A

wie Actionfilm

Spektakuläre Fallschirmsprünge gehören zu den Champagner-Stunts eines guten Actionfilms. James Bonds Flug ohne Schirm in Moonraker (1979) gehört dazu, wie die atemberaubende Choreografie in Kathryn Bigelows Gefährliche Brandung (1991). Noch einen draufgesetzt hat Tom Cruise in Mission Impossible: Fallout (2018). Hier springt Cruise einen sogenannten HALO (High Altitude, Low Opening) aus 7.600 Metern Höhe. Was aber wenige wissen, den Fallschirmsprung mit → freiem Fall würde es ohne die Pionierin Georgia „Tiny“ Broadwick gar nicht geben. Sie war 1913 die erste Frau, die einen Sprung aus einem Flugzeug absolvierte. In Hollywood wirkte sie nicht, aber ihre Stunts waren populär und wurden oft gefilmt. Broadwick revolutionierte zudem den Fallschirmsprung, indem sie 1914 die Reißleine erfand, mit der bis heute Schirme geöffnet werden, und lehrte die U.S. Army ihre Version des Fallschirmsprungs, um die Pilotenleben der wachsenden Luftflotte im Ersten Weltkrieg sicherer zu machen. Ji-Hun Kim

B

wie Bundeswehr

Fehlende Munition, Ersatzteilmangel und Elektronik-Probleme bei Panzern, Präzisionsdefizite beim Maschinengewehr: Lang ist die Liste der Pannen-Meldungen über die Bundeswehr. In dieses Bild passt ein aktueller Bericht: Die für 56 Millionen Euro neu gekauften Fallschirme der Armee seien eine „potenzielle Gefahr“ für Fallschirmspringer, zitierten WDR, NDR und SZ ein internes Papier der Bundeswehr. Die Fallschirme seien inkompatibel mit den Flugzeugen und hätten ein unnötig hohes Risiko für die Fallschirmjäger. Bei gleichzeitigen Absprüngen aus beiden Seitentüren eines Flugzeugs seien Fallschirmjäger „regelmäßig“ beinahe kollidiert. Nach den Medienberichten hieß es plötzlich aus der Bundeswehr, dieses interne Schreiben sei „gegenstandslos“ und einkassiert worden. Der Bundeswehr sei beim Verschicken „ein Bürofehler passiert“. Ben Mendelson

F

wie Fallhöhe

Der Visionär Michelangelo hat als einer der Ersten die Skizze eines aufgespannten Schirms in der Luft angefertigt und die Idee des Fliegens und Gleitens in eine technische Möglichkeit umgesetzt. Als literarische Metapher ist der Fallschirm aber älter. Die dramatische Fallhöhe ist das Elixier der griechischen Tragödie, zusammengeschnurrt im bürgerlichen Trauerspiel, denn die „Noth und Verzweiflung“ der Bürgerfamilie, sagt Schopenhauer, sei in den Augen der Großen geringfügig und eben nicht tragisch. Dennoch zehrt die Literatur bis heute von der Vorstellung des Lebens als einem mehr oder weniger geglückten Versuch im freien Fall, bei dem es darum geht, sein Schicksal zu bestimmen, Herausforderungen zu begegnen und bei Bedarf die Reißleinezu ziehen (→ Actionsfilm). Bücher handeln von glücklich zu bestehenden Abenteuern, aber auch vom Risiko des Fallenlassens, wenn sich der rettende Schirm nicht entfaltet und der Sturz in einer Bruchlandung endet. Ulrike Baureithel

K

wie Krimi

Erfahrene Krimileserinnen wissen: Versagt der Fallschirm, handelt es sich gewöhnlich nicht um einen Unfall. Einschlägige Buchtitel wie Todesfall (einer der Agnes-Tveit-Krimis)oder FreiFall für Juist (2019) sprechen für sich. Natürlich bleiben selbst raffinierteste Manipulationen an Reißleine und Auslösemechanismus nicht verborgen. Das ist so im Leben, und das ist auch in der kriminalistischen Realität nicht anders. So wurde der Bahnbeamte Ralf K. aus Düren, der aus verschmähter Liebe den Fallschirm einer Hobbyspringerin präpariert hatte, schon wenige Wochen nach der Tat überführt. Und eine belgische Lehrerin, die sich auf diese Weise einer Rivalin entledigt haben soll, wurde aufgrund von Indizien zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt. Beweise gab es allerdings nicht. Und gestanden hat die damals 26-Jährige die Tat nie. Joachim Feldmann

L

wie Luftröhre

Die paar Sekunden im freien Fall, bevor der Schirm aufgeht – das ist natürlich der aufregendste Teil beim Fallschirmspringen. Doch was tun, wenn einem der klassische Sprung zu teuer, zu aufwendig oder einfach zu hoch ist? Für all jene gibt es Indoor-Skydiving. In vielen Städten stehen senkrechte Windkanäle, in denen sich das Gefühl des freien Falls ganz ohne Flugzeug simulieren lässt. Die Idee: Nach einer Einweisung steigt man in eine gläserne Röhre. Von unten drücken riesige Ventilatoren Luft mit bis zu 270 km/h nach oben – genug, um den Körper schweben zu lassen. Wer zum ersten Mal abhebt, merkt schnell, wie schwer es ist, die Balance zu halten. Selbst die Kopfhaltung beeinflusst die Flugrichtung. Zum Glück ist für Anfänger*innen eine Begleitperson dabei, die im Zweifel auch mal die Hand reicht. Hat man die Technik raus, könnte man theoretisch durch die Luft tanzen, Pirouetten drehen oder mit Freund*innen akrobatische Figuren versuchen. Sieht eher nach Astronaut im Schleudergang aus. Sebastian Bähr

