Es gibt Texte, deren Veröffentlichung einem nicht leicht fällt – nicht, weil sie schlecht wären, sondern weil sie anecken. Weil sie Fragen stellen, die viele lieber übergehen. Der folgende gehört in diese Kategorie. Und ich glaube: Kaum ein anderes alternatives Medium würde ihn veröffentlichen. Weil selbst diejenigen, die im Innersten Putin kritisch sehen, das inzwischen meist lieber für sich behalten. Weil Kritik an Putin in der alternativen Medienszene inzwischen genauso unpopulär ist wie Kritik an Merkel in den großen Medien.
Aber ich finde: Als Journalist muss man nicht nur gegen den Strom der großen Medien spüren – sondern auch gegen den in den eigenen Reihen. Was ist ein Journalist wert, der mit dem Strom schwimmt? Nichts.
Klaus Kelle beleuchtet in seinem Beitrag ein Netzwerk von Beziehungen, das in der öffentlichen Debatte erstaunlich wenig Beachtung findet – und gerade deshalb Aufmerksamkeit verdient: Trump, Musk, Thiel, Russland.
Der Text nimmt seinen Ausgangspunkt in einer ZDF-Dokumentation – deren Stoßrichtung man nicht in jedem Punkt teilen muss. Doch Kelles Beitrag bleibt nicht dabei stehen. Er nutzt den Film als Aufhänger, um etwas anderes – etwas Ernstes und zugleich Unbequemes – zu beleuchten: Die Frage, wie sehr sich westliche Machtfiguren mit dubiosen Netzwerken in autoritären Ländern verflechten – jenseits aller Parteizugehörigkeit und oft auch jenseits der eigenen Wahrnehmung. Viele seiner Beobachtungen decken sich mit dem, was ich selbst in meinen Jahren in Moskau beobachtet und erfahren habe – auch in meiner Zeit als Übersetzer für Michail Gorbatschow. Dort brüstete man sich nicht selten regelrecht mit dem eigenen, unerkannten Einfluss im Westen – besonders auf Politiker und Medien. In meinem Buch „Putins verdeckter Krieg“ habe ich darüber bereits 2016 geschrieben.
Dass der Text sich dabei unter anderem auf eine ZDF-Doku bezieht, mag manche irritieren. Aber unabhängig von der Quelle lohnt sich der Blick auf das, was zwischen den Zeilen sichtbar wird – und auf die Widersprüche, die sich auftun, wenn Narrative plötzlich nicht mehr sauber entlang der Lager verlaufen.
Kein Skandaltext, kein Bashing, sondern eine sauber recherchierte Analyse, die Widersprüche sichtbar macht. Über die man streiten kann. Der man widersprechen kann. Die man aber kennen sollte – als kritischer Geist.
Man kann diesem Text vorwerfen, dass er keine harten Beweise liefert. Stimmt. Aber das ist nicht sein Anspruch. Er liefert keine Urteile, sondern Zusammenhänge – Beobachtungen, Hinweise, Denkanstöße. Wer nur Beweise will, wird ihn ignorieren. Wer bereit ist, unbequeme Fragen zuzulassen, wird klüger aus dem Text gehen.
Ich weiß: Viele Leser hier sehen Putin mit Sympathie. Oder blicken auf ihn zumindest weniger moralisch als strategisch. Das respektiere ich – und gestehe es ausdrücklich jedem zu. Denn ich bin kein Missionar, und ich bin nicht unfehlbar – auch nicht mit meiner kritischen Haltung zu Putin, den ich persönlich kennengelernt und über viele Jahre aus nächster Nähe beobachten konnte, mitsamt seinem Umfeld.
Wobei ich eines immer wieder betonen muss: Kritik an Putin ist genauso wenig Kritik an Russland wie Kritik an Merkel Kritik an Deutschland war. Ich liebe Russland – als zweite Heimat. Ich fühle mich selbst fast als halber Russe. Und genau deshalb bin ich Putin gegenüber genauso kritisch wie gegenüber Merkel, Scholz oder Merz.
