Das Amtsgericht Haßfurt hat Stefan Niehoff zu einer Geldstrafe von 825 Euro verurteilt, berichtet Nius. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hatte den durch das „Schwachkopf“-Bild von Robert Habeck bekannt gewordenen Rentner in fünf Fällen wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ und in einem Fall wegen Volksverhetzung angeklagt und ursprünglich eine Geldstrafe von 1.350 Euro in 90 Tagessätzen gefordert. Schon zu Beginn der Verhandlung am Mittwoch einigten sich das Gericht und die Staatsanwaltschaft auf die Absetzung von zwei der sechs Punkte – daraufhin forderte die Behörde 70 Tagessätze zu je 15 Euro.

Ausschlaggebend für die Verurteilung: Die „kritische Verwendung“ der von Niehoff geteilten Bilder sei nicht auf den ersten Blick erkennbar, so der Richter. Gegen den hatte der Verteidiger, Marcus Pretzell, zu Beginn der Verhandlung noch einen Befangenheitsantrag gestellt. Pretzell kritisierte, der Richter habe die Pressefreiheit im Gericht durch strenge Auflagen eingeschränkt. Das Gericht lehnte den Antrag ab, der Richter durfte in dem Verfahren weiter entscheiden.

Seine Entscheidung kommentierte der Richter dann folgendermaßen: „Wir sind nicht die, die Gesetze erlassen. Ihnen muss klar sein, dass wir Gesetze auch nicht immer gut finden.“ Aber: „Mir ist klar, dass unser Internet voll ist mit sowas, und wir dem nicht Herr werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wir werden solche Fälle weiterhin verfolgen“, kündigte der Richter an.

Die Staatsanwaltschaft hatte Niehoff insgesamt wegen sechs Fällen im Visier und setzte sich jetzt in den vier verbleibenden gegen Niehoff durch. Darin ging es jeweils um den Vorwurf des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches. Einmal wurde Niehoff vorgeworfen, ein Bild per Zitatfunktion, also Retweet, geteilt zu haben, auf dem mehrere katholische Geistliche beim Hitlergruß gezeigt werden. „Ich finde die Kirche hat immer eine ehrenhafte Haltung zu politischen Systemen“, stand kommentierend in dem Beitrag.

Im zweiten Fall ging es um eine digital bearbeitete Version eines Spiegel-Titelbildes. In dem manipulierten Bild ist die bayerische Landesvorsitzende der Grünen, Katharina Schulze, beim Zeigen eines Hitlergrußes zu sehen. Als Titel ist zu lesen „Das grüne Reich“ und „Die Machtergreifung“. Kommentierend äußerte Niehoff: „Ist das schon Nationalsozialismus 2.0, will die in Zukunft Lager für Gegner bauen? Ist die vollkommen irre? Ihr seid komplett am Ende!!“, zitiert Nius aus dem Strafbefehl.

Im dritten Fall ist es demnach etwas unkonkreter. Weil Niehoff als Antwort auf einen Beitrag, dessen Inhalt nicht bekannt ist, mit einem Porträt von Adolf Hitler antwortete, soll er sich ebenfalls des Verwendens verbotener Kennzeichen schuldig gemacht haben, meinte die Staatsanwaltschaft. Auch bei dem vierten Bild ging es um Hitler, der einem Geistlichen die Hand gibt, während im Hintergrund mehrere Personen in Wehrmachtsuniform den Hitlergruß zeigen.

Die letzten beiden Punkte wurden schon am Mittwochmorgen fallen gelassen. Darin ging es einmal um ein per Zitatfunktion geteiltes Bild, auf dem eine Person in brauner Uniform und mit Hakenkreuzbinde einer Person im schwarzen Kapuzenpullover mit Antifa-Armbinde gegenübergestellt wird. Beide tragen einen Schlagstock. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Vergleich der Sturmabteilung der NSDAP mit der heutigen Antifa. „Then“ und „Now“, also „damals“ und „heute“, sind jeweils unter die Darstellungen geschrieben, zu Füßen der beiden Charaktere liegt eine Person, auf deren Kleidung „Free Speech“ (zu Deutsch: Meinungsfreiheit) steht.

