Am 20. Mai 2025 sprach Judge Andrew Napolitano in seiner Sendung Judging Freedom erneut mit Colonel Douglas Macgregor – diesmal zur zentralen Frage: Stehen die USA kurz vor einem Krieg mit dem Iran? In dem über einstündigen Gespräch beleuchten die beiden nicht nur die wachsenden Spannungen mit Teheran, sondern auch die Lage in der Ukraine, Trumps widersprüchliche Aussagen, die Rolle Israels und die geopolitischen Verwerfungen im Nahen Osten. Was folgt, ist die ungekürzte deutsche Übersetzung dieses brisanten Interviews.
Judge Napolitano:
Hallo zusammen, Judge Andrew Napolitano hier für Judging Freedom. Heute ist Dienstag, der 20. Mai 2025. Colonel Douglas Macgregor ist bei uns. Die Frage: Wie nah sind die Vereinigten Staaten an einem Krieg mit dem Iran?
Judge Napolitano:
Willkommen, mein lieber Freund. Ich möchte mit Ihnen über Ihre Einschätzungen zur Kriegsgefahr mit dem Iran sprechen. Aber zuerst zur Ukraine – besonders im Licht von Trumps zweistündigem Telefonat mit Putin. Verstehen die Amerikaner eigentlich, wie der Kreml denkt? Dass Russland nie aufgehört hat zu kämpfen, um gleichzeitig zu verhandeln?
Col. Douglas Macgregor:
Ganz klar: Nein. Wir verstehen nicht, wie die Russen denken – über ihr Land oder diesen Krieg. Ein großes Problem ist, dass wir ihnen unsere eigene Denkweise überstülpen. Die Russen verhandeln, ja – aber sie hören nicht auf zu kämpfen, nur weil sie verhandeln. Wir sind Kriegspartei, keine neutralen Vermittler. Solange wir ihre Grundforderungen nicht anerkennen, bleibt alles beim Alten. Ich sehe keine Hinweise, dass sich das ändern wird. Im Gegenteil, Aussagen von Rubio oder Vizepräsident Vance deuten an, dass wir uns zurückziehen könnten.
Judge Napolitano:
Putin sagte nach dem Telefonat mit Trump: „Unsere Hauptziele bleiben, die Ursachen dieses Krieges zu identifizieren.“ Er sprach von der Möglichkeit eines Memorandums über einen zukünftigen Friedensvertrag. Ist das glaubwürdig?
Col. Douglas Macgregor:
Die russischen Ziele sind seit Beginn klar: Die östlichen Gebiete und die Krim sollen russisch bleiben. Selenskyj wird das niemals akzeptieren. Trump will das Kriegsende hören – aber was er hört, ist Wunschdenken. Russland will den Krieg nicht ewig führen – sie haben 120.000 bis 130.000 Tote. Die Ukrainer vermutlich 1,5 Millionen. Aber Selenskyj bleibt unnachgiebig. Unter diesen Bedingungen ist ein diplomatisches Ende unmöglich. Vielleicht kommt es zu einem Regierungswechsel in Kiew, der dann Frieden schließen könnte.
Judge Napolitano:
Was wäre, wenn der Krieg im Osten aufhört?
Col. Douglas Macgregor:
Dann wenden sich Zehntausende Veteranen in der Ukraine gegen Selenskyj. Viele hassen das Regime in Kiew. Das versteht Trump nicht. Wenn er wirklich Frieden will, müsste er sofort jede Unterstützung beenden und alle Amerikaner aus der Ukraine abziehen. Das Gegenteil passiert gerade – er setzt Bidens Politik fort.
Judge Napolitano:
Trump sagte gestern erneut: „Das ist nicht mein Krieg.“ Trotzdem sterben wöchentlich 5.000 bis 6.000 Menschen.
Col. Douglas Macgregor:
Diese Aussagen sind unverantwortlich. Seit Trumps Amtszeitbeginn sind rund 60.000 Menschen gefallen. Wenn er den Geldhahn zudrehen würde, hielte die Ukraine nur noch wenige Wochen durch. Er ist mitverantwortlich für die Fortsetzung dieses Krieges.
Judge Napolitano:
Hat Trump nicht selbst Waffen an die Ukraine geliefert?
Col. Douglas Macgregor:
Natürlich. Schon in seiner ersten Amtszeit. Aber er hat das nie wirklich verstanden. Für ihn war das bloß ein weiteres „Hilfspaket“ für ein künftiges NATO-Mitglied. Für ihn zählt, wie viel Geld man in Saudi-Arabien macht. Für die USA sind Ukraine und Russland nur Zahlen. Dabei geht es um nationale Interessen und das Überleben ganzer Völker.
Judge Napolitano:
Versteht Trump nicht, dass er von verschiedenen Gruppen beeinflusst wird – America-First-Leute vs. Neocons?
