Der legendäre Videospiel-Designer Hideo Kojima trifft seinen Sensei George Miller, spricht darüber, dass man trotz Isolation nie alleine auf dieser Welt ist – und in welchen Dingen er Tom Cruise nacheifert


Still aus „Death Stranding 2“

Abb.: Kojima Productions/Sony Interactive Entertainment


Der gefeierte Videospiel-Regisseur Hideo Kojima leitete jahrzehntelang die Stealth-Action-Reihe Metal Gear, bevor er seine eigene Firma gründete, um Death Stranding zu entwickeln. Ein übernatürliches postapokalyptisches Epos, das der Guardian als „interessantesten Blockbuster des Jahres 2019“ bezeichnete. Kojima ist aufgeregt und begeistert, vielleicht sogar voller Ehrfurcht „George Miller ist mein Sensei, mein Gott“, sagt er voller Vorfreude.

Kojima ist beim Sydney Film Festival zu Gast, um mit Miller, dem Schöpfer der Filmreihe Mad Max, zu plaudern. Sie schlossen vor knapp zehn Jahren eine ungewöhnliche, aber innige Freundschaft. Kojima behauptet, dass ihn als Teenager die ersten beiden Mad-Max-Filme überhaupt erst inspirierten, Filmre

he Mad Max, zu plaudern. Sie schlossen vor knapp zehn Jahren eine ungewöhnliche, aber innige Freundschaft. Kojima behauptet, dass ihn als Teenager die ersten beiden Mad-Max-Filme überhaupt erst inspirierten, Filmregisseur und schließlich Videospiel-Entwickler zu werden. Bei einer späteren Podiumsdiskussion äußert sich Miller ebenso überschwänglich und nennt Kojima „fast meinen Bruder“. Der Australier lieh sogar einer Hauptfigur in Kojimas neuestem Spiel Death Stranding 2 seine Gestalt.Eigentlich sei es George Miller zu verdanken, dass ein Großteil seines neuesten Games in einer stark fiktionalisierten Version Australiens spielt, witzelt Kojima. Death Stranding, ein Spielkonzept, in dem man sich durch weite, tückische und doch wunderschöne Umgebungen kämpft, um Pakete zwischen isolierten Bunkern auszuliefern, passt besonders gut zu Australiens vielfältiger und abwechslungsreicher Biosphäre. Die Geografie des Spiels mag komprimiert und fantastisch sein, doch die Schönheit und der Schrecken bleiben.Lieber Tiere als metallene MechsNeben weitläufigen, stimmungsvollen Outback-Landschaften bietet Death Stranding 2 auch einige der detailreichsten (oder zumindest aufwendigsten) Darstellungen der australischen Tierwelt in der Videospiel-Geschichte. Den unverwechselbaren hüpfenden Gang eines Kängurus am sonnendurchfluteten Horizont zu entdecken, ist ein seltsam bewegender Anblick.Placeholder image-2„Ich liebe Tiere. Hier sind sie besonders einzigartig“, findet Kojima, der auf einige Festivalvorführungen am frühen Morgen verzichtete, um stattdessen dem Zoo einen Besuch abzustatten. Diese Leidenschaft teilt er mit vielen seiner Mitarbeitenden: „Viele in meinem Team erschaffen lieber Tiere, als einen neuen Mech zu entwerfen.“Cineast Kojima verweist auf einige australische Filmreferenzen. Darunter den Kinofilm Walkabout von 1971. Er gibt zu, dass der Untertitel von Death Stranding 2, „On the Beach“, eine Anspielung auf die postapokalyptische Romanvorlage von James Vance Marshall ist. „Ich liebe dieses Buch“, erklärt er. Aber der eigentliche Grund für die Drehortwahl: „Ich wollte einfach nach Australien.