Erstmals seit 2022 sollen Russland und die Ukraine direkt über ein Ende des Krieges in der Ukraine verhandeln. US-Außenminister Rubio ist wenig optimistisch.

Istanbul.

In Istanbul nehmen Russland und die Ukraine heute einen neuen Anlauf für direkte Gespräche über eine Beendigung des Moskauer Angriffskrieges. Das erste Treffen der beiden Länder seit drei Jahren soll nun zusammen mit türkischen Vertretern an diesem Freitag stattfinden, wie es aus Quellen des Außenministeriums in Ankara hieß. Die russische Delegation erwarte die ukrainische Seite um 10.00 Uhr (9.00 Uhr MESZ), sagte Moskaus Verhandlungsführer Wladimir Medinski. 

Der Gesandte von Kremlchef Wladimir Putin betonte, dass die russische Delegation nach Istanbul gekommen sei, „um direkte bilaterale Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu führen“. Es wären die ersten direkten Gespräche in der Türkei zwischen den Kriegsparteien seit drei Jahren. 2022 scheiterte ein Friedensabkommen.

Am Donnerstag hatte es den ganzen Tag eine Hängepartie gegeben; die beiden Seiten kamen trotz türkischer Vermittlung zunächst nicht zusammen.

Auch US-Außenminister Rubio erwartet

Geplant seien trilaterale Gespräche zwischen den USA, der Ukraine und der Türkei sowie zwischen Russland, der Ukraine und der Türkei, so die türkischen Ministeriumsquellen. Ob es ein Vierertreffen im Format USA, Russland, Ukraine, Türkei geben werde, sei noch nicht entschieden, hieß es. Die US-Delegation werde von Außenminister Marco Rubio angeführt. Rubio sagte, er werde den ukrainischen Außenminister treffen und die ukrainische Delegation. Er fügte hinzu: „Jemand aus unserem Team wird an den Russland-Gesprächen beteiligt sein.“

Rubio erwartet von den Gesprächen wenig.

Rubio erwartet von den Gesprächen wenig.

Bild: Khalil Hamra/AP/dpa

Am Abend hatte sich der türkische Außenminister Hakan Fidan nach Angaben seines Ressorts mit der russischen Delegation im Istanbuler Dolmabahce-Palast ausgetauscht. Medinski sprach von guten Gesprächen mit Fidan, dem er auch die russische Position im Konflikt mit der Ukraine erklärt habe. Die russischen Gesandten hatten nach Angaben aus Moskau tagsüber vergeblich auf die ukrainische Delegation gewartet.

Russland weist Kritik an Format zurück

Das russische Außenministerium wies Kritik zurück, dass Moskau lediglich die zweite Reihe zu Friedensverhandlungen in die Türkei geschickt habe. Es seien die qualifiziertesten Fachleute gekommen, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Diese Experten seien bereit und kompetent für die Gespräche über alle Themen: „Internationales Recht – bitte, die Situation am Boden – bitte, Fragen der Kampfhandlungen – bitte“, führte sie aus.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Delegation als zweitklassig bezeichnet. Er hatte die Anwesenheit von Kremlchef Wladimir Putin mehrfach gefordert. Der russische Präsident ignorierte die Aufforderung aber. Sein Gesandter Medinski gilt als politisches Leichtgewicht und war auch an den ergebnislosen Verhandlungen 2022 kurz nach Kriegsbeginn beteiligt. 

Medinski führt die russische Delegation an.

Medinski führt die russische Delegation an.

Bild: Sergei Kholodilin/BelTA/AP/dpa

Medinski betonte, dass sein Team alle Vollmachten habe, einen dauerhaften Frieden auszuhandeln. Die russische Delegation sei zu konstruktiven Gesprächen bereit und zu Kompromissen, sagte der Politiker, der auch Vorsitzender des russischen Schriftstellerverbandes ist.

Rubio zeigte sich allerdings vor den Gesprächen pessimistisch. „Wir haben keine großen Erwartungen an das, was morgen passieren wird. Und offen gesagt ist es meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen klar, dass wir hier nur zwischen Präsident Trump und Präsident Putin einen Durchbruch schaffen können“, sagte er am Donnerstag. Er wisse nicht, wann und wo das sein werde, „aber das ist im Moment die einzige Chance“, sagte Rubio dem Sender Fox News. Trump hatte sich zuvor ähnlich geäußert. 