Im letzten Fall ging es um den Vorwurf der Volksverhetzung. Niehoff hatte auf X einen Beitrag über die ARD-Komikerin Sarah Bosetti per Zitatfunktion geteilt. Diese hatte Maßnahmenkritiker in der Corona-Pandemie als „Blinddarm“ der Gesellschaft bezeichnet. Dem wurde das Zitat des KZ-Arztes Fritz Klein in einer Collage gegenübergestellt. Klein hatte einer KZ-Inhaftierten zufolge gesagt, dass Juden „ein entzündeter Blinddarm“ seien, „der aus dem Volkskörper entfernt werden müsse.“ Obwohl das Zitat von Niehoff offensichtlich kritisch genutzt wurde, sah die Staatsanwaltschaft darin den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

Die Ermittlungsbehörde war 2024 auf Niehoff aufmerksam geworden, nachdem dieser das bekannte „Schwachkopf“-Bild von Habeck per Zitatfunktion geteilt hatte. In dem Bild, das von der Werbung der bekannten Haarpflegemarke Schwarzkopf inspiriert ist, ist Habeck zu sehen, darunter steht „Schwachkopf Professional“. Die Staatsanwaltschaft sah darin eine Beleidigung nach Paragraf 188 des Strafgesetzbuches – dem Politikerbeleidigungsparagrafen, denn Habeck war damals Bundeswirtschaftsminister.

Im April gab die Ermittlungsbehörde dann plötzlich bekannt, einen Strafbefehl in den sechs anderen Fällen – die zuvor keine Rolle spielten – beantragt zu haben. Niehoff lehnte ab, weshalb in der Sache jetzt vom Amtsgericht Haßfurt zu seinen Ungunsten entschieden wurde.

Der zeitliche Verlauf der Ermittlungen ist dabei nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Gegenüber Apollo News erklärte die Staatsanwaltschaft, auf Niehoff aufmerksam geworden zu sein, weil eine Meldung wegen Volksverhetzung bei der Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ eingegangen war. Aufgrund dieses Auslösers – Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches ist ein Offizialdelikt und muss von Amts wegen ermittelt werden – lief die Akte daraufhin vermutlich unter ebenjenem Vorwurf: Volksverhetzung.

Anders ist nicht zu erklären, warum die im August beantragte und im November vollstreckte Hausdurchsuchung, für die das Teilen des „Schwachkopf“-Bildes als Grund angegeben worden war, auch im Rahmen des Aktionstages „gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“ geführt wurde. Erst in einer späteren Pressemitteilung erklärte die Staatsanwaltschaft, auch wegen Volksverhetzung zu ermitteln. Und: Der damals angegebene Fall, in dem die Staatsanwaltschaft eine Volksverhetzung vermutete, wurde später wie auch das Habeck-Bild nicht zur Anklage gebracht.

Auf die Frage, wie die Behörde auf die im Strafbefehl vorgebrachten Vorwürfe aufmerksam wurde, hieß es gegenüber Apollo News: „Weitere Vorwürfe der Volksverhetzung ergaben sich im Laufe der Ermittlungen“. Fast wortgleich antwortete die Staatsanwaltschaft außerdem auf die Frage, wann die Fälle, in denen die Behörde die Verwendung von verbotenen Kennzeichen sah, ermittelt worden waren. Weil die Frage eine konkretere Antwort verlangte, hakte Apollo News nach – ohne Erfolg. Immerhin teilte die Behörde mit: „Es wurde geprüft, ob auf dem X-Konto Postings mit volksverhetzendem Inhalt veröffentlicht wurden.“

Offenbar wurde also das Konto von Niehoff gezielt durchkämmt und dabei möglicherweise auch Beiträge gefunden, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der Verwendung von verbotenen Kennzeichen nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches entsprechen. Daran gab es immer wieder Kritik. Jetzt ist mit der Entscheidung des Amtsgerichts zumindest erstinstanzlich eine Entscheidung mit bundesweiter Reichweite getroffen worden, Niehoff muss die Tagessätze begleichen sowie die Prozesskosten tragen. Niehoff will Einspruch erheben.





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Von Veritatis

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