“ Kojima war schon einmal dort, wollte indes tiefer vordringen, „bis in die Mitte des Landes, bis in die Wüste“.Wegen der Pandemie war jedoch Kojimas Team gezwungen, Daten von externen Location-Scouts sammeln zu lassen. Nicht persönlich vor Ort sein zu können, sei sehr enttäuschend gewesen. „Sich ein Bild anzusehen oder es direkt vor Ort zu erleben. Das ist etwas völlig anderes.“Unter erschwerten BedingungenDie Remote-Arbeit während der Pandemie und darüber hinaus war ein Knackpunkt für das Spiel. „Am schwierigsten war das Performance-Capturing“, sagt er. Aus Japan Regieanweisungen für Schauspieler wie Norman Reedus oder Léa Seydoux zu geben, sei die „schlimmste Erfahrung“ gewesen. Auch weil es von der anderen Seite eines Zoom-Gesprächs aus „fast unmöglich war, Regieanweisungen zu vermitteln“. Aufgrund der Einschränkungen in der frühen Entwicklungsphase versuchte das Team, sich frühzeitig auf Szenen zu konzentrieren, in denen die Hauptdarsteller nicht zum Einsatz kamen. Was jedoch nicht immer möglich war.„Besonders für die neue Besetzung war es kompliziert“, erläutert er. „Denn ich wollte ja Rollen erarbeiten: Das ist die Figur, so sollt ihr spielen – aber plötzlich war alles remote!“ Laut Kojima entspannte sich 2022 die Situation ein wenig. Er konnte endlich nach L.A. fliegen und persönlich Regie führen, um vor allem eine bessere Beziehung zu seinen Darstellerinnen und Darstellern aufzubauen. Zentral dabei: die Nuancen des Schauspiels in Spielen zu vermitteln.„Wer schon mal in Marvel-Filmen mitgespielt hat, kennt das Prinzip von Performance Capture mit seinen grünen Hintergründen“, sagt er. In den meisten cineastischen Computerspielen wird das Schauspiel in der realen Welt durch Motion-Capture-Technologie in die digitale Welt übertragen – was für Schauspieler, die an Bühnenbild und Kostüme gewöhnt sind, irritierend sein kann. „Wir haben tatsächlich ein Tool dafür entwickelt, mit dem man die Gaming-Welt in Echtzeit auf dem Monitor während der Drehs sehen kann.“Kojima versuchte, die Darsteller so oft wie möglich zusammen spielen zu lassen, obwohl es immer wieder Ausnahmen gab, insbesondere während Covid. Hinzu kommen Gaming-spezifische Herausforderungen. So etwa die Notwendigkeit, mehrere Versionen der Schmerzenslaute einer Figur oder wiederholbare Aktionen im Spiel wie das Essen eines Apfels zu erstellen. „Norman musste ich dann erklären: ‚Iss den Apfel, und er ist gut‘, oder ‚Iss den Apfel, und er ist nicht gut‘ – wir brauchen diese Unterschiede!“Hätten wir uns verbinden sollen?Death Stranding macht den Themenkomplex „Verbindungen“ zum wesentlichen Element. Spieler sehen sich im Spiel zwar nie, können aber Ressourcen bündeln und Strukturen aufbauen, die ihnen und anderen zugutekommen. So entstehen komplexe Dienstleistungsnetzwerke, die die langwierige Paket-Plackerei für alle erleichtern. Warum also stellt der Slogan der Fortsetzung die ominöse Frage: „Should we have connected?“„Ich wurde während der Pandemie krank und war völlig isoliert“, sagt Kojima. Erschwerend kam hinzu, dass er aufgrund einer kürzlich erfolgten Augenoperation, der er sich wegen einer Sehmuskelschädigung unterziehen musste, nicht einmal Filme oder Fernsehen gucken konnte. Die Welt um ihn herum veränderte sich: Alle verschanzten sich, arbeiteten online und kommunizierten per Videoanruf, während Lieferboten den Betrieb aufrechterhielten. Seine Vision und sein Spiel waren auf einmal wahr geworden.Placeholder image-1„Während der Pandemie schien es, als wären wir alle miteinander verbunden. Aber es war