Der US-Präsident selbst hat sich bis zuletzt offengehalten, von seiner Golfstaaten-Reise einen kurzfristigen Abstecher in die Türkei zu machen. Heute beendet er seine Reise mit Gesprächen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Falls etwas passiert, würde ich am Freitag hingehen, wenn es angemessen ist“, hatte Trump während seines Nahost-Trips mit Blick auf mögliche Verhandlungen in Istanbul gesagt. Ohne die Anwesenheit von Putin und Selenskyj gilt das jedoch als sehr unwahrscheinlich. 

Selenskyj bestimmt ukrainisches Verhandlungsteam in Istanbul

Selenskyj legte per Erlass ein Team mit zwölf Mitgliedern für die geplanten Verhandlungen mit dem Kriegsgegner Russland in der Türkei fest. Verhandlungsführer ist Verteidigungsminister Rustem Umjerow. Alle weiteren Unterhändler sind laut Dekret stellvertretende Leiter von Geheimdiensten, höhere Stabsoffiziere und ein Berater des Chefs des Präsidentenbüros. 

Für die Ukraine führt Verteidigungsminister Rustem Umjerow die Gespräche mit Russland in der Türkei. (Archivbild)

Für die Ukraine führt Verteidigungsminister Rustem Umjerow die Gespräche mit Russland in der Türkei. (Archivbild)

Bild: Boris Roessler/dpa

Ziel der Gespräche sei es, einen „gerechten und dauerhaften Friedens“ zu erreichen, hieß es in Kiew. Die konkreten Direktiven unterliegen dabei der Geheimhaltung. Der Krimtatare Umjerow hatte bereits an den Verhandlungen mit Russland nach Kriegsbeginn teilgenommen, allerdings nicht als Minister, sondern als einfacher Abgeordneter.

Merz: Putin hat sich ins Unrecht gesetzt

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisierte das Fernbleiben Putins bei den Istanbuler Ukraine-Gesprächen. Selenskyj habe mit seiner Reise in die Türkei am Donnerstag „ein enormes Entgegenkommen“ gezeigt, sagte Merz in der ZDF-Talksendung „Maybrit Illner“. „Wer sich jetzt allein ins Unrecht setzt mit seinem Nichterscheinen, ist Putin.“

Bundeskanzler Merz kritisiert das Fernbleiben von Putin bei den Istanbuler Ukraine-Gesprächen.

Bundeskanzler Merz kritisiert das Fernbleiben von Putin bei den Istanbuler Ukraine-Gesprächen.

Bild: Kay Nietfeld/dpa

Ein neues Sanktionspaket der EU stellte der Kanzler für kommende Woche in Aussicht: „Dieses Paket ist fertig und wird am nächsten Dienstag in Brüssel beschlossen.“ Merz versicherte, die Sanktionen würden auch unmittelbar am Dienstag in Kraft treten. „Die sind vorbereitet, die treten in Kraft, und das nächste Sanktionspaket ist in Vorbereitung.“

Europäer beraten über Friedensbemühungen für die Ukraine

Um die Ukraine geht es auch in der albanischen Hauptstadt Tirana beim sechsten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG). Dazu werden an diesem Freitag Staats- und Regierungschefs aus fast 50 Ländern erwartet. Thema bei der Zusammenkunft sollen unter anderem die laufenden Bemühungen für ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sein. 

Aus Deutschland will Kanzler Merz anreisen. Für ihn wird es der erste große Gipfel seit seinem Amtsantritt in der vergangenen Woche sein. Es wird erwartet, dass Selenskyj Merz und andere führende Staats- und Regierungschefs über den Stand Kontakte mit Russland unterrichtet und mit ihnen diskutiert, wie das weitere Vorgehen aussehen könnte.

Der EPG-Gipfel ist ein Gesprächsformat, das vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Leben gerufen wurde. Eingeladen sind diesmal Staats- und Regierungschefs aus 47 Ländern. Darunter sind neben den 27 EU-Staaten auch Länder wie Großbritannien, die Ukraine, die Schweiz und Georgien. Zudem wird auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Tirana erwartet. (dpa)



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Von Veritatis

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