Col. Douglas Macgregor:
Ich weiß nicht, was Vizepräsident Vance sagt, aber viel Substanz sehe ich da nicht. Er sagte zwar, man solle das beenden – aber wie? Man muss die Unterstützung komplett einstellen und alle Beteiligten abziehen. Trump spricht von Frieden und erzählt gleichzeitig Europa, Russland sei verhandlungsbereit – obwohl deren Bedingungen nicht erfüllt sind. Das ist inkonsistent. Nur Moskau und Selenskyj wissen, was sie wollen. Selenskyj nimmt sogar den Untergang seines Landes in Kauf.
Judge Napolitano:
UN-Kommissar Tom Fletcher sagt, in Gaza könnten binnen 48 Stunden 14.000 Babys verhungern. Was ist mit dem moralischen Aufschrei?
Col. Douglas Macgregor:
Den gibt es in den USA nicht. Die Israel-Lobby kontrolliert Washington. Niemand widersetzt sich Netanyahu. Gaza könnte ein Paradies sein – aber Israel will es anders. Arabische Regierungen wie Ägypten oder Jordanien verurteilen das zwar, aber sie fürchten US-Militärmacht. Niemand will mit den USA Krieg führen.
Judge Napolitano:
Was ist mit Erdogan?
Col. Douglas Macgregor:
Erdogan profitiert vom fragilen CIA-Mossad-Bündnis mit Israel. Jolani – mutmaßlicher CIA-Agent – ist Erdogans Mann. Russland ist darüber empört. Lavrov nannte Jolani einen ethnischen Säuberer von Alawiten und Christen. Die Russen schützen ihre Basis und christliche Minderheiten. Auch der Iran hat Christen vor ISIS gerettet. Trump hingegen versucht nur, Saudi-Arabien von BRICS fernzuhalten – vergeblich.
Judge Napolitano:
Das Atomprogramm Irans – jetzt heißt es plötzlich: Null Urananreicherung. Ein US-Politikwechsel?
Col. Douglas Macgregor:
Das ist Netanyahus Bedingung. Er akzeptiert keinerlei Anreicherung. Trump folgt über seinen Berater Whit diesem Kurs. Damit sind Verhandlungen tot. Um das durchzusetzen, müssten wir Iran angreifen – und das ist vermutlich genau das Ziel.
Judge Napolitano:
Alastair Crooke sagt: Die USA können Iran nicht besiegen – selbst mit Israel zusammen. Ihre Einschätzung?
Col. Douglas Macgregor:
Ein Luft- und Raketenkrieg reicht nicht. Wer Iran wirklich besiegen will, braucht Bodentruppen. Das wird aber nicht offen gesagt. Ziel ist wohl eher: Irans Luftabwehr ausschalten, Raketen stoppen, Atomanlagen zerstören, eventuell das Regime stürzen. Aber das ist kaum erreichbar.
Judge Napolitano:
Könnte Netanyahu Trump in einen Krieg drängen?
Col. Douglas Macgregor:
Ja – indem Israel den Erstschlag führt. Iran würde massiv zurückschlagen, woraufhin die USA Israel verteidigen müssten. Netanyahu weiß, dass er mehr Einfluss auf den US-Kongress hat als Trump selbst.
Judge Napolitano:
Trump will heute ein Projekt namens „Golden Dome“ vorstellen – eine Raketenabwehr wie in Israel?
Col. Douglas Macgregor:
Das ist Science-Fiction. Wir können uns das nicht leisten, es ist physikalisch kaum machbar. Reagan hatte schon so ein Projekt – das „Star Wars“-Programm. Es ging nie. Es wird als neue Gelddruckmaschine für das Pentagon dienen – aber funktionieren wird es nicht. „Golden Dome“ ist technisch nicht umsetzbar.
Judge Napolitano:
Colonel – ist ein Krieg mit dem Iran unausweichlich?
Col. Douglas Macgregor:
Ich will nicht sagen, dass etwas unausweichlich ist – aber es wird schwer, ihn zu vermeiden. Eine False-Flag-Operation wie früher in Syrien könnte den Krieg auslösen. Oder Israel sagt: „Jetzt reicht’s“ – und greift an. Dann wären wir automatisch dabei. Und genau wie in der Ukraine könnten wir dann keinen Frieden vermitteln, weil wir Kriegspartei wären.
Judge Napolitano:
Vielen Dank, Colonel. Ich sehe, Sie haben mehr Zeit – Sie sind nicht mehr an vorderster Front?
Col. Douglas Macgregor:
Ja, ich war über zwei Jahre in der Verantwortung. Jetzt war es Zeit für einen neuen Blickwinkel. Aber unsere Zusammenarbeit bleibt bestehen.
Judge Napolitano:
Ja, wir setzen das fort. Das zweite gemeinsame Programm ist fast fertig. Es geht um die Frage: Warum führen wir so oft Krieg? Und um das Konzept des „gerechten Krieges“, den wir laut Verfassung seit dem 8. Dezember 1941 nicht mehr geführt haben.
Col. Douglas Macgregor:
Danke, Judge.
Judge Napolitano:
Danke auch – ein großer Mensch und ein Geschenk für unser Publikum. Um 15 Uhr folgt Lieutenant Colonel Karen Kwiatkowski zu denselben Themen.