Was sich gestern und heute in der britischen Politik abgespielt hat bzw. abspielt, es hat das britische Parteiensystem unwiderbringlich verändert.
Das Zweiparteiensystem ist tot. Die Conservatives und Labour sitzen vor den Leichenbergen ihrer kommunalen Vertretung, und es gibt kein Zurück zu dem Parteiensystem, das viele Briten mittlerweile als ein „uniparty system“, eines, bei dem es keinen Unterschied macht, ob man Tories oder Liebour wählt, ansehen.
Die Ereignisse im Einzelnen.
Als gestern Nacht gegen 24.00 Uhr die ersten Ergebnisse der Kommunalwahlen eingetrudelt sind, konnte man schon ahnen, dass hier etwas Besonderes im Gange war. Das allererste Ergebnis wirkt im Nachhinein wie eine Vorwarnung des kommenden Bebens:
Die fast vollständige Beseitigung von Liebour Kandidaten aus den Councils (Kreis-/Stadt-/Gemeinderäten), in denen vor dem Wahlabend 284 von ihnen saßen, nahm bereits Gestalt an. Dass die Tories einen mehr als schweren Stand haben werden und es sich mittlerweile abzeichnet, dass sie als kommunale Kraft selbst in ihren ehemaligen Hochburgen KEINE Rolle mehr spielen werden, war auch schnell klar, dass nicht einmal Sitze der LibDims vor Reform UK sicher sein werden, war indes einigermaßen überraschend.
Bereits 2023, als wir z.B. über Nachwahlen zum House of Commons in Tamworth oder Mid-Bedfordshire berichtet haben, damals war Rishi Sunak noch PM, haben wir die nachlassende bzw. entfallende Bindung ehemaliger Wähler der konservativen Partei an eben diese beschrieben und vorhergesagt, dass für den Fall, dass eine wählbare Alternative zu den Conservatives Gestalt annimmt, die Tage der Conservatives gezählt und ein de-alignment zu einem re-alignment werden wird, bei dem die Conservatives weitgehend auf der Strecke bleiben werden.
Reform UK ist diese wählbare Alternative, aber nicht nur für Wähler der Tories, auch für Wähler von Labour, wie die dort noch Ausharrenden spätestens seit dieser Kommunalwahl wissen. Wie existenzgefährdend für Liebour Reform UK ist, das hat sich am gestrigen Abend bei der Nachwahl zum House of Commons in Runcorn and Helsby gezeigt. Dort ist der Kandidat von Labour mit einem großen Vorsprung von 14.696 Stimmen auf den schon 2024 mit 7.662 Stimmen an zweiter Stelle liegenden Kandidaten von Reform UK ins Rennen gegangen, ein Rennen, das notwendig wurde, weil der 2024 gewählte Mike Amesbury nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Körperverletzung sein Amt losgeworden ist. Indes, der Vorsprung ist geschmolzen wie Eis in der Sonne und am Ende war es nach zweimaligem Zählen ein Rückstand von 6 Stimmen auf Sarah Pochin, den Kandidaten von Reform UK und eine deftige Niederlage für Labour:
Es gibt bei dieser Nachwahl nur einen Gewinner: Reform UK.
Und für Labour gibt es die Erkenntnis, dass KEIN Sitz vor Reform UK sicher ist, immerhin war der Sitz in Runcorn & Helsby vor der Nachwahl der 17sicherste Sitz im Portfolio von Sir Keir Starmer. Das große Fracksausen bei den Liebours hat begonnen.
Und für Reform ging es erfolgreich weiter. Andrea Jenkyns konnte sich in der Wahl zum Bürgermeister von Greater Lincolnshire mit großem Abstand und 104.133 Stimmen (42,0%) gegen den zweitplatzierten Rob Waltham, Conservatives, mit 64.585 Stimmen (26,1%) durchsetzen. Und seitdem geht es für die Conservatives und Labour von bad to worse.
Noch sind nicht alle Wahlbezirke ausgezählt, doch bereits jetzt liegt der Anteil der Councillor, die als Vertreter von Reform UK in ein kommunales Parlament gewählt wurden, deutlich über den optimistischsten Vorhersagen, während der Niedergang der Tories und der Liebours jede Befürchtung übertrifft.
Das derzeitige Ergebnis (18.00 GST) sieht so aus:
5 von 23 Wahlkreisen sind noch nicht ausgezählt und schon jetzt liegt Reform UK deutlich über der optimistischsten Prognose von 533 Sitzen. Die Tories haben bereits 580 von einst 997 Councillors verloren, also bereits mehr als die Hälfte und bei Labour sind von den 284 Sitzen schon jetzt nur maximal 123, aber vermutlich deutlich weniger geblieben. Beide Parteien nähern sich der lokalen Bedeutungslosigkeit, bestens darin dokumentiert, dass kein County Council verblieben ist, das Labour oder die Tories kontrollieren. Im Gegensatz dazu hat Reform UK eine kontrollierende Mehrheit in den Councils von Durham, Lancashire, Staffordshire, Derbyshire, Nottinghamshire, Lincolnshire und Kent. Oxfordshire und Cambridgeshire werden von Libdims kontrolliert.
Das britische Parteiensystem hat sich massiv verändert. Die Tage der Conservatives und die von Labour sind gezählt. Und während wir das schreiben, kommt die Kunde, das Luke Campbell als Bürgermeister in Hull and East Yorkshire gewählt wurde, sich mit 48.491 Stimmen (35,8%) gegen seinen dichtesten Verfolgen, Mike Ross, Libdims mit 37.510 Stimmen (27,7%) durchsetzen konnte.
Luke Campbell hat seine Karriere als Boxer begonnen und 2012 bei den Olympischen Spielen in London eine Goldmedaille im Bantam-Gewicht erboxt. Der MBE, Most Excellent Order of the British Empire, war ihm damit sicher. Und noch eine kleine Anekdote: Dem ein oder anderen ist Darren Grimes sicher als eine der Triebkräfte hinter der Leave-Bewegung bekannt, vielleicht auch aus seiner Zeit als Moderator für GB News. Grimes stammt aus dem County Durham und wurde dort als Councillor für Reform UK gewählt.
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