nicht wirklich die Art von Verbindung, die ich mir vorgestellt hatte“, sagt er. Seine Firma, Kojima Productions, stellte in der Zeit Personal ein. Er traf neue Mitarbeiter an ihrem ersten Tag persönlich und sah sie dann aufgrund der Pandemiebeschränkungen drei Jahre lang nicht mehr wieder. Kojima ist überzeugt, dass die persönliche Zusammenarbeit nach wie vor der beste Weg ist, neue Talente zu fördern. „Der Grund, warum neue Mitarbeiter bei uns arbeiten wollen, ist, dass sie von Mentoren lernen oder sich durch die Zusammenarbeit mit anderen verbessern möchten“, sagt er. „Aber wenn man rein online arbeitet, ist das wie Outsourcing. Man möchte sich doch austauschen und sehen, was andere machen, um sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.“Remote-Arbeit sei, als arbeite man in einer Fast-Food-Kette, „man konzentriert sich nur auf eine Sache statt auf das gesamte Projekt“, sagt er. In einer kollaborativen Branche wie der Spieleentwicklung führe dies zu Ineffizienzen. Bei Arbeit in Isolation, gebe es keinen Austausch, man entdecke Fehler später und es gebe weniger Raum für glückliche Zufälle, spontane Vorschläge oder alternative Sichtweisen.Abgesehen davon, fügt er hinzu, lerne man seine Teammitglieder nicht kennen, erfahre nicht, wie es ihnen geht, und unterhalte sich auch nicht über Hobbys. „Denken Sie an Fußball. Man stellt jemanden ein, der ins Team kommt – aber remote kann man nicht zusammenspielen. Diese Person wird nicht ihre bisherige Spielweise auf das neue Team anpassen“, sagt er. Dennoch: „Man kann die Leute nicht zwingen, sondern nur überzeugen, ins Büro zurückzukehren“, stellt Kojima fest.Ohne Rückenschmerzen ins AllTrotz des düsteren Tons im Game scheint Kojima hoffnungsvoll zu bleiben. „Death Stranding ist ein zutiefst einsames Spiel“, erklärt er. „Dennoch findest du andere Spieler auf der ganzen Welt, mit denen du indirekt verbunden bist. Wenn du das Spiel ausmachst und nach draußen gehst, siehst du im echten Leben Bauwerke wie die Brücke hier in Sydney. Die hat jemand gemacht! Die Menschen dahinter sind vielleicht vor Jahren gestorben, aber du bist mit ihnen verbunden. Auch wenn du die Person nicht getroffen hast. Du bist nicht allein auf dieser Welt.“Für Hideo Kojima gibt es noch immer neue Horizonte, die es zu entdecken gilt. Lange hegt er schon den Traum, den Weltraum zu betreten – nicht nur mit einem suborbitalen Sprung wie ihn Milliardäre machen, sondern mit allem, was dazu gehört: „Das ist doch nicht der Weltraum“, sagt er entschieden. „Ich möchte richtig trainieren, lernen, wie man andockt, zur Internationalen Raumstation fliegen und dort ein paar Monate bleiben. Ich bin kein Wissenschaftler, aber ich möchte unbedingt die ersten Games im Weltraum entwickeln. Es gibt viele Astronauten über 60 – also ist das nicht unmöglich.“Immerhin gebe es im Weltraum keine Schwerkraft, die seinen Rücken unnötig belasten könnte, scherzt er. Zum Abschluss hält er kurz inne und äußert noch einen allerletzten Wunsch: Er möchte einmal in eine lebensgefährliche Situation geraten. Etwas tun, das ihm das Gefühl gibt, wirklich zu leben. „Ich nenne es das Tom-Cruise-Syndrom“, erklärt Kojima. „Tom Cruise erkennt seinen Wert dadurch, indem er sein Leben aufs Spiel setzt.“

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Von Veritatis

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