Von Kai Rebmann
Droht Deutschland in den kommenden Jahren eine massive Klagewelle von Klima-NGOs? Genau davor warnten im März nicht wenige Kritiker, als sich Schwarz-Rot von den Grünen als Gegenleistung für deren Zustimmung zum Mega-Schuldenpaket, irreführend auch als „Sondervermögen“ bezeichnet, den Passus der „Klimaneutralität bis 2045“ in den Koalitionsvertrag diktieren ließen. Damit wurde dieses Projekt zum offiziellen Staatsziel mit Verfassungsrang befördert, dem sich künftig praktisch jedes politische Vorhaben unterordnen zu hat.
Dieser Auffassung widersprachen umgehend Verfassungsrechtler wie etwa Udo di Fabio, der den Sinn dieses Passus lediglich darin sieht, dass jene 100 Milliarden Euro, die die Grünen der neuen Bundesregierung für ihren Klimafonds abgeschwätzt haben, zweckgebunden für den Klimaschutz auszugeben seien. Oder der ehemalige Verfassungsrichter, der es so ausdrückte: „Er [der Passus der Klimaneutralität] begrenzt lediglich die Zwecke einer überplanmäßigen Neuverschuldung und setzt insoweit der Budgethoheit des Parlaments im Hinblick auf die Kreditaufnahme Grenzen.“
Eine Interpretation im Sinne der Kritiker, zu denen auch mehrere durchaus renommierte Verfassungsrechtler gehören, zum Beispiel Josef Franz Lindner, sei „ziemlich abwegig“, so Papier. Lindner hatte den Deal mit den Grünen als „Hoch-Risiko-Aktion“ bezeichnet. Und dass die Öko-Partei ebenfalls davon ausgeht, dass Klima-Klagen dank ihres Husarenstreichs künftig Tür und Tor geöffnet sind, versteht sich von selbst. So verwies die damalige Außenministerin Annalena Baerbock auf Artikel 143h des Grundgesetzes, wonach es sich beim Staatsziel der Klimaneutralität bis 2045 künftig um eine einklagbare Garantie handele.
Landesregierung fällt in selbst gegrabene Grube
Und wie das in Rechtsfragen eben so ist: zwei Juristen, drei Meinungen. Das wusste auch der im Frühjahr noch amtierende Regierungssprecher Steffen Hebestreit, der zwar kein Jurist ist, dafür aber Klima-NGOs und all jene, die sich sonst noch dazu berufen fühlen, im Zweifelsfall geradewegs zu Klagen aufrief: „Wenn es da unterschiedliche Interpretationen dieses Passus gibt, dann kann man das vor Gericht wunderbar klären lassen.“
Eine erste solch „wunderbare Klärung“ will jetzt die Deutsche Umwelthilfe vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim herbeiführen. Die Landesregierung verletze vorsätzlich geltendes Recht, behauptet DUH-Chef Jürgen Resch. Als Konsequenz fordert er ein Sofortprogramm noch vor der Landtagswahl im Frühjahr 2026.
Grund für den Aufruhr: Baden-Württemberg wird seine selbst gesteckten Klimaziele bis zum Jahr 2030 wohl verfehlen. Davon geht jedenfalls eine im Sommer 2024 vom Landesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie aus. Unter anderem würden die CO2-Emissionen gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 bis zum Jahr 2030 „nur“ um 53 Prozent reduziert und nicht, wie im grün-schwarzen Koalitionsvertrag vorgesehen, um 65 Prozent. Bis zum Jahr 2040 – also nochmal fünf Jahre früher als im Bund und ganze 10 Jahre früher als in der EU – soll im Südwesten dann Klimaneutralität herrschen.
Um der angeblich „drohenden erheblichen Zielabweichung“ doch noch Herr werden zu können, verlangt die DUH von der Landesregierung zum Beispiel ein generelles Tempolimit auf allen Autobahnen im Ländle, maximal Tempo 80 außerorts sowie die energetische Sanierung von Schulen und Kitas. Insbesondere mit dem letztgenannten Punkt dürfte die Umwelthilfe nicht nur in Stuttgart offene Türen einrennen, sondern in jedem Landratsamt und Rathaus in Baden-Württemberg und mit Sicherheit nicht nur dort – wenn denn das Geld dafür da wäre bzw. nicht an anderer, vermeintlich wichtigerer Stelle verbraten würde.
Klimaneutralität wird unbezahlbare Utopie bleiben
Überhaupt gilt bei dem Thema ganz grundsätzlich: Klimaneutralität muss man sich leisten können. Habecks Heizungsgesetz wäre da, wenn man alles wirklich konsequent zu Ende denkt, nur ein winziger Tropfen auf den heißen Stein. Vom Klimageld, das die enormen Kosten für jeden Bürger zumindest etwas sozialverträglicher gestalten und so etwas wie eine Art Rückerstattung der CO2-Abgabe (seit Anfang dieses Jahres 55 Euro pro Tonne) darstellen sollte, ist im Koalitionsvertrag schon nicht einmal mehr die Rede. Die so frei werdenden Mittel in Milliardenhöhe sollen offenbar als neue, zusätzliche Einnahmequelle für den Staat herhalten.
Dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann selbst ein Grüner ist, ist dabei nur eine Ironie am Rande. Die Klage der Deutschen Umwelthilfe in Mannheim sollte aber auch dem letzten gutgläubigen Opportunisten die Augen geöffnet haben für den Blick, was da auf uns – und unsere ohnehin hoffnungslos überlasteten Gerichte – noch zukommen dürfte.
So unterstützt etwa Greenpeace schon heute mehr als 50.000 (!) Einzelpersonen bei Klagen auf die Einhaltung von gesetzlich vorgeschriebenen Klimazielen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es darf also ruhig als Drohung in eben diese Richtung verstanden werden, wenn Georg Kössler, der politische Leiter von Greenpeace Deutschland, betont: „Auch Friedrich Merz muss sich an Recht und Gesetz halten.“ Ist es wirklich nur Zufall, dass sich Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe zu ihren jeweiligen Klimaklagen fast wortgleich äußern?
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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