Vier Tage ist Präsident Xi Jinping in Moskau geblieben und hat gezeigt, dass China auf lange Sicht für Russland ein Partner sein will. Peking ist daran gelegen, die eigene Sicht auf den Zweiten Weltkrieg in Asien kundzutun
Xi Jinping war nicht nur gekommen, um am 9. Mai den 80. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland zu begehen und die Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau zu sehen
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Chinesen sind vorsichtige Akteure. Es war kein „Staatsbesuch“, sondern eine Stufe tiefer nur ein „offizieller Besuch“, der Chinas Präsidenten Xi Jinping nach Moskau geführt hat, wird in Peking verlautbart. Dennoch kann Präsident Wladimir Putin zufrieden sein. Xi ist nicht nur gekommen, um am 9. Mai den 80. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland zu begehen und die Militärparade zu sehen. Er ist schon am 7. Mai eingetroffen und bleibt vier Tage. Bei der Begrüßung im Georgssaal des Kremls nannte der Gastgeber den chinesischen Staatschef einen „teuren Freund“. Der wiederum beschränkte sich gegenüber Putin dezent auf die Anrede „verehrter Präsident“.
Bereits kurz vor Xis Ankunft hatte Putin in
sich gegenüber Putin dezent auf die Anrede „verehrter Präsident“. Bereits kurz vor Xis Ankunft hatte Putin in einem Interview für das russische Staatsfernsehen vom „strategischen, tiefen Charakter“ der Beziehungen beider Staaten gesprochen und betont, „dass die Interessen beider Länder zusammenfallen“. Ihr Verhältnis sei ein „äußerst wichtiger stabilisierender Faktor in der internationalen Arena“ – auf der Basis von „Gleichberechtigung, gegenseitigem Nutzen, Respekt der Interessen und Souveränität“. Inzwischen gilt die bilaterale Kooperation besonders dem Globalen Süden, in Afrika, Lateinamerika und Asien, in der Staatenassoziation BRICS und der Schanghaier Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit.Die Übereinkunft zu „Kraft Sibiriens 2“ ist noch nicht unterschriftsreif In der Tat ist der Warenaustausch im Vorjahr auf den Rekordwert von 244,9 Milliarden Dollar gestiegen. Dabei ist „die Lokomotive der Verbindungen“ (Putin) die Energie. Dies betrifft Gaslieferungen, aber auch den Bau von Kernkraftwerken in China mit russischer Technologie. Wachsende Bedeutung haben die Lieferungen russischer Agrarprodukte nach China. Anlässlich der Begegnung in Moskau wurden diverse Verträge zwischen beiden Ländern unterzeichnet, nicht allerdings der von Russland angestrebte Vertrag mit China über den Bau einer weiteren Gasleitung. Die Übereinkunft zu „Kraft Sibiriens 2“ ist noch nicht unterschriftsreif. Strittig ist offenkundig die Finanzierung des Projektes. Jüngst gab eine chinesisch-russische Gemeinschaftsproduktion beim Spielfilm Rote Seide, der im Februar in die russischen Kinos kam. Ein fiktiver Spionagekrimi vor dem Hintergrund einer historischen Begebenheit. Im Jahr 1928 fand ein Parteitag der KP Chinas im Moskauer Umland statt. Danach jagten verschiedene Geheimdienste die Delegierten. Rote Seide ist nicht nur eine Art „James Bond in Rot“. Das Filmwerk, gefördert von der russischen Kulturministerin, spricht auch für den Versuch, die Freundschaft beider Völker zu zelebrieren, die erst nach der Russischen Revolution von 1917 möglich wurde und nach Gründung der Volksrepublik China 1949 bekanntlich Höhen und Tiefen kannte. Für China begann der Zweite Weltkrieg schon im Juli 1937 Xi hat in Moskau zu verstehen gegeben, dass er „sehr froh“ sei, dass man gemeinsam den 80. Jahrestag des „Sieges des chinesischen Volkes im Krieg gegen die japanischen Eroberer“ feiern werde. Aus chinesischer Sicht begann der „weltweite antifaschistische Krieg“ nicht 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen, sondern mit dem umfassenden Krieg Japans gegen China im Juli 1937. Der chinesische Blick auf den Zweiten Weltkrieg hat durchaus politische Konsequenz, die derzeit den Schulterschluss zwischen Peking und Moskau begünstigen. In China wird jede militärische Kooperation von NATO-Ländern mit Japan als Alarmsignal wahrgenommen. Für die russische Führung, aber auch große Teile der russischen Gesellschaft ist wichtig, dass China sich nicht an dem Versuch westlicher, vor allem deutscher Politiker beteiligt, Russland wegen seines militärischen Vorgehens in der Ukraine aus dem Kreis der respektierten Sieger über Hitlerdeutschland zu verstoßen. Demonstrativer Ausdruck eines gemeinsamen russisch-chinesischen Geschichtsbewusstseins war denn auch am 9. Mai auf dem Roten Platz der gemeinsame Vorbeimarsch von Soldaten Russlands und Chinas vor Xi Jinping und Putin. Einen solchen Auftritt hatte es schon zum 70. Jahrestag des Kriegsendes auf dem Roten Platz gegeben. Xi hat bei der Begegnung mit Putin im Kreml am 8. Mai auch die gemeinsame Mitgliedschaft beider Staaten im UN-Sicherheitsrat erwähnt. Dies kräftige die „strategische Zusammenarbeit“ mit dem Ziel, in der Welt „Multipluralität“ und eine „inklusive ökonomische Globalisierung“ zu erreichen. Beide Seiten würden sich in diesem Sinne gegen „illegitime Sanktionen“ westlicher Länder und „überhöhte Zolltarife“ (Donald Trump wurde nicht namentlich erwähnt) wenden. China will auf keinen Fall, dass Russland den Krieg verliert Wesentlich vager blieb man in Moskau beim Thema Ukraine. In der „Gemeinsamen Deklaration“ firmiert der Krieg als „ukrainische Krise“, deren „ursprüngliche Ursachen“ gelöst werden sollten „unter Beachtung der Prinzipien des Statutes der UNO“ – eine Collage aus Putinschen und chinesischen Formulierungen. Russland bescheinigt den Chinesen eine „objektive und nicht voreingenommene Position“ und eine „positive Rolle“ beim Versuch, die „ukrainische Krise“ auf einem „politisch-diplomatischen Weg zu regeln“. Hintergrund für diesen sprachlichen Balanceakt: Die chinesische Führung hat durch nach Russland entsandte Emissäre zuletzt noch einmal deutlich gemacht, dass sie einen Waffenstillstand und einen „dauerhaften Frieden“ für die Ukraine will. Zugleich betrachtet sie die Expansion der NATO als wesentliche Ursache des Konfliktes. China will daher auf keinen Fall, dass Russland den Krieg verliert. Damit kann das offizielle Moskau gut leben.