Was mich traurig macht: Dass manche immer noch auf den uralten Propaganda-Trick hereinfallen, Kritik an einem Staatschef mit Kritik an seinem Land gleichzusetzen.
Ich finde: Gerade wer einseitige Weltbilder ablehnt, sollte auch dann hinsehen, wenn die eigenen Sympathien ins Wanken geraten. Und wenn vermeintlich „systemkritische“ Figuren wie Musk oder Thiel plötzlich in sehr undurchsichtigen Allianzen auftauchen.
Ich veröffentliche diesen Text nicht, um mich irgendwem anzudienen – im Gegenteil: Ich werde mir damit eher weitere Feinde machen. Aber mein Credo ist: Echte Unabhängigkeit beginnt dort, wo das Denken unbequem wird. Und echter Journalismus dort, wo man sich unbeliebt macht – bei der Regierung wie bei den eigenen Lesern. Ich bin sicher: Bei allen Meinungsunterschieden – meine kritischen Leser wissen das zu schätzen. Und ich weiß sie dafür zu schätzen.
Lesen Sie selbst.
Noch ist nicht geklärt, ob es Historikern einmal gelingen wird, herauszufinden, wie alles begonnen hat. Oder andersherum: Ob die Entwicklungen, die unsere heutigen westlichen Gesellschaften bedrohen, wirklich bewusst beim Zusammenbruch der Sowjetunion von der kommunistischen Nomenklatura erdacht und auf den Weg gebracht wurden.
Autoren wie Torsten Mann vertreten nach umfangreichen Recherchen diese These, die er vor zehn Jahren in seinem Buch „Weltoktober“ vorgestellt hat. Während der Amtszeit von Generalsekretär Michail Gorbatschow habe die KPdSU mit der »Perestroika« einen Prozess eingeleitet, der zwar völlig unerwartet zum Zerfall der Sowjetunion und zum Verschwinden des Warschauer Pakts und zur deutschen Wiedervereinigung führte, der aber keineswegs eine Laune der Geschichte, sondern ein perfider Plan gewesen ist.
Und Mann stellt Fragen, die eigentlich niemand bisher gestellt hat: Wurde der spektakuläre Fall der Berliner Mauer in Moskau geplant und inszeniert? War die Umgestaltung der EWG zu einer EU, die sich immer weiter nach Osten ausweitet und dabei sozialistische Züge annimmt, ein Zufall? Erleben wir alle das Aufgehen einer Saat, die in den 60er Jahren gelegt wurde, und die das Ende der USA als Weltmacht und das Ende des Kapitalismus einläutet?
Es gibt viel Mosaiksteine, die diesen Schluss nahezulegen scheinen
Mehr als 31.000 Unternehmen in Staaten der Europäischen Union haben russische Beteiligungen. Die Agentengeschichten Karl-Erivan Haub (Tengelmann) und Jan Marsalek (Wirecard) zeigen auf erschütternde Weise, wie tief russische Geheimdienste inzwischen in westliche, auch deutsche Wirtschaftsstrukturen eingedrungen sind. In einem Gespräch mit einem Geheimdienstmitarbeiter vor einigen Wochen in Berlin legte er mir die Hypothese vor, dass die Wirecard-Bank, die es bis in den DAX geschafft hatte, von vornherein eine russische Operation zur Unterminierung des deutschen und internationalen Bankensektors gewesen sein könne. Wenn man sich den weiteren Lebensweg von Jan Marsalek nach dem Zusammenbruch von Wirecard anschaut, scheint dieses Hypothese weit mehr als eine Hypothese zu sein.
Doch nun kommen weitere Details zu Tage, die das Ausmaß der russischen Langzeitstrategie belegen können. In einer ZDF-Dokumentation mit dem Titel „Putins Helfer“ legt der US-Korrespondent Johannes Hano beunruhigende Zusammenhänge des heutigen US-Präsidenten Donald Trumps, aber auch der der Tech-Milliardäre Elon Musk und Peter Thiel und deren Verbindungen mit Russland offen.