M

wie Maulbeere

Die Preußen träumten von der Seidenproduktion. Darum sind einige Brandenburger Alleen von Maulbeeren gesäumt. Seide brauchte der Staat vor allem fürs Militär (→ Bundeswehr) und dessen Orden. Weil der Stoff teuer war, wollte Friedrich der Große autark werden. Für die Zucht der entsprechenden Seidenspinner benötige man spezielle Kost: Die Raupen fressen ausschließlich Blätter des Maulbeerbaums. Höchststand erreichte die Seidenproduktion 1784 mit mehr als 6.700 Kilogramm Rohseide. Daran erinnerten sich die Nationalsozialisten. Um Fallschirmseide herzustellen, forderten sie alle Gemeinden auf, Maulbeeren anzupflanzen. Raupen wurden in Kleingärten gezüchtet, wo die Bäume bereits wuchsen. Die Produktion reichte nie aus, trug aber mit zum deutschen Überfall auf Kreta im Mai 1941 mit 10.000 Fallschirmjägern bei. Tobias Prüwer

P

wie Pusteblume

Die Natur ist überaus erfinderisch (→ Maulbeerbaum). Aus dem Reichtum ihrer Formen hat die Wissenschaft zahlreiche Anleihen getätigt. Ob der Erfinder des Fallschirms jedoch an die Flugsamen des Löwenzahns gedacht hat, dessen kugelrunde Fruchtstände aus zahlreichen kleinen fallschirmchenartigen Gebilden bestehen, ist nicht bekannt. Denn sie können sehr weit fliegen. Die Früchte des Löwenzahns hängen am Ende eines kleinen Stäbchens, von dessen anderem Ende ein Strahlenkranz von Härchen-Filamenten abzweigt, der einem unbespannten Regenschirm ähnelt. Ebensowenig wissen wir, ob der Erfinder des hessischen Zungenbrechers „Uffen Termsche siddst äh Wermsche mitten Schermsche unnerm Ermsche kimmt äh Schtermsche, werfst Wermsche mittäm Schermsche unnerm Ermsche vum Termsche“ bei dem Schirmchen des Würmchens an einen Löwenzahnflugsamen gedacht hat. Wenn das Würmchen klein genug wäre, würde so ein Schirm sicherlich ausreichen, sowohl zum Fliegen als auch als Fallschirm für eine sanfte Landung (→ Tandem). Beate Tröger

R

wie Rettungsschirm

Rettungsschirme kennt man im Flugzeug, ganz andere werden vom Staat gespannt: Der Rettungsschirm ist eine der dominierenden Metaphern im deutschen Krisendiskurs und offenbar auch ein spezifisch deutsches Sprachgebilde, eine Wortschöpfung der Eurokrise, die 2009 angefangen hat. Die Engländer haben sie als rescue umbrella oder rescue parachute (→ Zufallsfund) übernommen. Schon 2008 landeten Banken wie Hypo Real Estate oder die Commerzbank butterweich auf Milliardenbergen. Die Regierung Merkel-Steinbrück spannte damals den „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ ziemlich weit auf – 480 Milliarden Euro. Brecht fragte einst, was krimineller sei: Eine Bank zu über-fallen oder eine zu gründen. Heute wissen wir: Wer groß genug ist, muss nicht springen. Er wird getragen – von einem Schirm, den wir bezahlen. Jens Siebers

T

wie Tandem

So heißt ein Fahrrad für zwei oder gar mehr Personen. Der „Kapitän“ lenkt, die anderen treten je nach Kräften in die Pedale, so dass auch unterschiedlich leistungsfähige Personen zusammen mit ziemlicher Geschwindigkeit unterwegs sein können. Tandem-Systeme für den Fallschirmsprung wurden erst seit den 1980er Jahren in den USA entwickelt und werden inzwischen lukrativ vermarktet. Der „Master“ als erfahrener Fallschirmspringer trägt den „Springer“ vor seinem Körper, sodass dieser nichts weiter zu tun hat, als das Wagnis zu genießen. Durch zwei lasttragende, gesicherte Haken im Schulterbereich und zwei stabilisierende Gurte an den Hüften sind beide miteinander verbunden. Bis zu 4.000 Meter → freier Fall ist versprochen, der eigentliche Sprung dauert 50 Sekunden. Adrenalin pur – ein Flug-Abenteuer für jedermann soll es sein (→ Luftröhre). Eine alte Freundin schwärmt noch heute davon. Mit Mitte Achtzig hatte sie ihren Mann verloren. „Leer geweint“, wie sie sagte, wollte sie sich Mut beweisen und traute sich etwas, wozu ich mich niemals aufgerafft hätte. Irmtraud Gutschke

Z

wie Zufallsfund

2001 in Paris, ich streunte durch das FNAC, ein französisches Dussmann. Da sah ich dieses Cover mit gelber Kugel auf schwarzem Hintergrund. Parachutes. Es gefiel mir, ich nahm das Album mit und hörte es in meiner Dienstmädchenkammer. Ich verfiel den Songs sofort, einfache Chords, schlichte, eingängige Melodien, düstere Poesie, aber nie hoffnungslos. Damals studierte ich an der Elitehochschule Science Po, aber mein Herz war bei meinem algerischen Freund, der nachts als Security irgendwo im Banlieue jobbte. Hier die Bürgerskinder, da die „Beurs“, lauter Extreme, die mich seltsam traurig machten, vielleicht, weil ich in keine dieser Welten gehörte. Und die Chris-Martin-Lieder passten zu meiner Stimmung. Yellow, Don’t Panic. Dieses erste und schönste Coldplay-Album. Da waren sie noch cool, danach wurden sie eine Stadionband. Maxi Leinkauf



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Von Veritatis

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