual folgen, nämlich unaufhörlich und unbeirrbar über ihre Liebesoptionen zu sinnieren und zu spekulieren. Einer habe mal eine Doku gesehen, da hätten Indigene einmal im Jahr ihr eigenes Haus abgefackelt, „um etwas herzugeben, was einem wirklich etwas bedeutet“; was dann, über eine Videoprojektion zu sehen, auch gleich auf einem Acker in Mecklenburg nachgemacht wurde.Ist dieses Brennen dann eine „Katastrophe“, wie alles „in der Menschheitsgeschichte durch Katastrophen entstanden ist“ oder ist es ein Bild für unser „Glück, das in Flammen steht und leuchtet wie am ersten Tag“? Und in dieses herrliche Herumrätseln, das die Gegenwart greift, ohne sie konkret zu benennen, stürmt dann regelmäßig ein Chor herein und singbrüllt: „Ich werde dich lieben!“, oder „Ja, immer immer wieder geht die Sonne auf!“Zum Schluss wird natürlich auch gerungen mit dem Verlust geliebter Menschen: Unausgesprochen ist dieses Theaterereignis ein in der Kunst fortgeführter Dialog mit dem vor einem Jahr verstorbenen Regisseur und Autor René Pollesch, dessen Handschrift dieser Abend unverkennbar trägt.Placeholder image-1TheatertagebuchEva Marburgstudierte Theater- und Literaturwissenschaften in Berlin und New York. Nach Arbeiten als freie Dramaturgin und Autorin am Theater, studierte sie Kulturjournalismus an der UdK in Berlin und ist seit 2018 Fachredakteurin für Theater bei SWR2. Für den Freitag schreibt sie regelmäßig das Theatertagebuch.