Bereits in den 80er Jahren habe der sowjetische Geheimdienst KGB aktiv daran gearbeitet, tief in die Kreise amerikanischer Eliten einzudringen, nach reichen und mächtigen nützlichen Idioten gesucht. Die leicht zu knacken wären, wenn man mit ihrer Eitelkeit spielt, sich ihre Gier, ihre Korruption als Mittel zum Zweck zunutze macht. Besonders reiche und einflussreiche Männer, die zum Beispiel regelmäßig ihre Frauen betrügen, wurden als charakterschwach und leichtes Ziel gern genommen für einen Anwerbungsversuch.
Wenig überraschend, dass in der spannenden ZDF-Doku Donald Trump und seinen Finanzgeschäfte breiten Raum einnehmen. So habe man ihm, um einen Zugang zu dem Immobilien-Tycoon zu bekommen, schon zu Zeiten der Sowjetunion angeboten, einen luxuriösen „Trump-Tower“ direkt am Roten Platz in Moskau zu errichten, was damals schon völliger Nonsens war, von Trump aber anscheinend für bare Münze genommen wurde.
David Frum, früherer Redenschreiber von George W. Bush, warf in der Dokumentation die Frage auf: „Warum gibt es diese besondere Beziehung zwischen Trump und Putin?“ Seine Antwort: „Korruption, Ideologie und Eitelkeit.“ Trump mache seit Jahrzehnten „Geschäfte mit russischen Gangstern und Oligarchen“. Als der Immobilienhai mal wieder kurz vor der Pleite stand und einen Kredit nicht zurückzahlen konnte, habe ihm ein Putin-naher russischer Oligarch ein Grundstück für 95 Millionen Dollar abgekauft. Ein Grundstück, das Trump vier Jahre zuvor für nur 41 Millionen erworben hatte.
Und so geht es weiter
Trump und sein bis vor wenigen Tagen noch bester Buddy Elon Musk seien heute dabei „den amerikanischen Staat zu zerschlagen“. Und der Rechtsanwalt Scott Horton wird zitiert: „All diese Personen haben äußerst beunruhigende Beziehungen zu Russland.“
Hinweis: Die Kommentarfunktion ist bei diesem Beitrag deaktiviert – aus Erfahrung mit gezielten Kampagnen und Trollfluten bei vergleichbaren Themen.
Merz taumelt ins Kanzleramt – aber um welchen Preis? Das wahre Drama hinter dem zweiten Wahlgang
Geheim-Urteil gegen die AfD: Der Staat brandmarkt – aber die Begründung dafür verrät er uns nicht
CDU unterschreibt ihr Ende – Koalitionsvertrag macht sie endgültig zu rot-grünem Erfüllungsgehilfen
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für viel gelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Dieser Beitrag ist zuerst auf seinem Portal the-germanz.de erschienen.
Bild: Free Wind 2014 / Shutterstock.com
Mehr zum Thema auf reitschuster.de

Warum wir ein verzerrtes Bild von Putin und Russland haben
Als Russland-Kenner muss man immer wieder den Kopf schütteln über das Bild, das hierzulande über die Politik des Kremls herrscht. Für viele ist das Thema eine regelrechte „Glaubensfrage“ geworden.

Putin fühlt sich heute stärker denn je
Der 22. Februar 2023 dürfte als schicksalhaftes Datum in die Geschichte Russlands eingehen. Was plant Wladimir Putin? Wie hat der Krieg Russland verändert? Und wohin wird all das letztlich führen? Eine Suche nach Antworten. Von Christian Osthold.

Was motiviert Putins Sympathisanten mitzuspielen?
Dass viele Menschen sich bei der Abwehr der Missionierung durch Öko- und Genderideologen im Bunde mit einem Massenmörder wähnen, ist eine gefährliche Gedankenlosigkeit, aber auch ein historisches Versagen der deutschen Konservativen. Von Arnold Vaaz.