Lachen ist gesund, sagt der Volksmund. Es sei denn, man sitzt im Bundestag – und gehört zur falschen Partei. Dann gilt: Lachen ist Verdachtsäußerung. Wer kichert, könnte etwas gemeint haben. Wer grinst, hat vermutlich schon gedacht. Und wer laut lacht – ja, der will wahrscheinlich gleich putschen.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ließ gerade eigens zählen, wer im Parlament wie oft lacht. Ergebnis: Die AfD lacht am häufigsten. Was in einer funktionierenden Demokratie Anlass für die Erkenntnis wäre, dass diese Leute entweder sehr lustig sind – oder sehr leicht zu erheitern – wird im heutigen Meinungsklima natürlich ganz anders gedeutet: Das Lachen der Rechten ist ein subtiles Machtinstrument. Ein Akt der psychologischen Kriegsführung gegen eine ohnehin schon schwer traumatisierte grüne Seele.
Ricarda Lang ist vermutlich schon tief betroffen. Und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge bereitet gewiss eine bierernste Erklärung vor, dass die AfD mit ihrem Lachen ‚andere lächerlich machen‘ wolle. Ein bestürzender Vorgang – schließlich war Lächerlichmachen bislang das Monopol der Öffentlich-Rechtlichen.
Man fragt sich: Wo bleibt die SPD mit einem „Demokratiefördergesetz gegen sarkastische Körpersprache“? Wo bleibt Nancy Faeser, wenn es darum geht, rechten Humor endlich konsequent zu unterbinden? Stopp, sorry – alter Reflex. Sie ist ja inzwischen nur noch Hinterbänklerin. Aber gerade da, in den ungemütlichen Zonen des Bundestags, hätte sie doch endlich Zeit, sich solchen Themen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu widmen. Zum Beispiel der überfälligen Frage: Wo, um Himmels Willen, bleibt der Beauftragte für Witzgerechtigkeit?
Doch all das ist sicher nur eine Frage der Zeit. Denkbar wäre zum Beispiel ein Lachquoten-Gesetz. Jede Fraktion bekommt exakt 12 Sekunden Lachen pro Woche, zu beantragen beim Bundestagspräsidium – außer natürlich die AfD. Die darf maximal auf Antrag lächeln. Und auch das nur am Freitagvormittag, unter Aufsicht. Denn sonst grinst sie noch an der falschen Stelle, und das wäre Delegitimierung der Demokratie.
Die eigentliche Pointe aber ist: Während man das Lachen der Opposition skandalisiert, verzieht man selbst keine Miene mehr. Die Stimmung in vielen Ausschüssen ist inzwischen so heiter wie in einer autistischen Selbsthilfegruppe für Paragrafenfreunde. Wer lacht, gilt als unsensibel. Wer Witze macht, als verdächtig. Und wer beides kombiniert, bekommt vermutlich bald Hausverbot im Menschenrechtsausschuss.
Aber das ist erst der Anfang. Wenn schon gezählt wird, wer wie oft lacht – was kommt als Nächstes? Die große Bundestags-Toilettenstudie? „AfD pinkelt am häufigsten – Zeichen für Besitzdenken und strukturellen Biologismus“? Oder eine Auswertung der Bundestagskantine: „Rechtsradikale Fleischquote bei Schweineschnitzel-Bestellungen“? Oder das Zwinker-Tracking im Plenarsaal – „Gefährliches Augenrechtsblinzeln: Wie die AfD mit nonverbaler Mimik die Demokratie untergräbt“?
Man möchte lachen. Aber besser nicht zu laut. Seit dem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen“ wissen wir: Wer zu fröhlich ist, macht sich verdächtig. Fröhlichkeit – das neue Erkennungszeichen für Rechtsextremismus? Wer zu oft lacht, könnte demnächst im Betrieb auffallen. Vielleicht gibt es bald einen Hinweis im Antidiskriminierungsgesetz: „Lachen ist kein Ausdruck von Vielfalt, sondern kann als Mikroaggression interpretiert werden.“
Dabei ist es ja ein offenes Geheimnis, dass viele Linke – natürlich nicht alle, aber eben viele – ein eher angespanntes Verhältnis zum Humor haben. Besonders zur Ironie, dieser verdächtig doppelbödigen Form des Denkens. Aber dass sie allen das Lachen quasi inoffiziell verbieten wollen – das gab es nicht einmal in der DDR. Selbst in der Sowjetunion wurde zwischen Parteitreue und einem guten Witz differenziert. Heute dagegen scheint jeder Kalauer ein Kalter Krieg.
Früher war das Parlament ein Ort des Schlagabtauschs, der Ironie, der Zuspitzung – ein bisschen wie ein politisches Kabarett, nur mit schlechteren Gags. Heute droht der Bundestag zur Humorfriedhofsstätte zu werden. Das ist tragisch. Und irgendwie auch komisch. Aber das darf man jetzt wohl nicht mehr sagen.
Merz taumelt ins Kanzleramt – aber um welchen Preis? Das wahre Drama hinter dem zweiten Wahlgang
Geheim-Urteil gegen die AfD: Der Staat brandmarkt – aber die Begründung dafür verrät er uns nicht
CDU unterschreibt ihr Ende – Koalitionsvertrag macht sie endgültig zu rot-grünem Erfüllungsgehilfen
Bild: Shutterstock.com
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de

Nazis überall? Absurde Sprachzensur erreicht Hertha BSC
Ein harmloses Karussell und der Spruch „fette Beute“ bei Hertha BSC werden plötzlich als Nazi-Symbole verdächtigt. Willkommen in einer absurden Welt, in der Begriffe und Symbole ständig unter ideologischem Verdacht stehen.

Flaggen, Zahlen und die Kunst, Nazis zu finden
16 Deutschland-Fahnen auf einer Bühne? Ein Priester wittert die „88“ und damit eine Hitler-Hommage. Doch das Netz reagiert mit Spott – und zeigt, wie leicht sich Ideologie und Zahlenwahn verbinden lassen.

Böhmermanns neuester Hit: Nazis keulen soll Masturbation bedeuten
Bei seinem peinlichen Ausredeversuch greift der Meister der Hof-Satire „humorlose Bauernfänger“ an, die die Bedeutung des Wortes „Keulen“ nicht kennen würden. Es entstamme der Jungendsprache und stünde für männliche Masturbation. Ernsthaft? Was ist mit „Kein Sex mit Nazis?“ Von Vera Lengsfeld.